Christian Straube / Vagabond
Vagabond Spielzeit: 47:26
Medium: CD
Label: Trance Music/in akustik, 2009
Stil: Akustische Gitarre

Review vom 15.02.2010


Norbert Neugebauer
Jeder hat wohl so sein Rezept, wie er mit dem Winterblues klarkommt. Seit Wochen Schnee und Kälte, kaum Sonne und aus allen Ecken und Enden nur bad news. In der dunklen Jahreszeit hör ich viel weniger Musik als sonst und die ist auch von der leiseren, ruhigeren Sorte. Akustisches, Folk, wenig Instrumente - zum Zuhören, Entspannen und zu vergessen.
Gitarrenmusik, am liebsten solo. Nicht für jede Stimmung. Aber wenn ich allein und sicher bin, dass höchstens meine Katzen dazu schnurren.
Christian Straubes "Vagabond" ist so eine Scheibe, die jetzt genau richtig kommt. Ich hab vorher noch nie von ihm gehört, obwohl er schon seit 1995 sein meisterliches Gitarrenspiel für diverse Produktionen, für andere, mit anderen und für sich ganz allein aufgenommen hat. Und die ich mir retrospektiv Stück für Stück gönnen werde. Als Aufheller, wenn Mr. Blues sich zu sehr breit macht.
Die musikalische Geschichte von Christian Straube ist eine erstaunlich lange. Sie fängt irgendwo bei Nine Days Wonder an, geht über Arbeiten mit Größen wie Carlos Santana , Rory Gallagher , Uriah Heep und Barry McGuire, umfasst ein klassisches Gitarrenstudium, hochschulische Fach- und Lehrtätigkeiten, die Begründung des 'Speyerer Gitarrensommers' und mündet in zahlreiche Projekte samt seiner solistischen Tätigkeit.
Straube beschreibt sich selbst als einen Wanderer zwischen Ländern und musikalischen Welten. Wohnhaft in Deutschland und der Schweiz, wahlverwandt mit der Bretagne und immer stilistische Grenzen überschreitend. 'Grand Cru', 'Lanniliz', 'Petit Cru' und 'Duo Gitarre-Bass' sind seine aktuellen Projekte, dazu gehört auch eine enge Zusammenarbeit mit Friedemann (Witecka), der auch bei "Vagabond" an den Reglern gesessen hat. Was natürlich einen audiophilen und sehr natürlichen Klang der Stahlsaitengitarre garantiert.
Die (alle Aufnahmen sind nur mit einem französischen Instrument eingespielt) klingt in den Händen des Virtuosen ausgesprochen variabel und selbst durch eine sicher nicht optimale Übertragungskette noch so, dass der Hörer deren Klasse unschwer erkennen wird. Straube erzählt mit ihr Geschichten und zumindest für mich sind die knappen Erläuterungen im Booklet zum Inhalt hilfreich. Ob es um Metaphern wie "Bluebird Yesterday", Gedankenflüge wie "Papillion" und "Stille der Nacht" oder um Impressionen wie das farbige "Rue du Paradis" und das majestätisch-melancholische "Summer's Death" geht oder auf spieltechnischen Stilistiken hinweist (bei "Nachtwind" und "Vent-neuf"). Bei "Vagabond" stand dagegen die einmal eingefallene Melodie am Anfang der schwermütigen Komposition. Herzstück des Albums ist jedoch die "Suite Lanniliz", bei der der Gitarrist alle Register seines Könnens einsetzt. Fern jeglicher folkloristischer Verliebtheit beschreibt er ein Bild der herben bretonischen Küstenlandschaft, in der alljährlich im Dorf Lanniliz (französisch Lannilis) ein traditionelles Tanzfest stattfindet, das bis zum Morgen dauert. Wer keine Ahnung hat, wie ausdrucksstark eine einzelne Gitarre sein kann, der möge sich diesen kleinen Zyklus anhören. Ihm werden die Ohren aufgehen!
"Vagabond" ist ein hervorragendes Gitarrenalbum, dem jedes Imponiergehabe fremd ist. Straube erweist sich darauf als einer der besten stilübergreifenden Stahlsaitengitarristen hierzulande, der mit kompositorischer Klasse und spieltechnischer Virtuosität Musik schafft, die den Kopf frei und das Herz weit macht. Sein Spiel ist klar, souverän, nuanciert und trotz warmer Grundstimmung fern ab von romantischer Schwärmerei. Nach dieser Dreiviertelstunde hat sich die Depression in ihr kaltes Loch verzogen und ist ganz still.
Tracklist
01:Blue Yesterday
02:Papillon
03:Rue de Paradis
04:Suite Lanniliz I
05:Suite Lanniliz II
06:Suite Lanniliz III
07:Suite Lanniliz IV - V
08:Suite Lanniliz VI
09:Nachtwind
10:Lustiger Morgen
11:Stille der Nacht
12:Vent-neuf
13:Vagabond
14:Summer's Death
Externe Links: