Boz Scaggs / Memphis
Memphis Spielzeit: 47:35
Medium: CD
Label: 429 Records, Membran, Sony, 2013
Stil: Soul, Blues, Pop

Review vom 24.03.2013


Joachim 'Joe' Brookes
Boz Scaggs gibt seiner Platte schlicht und einfach nur den Titel "Memphis", ohne einen Untertitel oder Zusatz. So etwas weckt Begehrlichkeiten und erinnert an die großartige Zeit des Soul. Namen wie unter anderem Al Green, Otis Redding oder Rufus Thomas müssen fallen, sind irgendwie auch so etwas wie Pflichtprogramm. Im Zusammenhang mit "Memphis" und Boz Scaggs fallen auch feine Namen: Schlagzeuger/Produzent der vorliegenden Platte Steve Jordan (auch John Mayer, David Sanborn), Gitarrist Ray Parker Jr. (Bobby Brown, Joe Cocker, The Crusaders, Marvin Gaye, B.B. King, Leo Sayer) und Bassmann Willie Weeks (Gregg Allman, Eric Clapton, Robert Cray, Doobie Brothers, Etta James, Carl Weathersby, Stevie Wonder) werden mit dem Protagonisten auf der Rückseite des Booklets gelistet. Dann gibt es bei den einzelnen Stücken noch vier Leute an den diversen Tasteninstrumenten: Jim Cox, Charles Hodges, Spooner Oldham sowie Lester Snell. Bei den weiteren Gitarristen (Keb' Mo', Rick Vito, Eddie Willis) hält sich deren Mitwirken eher in Grenzen und neben Streichern/Bläsern ist noch der Vibrafonist Jack Ashford mit von der Partie.
Nicht kleckern, sondern klotzen ... wenn schon "Memphis", dann auch ab in eines der renommiertesten Studios in der Stadt ... die Royal Recording Studios, dort wo in der Vergangenheit so viele richtungweisende Platten entstanden sind. Ob Boz Scaggs' Soul-/Blues-/Pop-Werk wohl auch dazu gezählt werden muss, werden diverse Hördurchgänge ergeben.
Die Buchstützen der Platte sind zwei Eigenkompositionen und dazwischen befinden sich neun Coversongs, die von Al Green, Moon Martin (schön mal wieder etwas von ihm in dieser Form zu hören), Tony Joe White, Willy DeVille oder Jimmy Reed. Speziell der Opener "Gone Baby Gone" geht doch sehr in Richtung Al Green, den er ja dann auch mit "So Good To Be Here" zitiert. Musikalisch versucht Boz Scaggs, sich den großen Künstlern des Memphis Soul anzunähern, was ihm mit dem ersten Track durchaus gelingt. Ob der Künstler über den entsprechenden Soul in seiner Stimme verfügt, sei dahingestellt. Aus meiner Sicht eher nicht, denn dazu hat er ein oder zwei Knödel zuviel im Hals. "Sunny Gone" ist dann was für die Lounge weit nach Mitternacht.
Wie er mit den Fremdkompositionen umgeht, ist sehr zwiespältig. Auch wenn der alte Soul manchmal sehr sanft, sich vielleicht etwas zu sehr an der Grenze zum Weichspüler befand, ist es bei Boz Scaggs über weite Phasen definitiv der Fall. Man wird den Eindruck nicht los, als wolle die gesamte "Memphis"-Mannschaft aus den tollen Vorlagen einen Lullaby nach dem anderen vortragen. Die Streicher (Royal Strings) tragen dick auf, aber die Royal Horns werden fast wegphilosophiert. Für die gespielten Töne in "So Good To Be Here" reichen gefühlt die zehn Finger an beiden Händen aus. Okay, in der Donald Fagen/Walter Brecker-Nummer "Pearl Of The Quarter" (klasse Solo von Jim Cox) verhält es sich etwas anders, aber so richtig in Erscheinung treten die Royal Horns nicht.
Aber im "Memphis"-Heuhaufen findet man dann doch mehr als nur eine Stecknadel. Nach dem gerade erwähnten Schmuse-Soul geht es in "Cadillac Walk" für die Platte ungewöhnlich gut zur Sache, auch was die Stimmung angeht. Boz Scaggs & Co. rocken den Blues mit fuzziger Gitarre und Groove. Geht doch, möchte man behaupten, musste der Hörer relativ lange auf eine solche Nummer warten. Ein Wachmacher, der es in sich hat. Dann folgt "Dry Spell" mit
Charlie Musselwhite an der Harp und Keb' Mo' slidet die Dobro. Da kann doch von der Papierform nichts schief gehen. Richtig! Hier spielt die Musik mit tollem Bottleneck-Einsatz sowie einem herrlichen Harp-Solo. Boz Scaggs hat einen Knödel runtergeschluckt. Auch "You Got Me Cryin'" ist klasse. Slow Blues, der im Hirn haften bleibt. "Mixed Up, Shook Up Girl" wird ebenfalls in diese Kiste gepackt.
Insgesamt zieht Boz Scaggs auf "Memphis" eher ehrfürchtig den Hut vor dem Genre, als ihm über die gesamte Spielzeit hinweg neue Seiten abzugewinnen.
Line-up:
Boz Scaggs (lead vocals, acoustic guitars, electric guitars, background vocals)
Ray Parker Jr. (acoustic guitars, electric guitars)
Willie Weeks (upright bass, electric bass)
Steve Jordan (drums, percussion, background vocals)
Eddie Willis (guitar - #9)
Keb' Mo (Dobro slide - #10)
Rick Vito (guitar - #11)
Charles Hodges (organ - #1,2,4-7)
Jim Cox (Rhodes - #1,5, piano - #3,5-7,12, Wurlitzer piano - #6, organ - #12)
Lester Snell (Wurlitzer piano - #3,7)
Spooner Oldham (Wurlitzer piano - #3,5,7,10, piano - #4, organ - #4)
Jack Ashford (vibraphone - #5)
Charlie Musselwhite (harmonica - #10)
David Hungate (bass - #11)
Shannon Forrest (drums - #11)
Monet Owens (background vocals, spoken words - #9)
Claytoven Richardson (background vocals)
Royal Strings:
Jessie Munson (violin)
Wen-Yih Yu (violin)
Barrie Cooper (violin)
Beth Luscome (viola)
Jennifer Puckett (viola)
Mark Wallace (cello)
Jonathan Kirkscey (cello)
Royal Horns:
Ben Cauley (trumpet)
Jack Hale (trombone)
Lanine McMillan (tenor saxophone)
Jim Horn (baritone saxophone)
Tracklist
01:Gone Baby Gone [Boz Scaggs] (3:36)
02:So Good To Be Here [Al Green/Michael Allen] (3:15)
03:Mixed Up, Shook Up Girl [Willy DeVille] (3:44)
04:Rainy Nights In Georgia [Tony Joe White] (4:34)
05:Love On A Two Way Street [BB Keyes/Sylvia Robinson] (3:36)
06:Pearl Of The Quarter [Donald Fagen/Walter Brecker] (3:28)
07:Cadillac Walk [Moon Martin] (4:27)
08:Corrina, Corrina [Traditional] (3:45)
09:Can I Change My Mind [Carl Wolfolk/Barry Despenza] (4:19)
10:Dry Spell [Jack Walroth] (3:24)
11:You Got Me Cryin' [Jimmy Reed] (4:55)
12:Sunny Gone [Boz Scaggs] (4:32)
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