Dave Specter / Live In Chicago
Live In Chicago Spielzeit: 67:03
Medium: CD
Label: Delmark Records, 2008
Stil: Blues

Review vom 28.08.2008


Jürgen Bauerochse
Jedes Mal wenn ich eine Lieferung mit der Aufschrift Delmark Records aus Chicago bekomme, sind feuchte Hände und eine große Erwartungshaltung deutlich fühlbar, denn dieses Label bringt immer wieder leckere Tonträger auf den Markt. Selbst bei Musikern, die mir bisher unbekannt waren, kann man sicher sein, dass hervorragende Chicago Blues-Klänge angesagt sind.
So auch auf der CD "Live In Chicago" von Dave Specter. Mitgeschnitten an zwei aufeinander folgenden Tagen am 20. und 21. August 2007 in Rosa's Blues Lounge und Buddy Guy's Legends bot der fünfundvierzigjährige Gitarrist jedoch weit mehr als den reinen 12-Takter. Immer wieder gibt es Ausflüge in Jazz- und Soul-Gefilde, und manchmal wird es sogar südamerikanisch.
Dabei verstärkt sich das Stamm-Quartett bei beiden Konzerten mit verschiedenen Gastsängern, denn Vocals sind bei den vier Virtuosen nicht vorgesehen. So ist es nicht verwunderlich, dass gleich mehrere Instrumentalstücke auf dieser Scheibe enthalten sind, die allerdings auch die ganze Klasse der Interpreten herausstellen. Die Band versteht sich blind, was nur durch das jahrelange Zusammenspiel zu erklären ist. Das hört sich alles so leicht und locker an, wenn sich Gitarre und Keyboard ergänzen oder auch in diversen Soloeinlagen auseinander driften.
Doch das Sahnehäubchen eines jeden Konzertes sind nun mal die Shouter, und auch da war die Besetzung perfekt ausgewählt. Mit Tad Robinson, der zusätzlich an der Harp tätig war, und dem fast 80-jährigen Bluesmann Jimmy Johnson betraten zwei tolle Sänger die Bühne in Buddy Guy's Legends, die wie die Faust aufs Auge zu Specters Musik passten.
So lief eine Art 'Mini Blues-Revue' ab, die die ganze Vielfalt dieser Musik zum Ausdruck brachte. Bei den drei Songs mit Tad Robinson am Mikrofon gibt es mit "What Love Did To Me" zunächst einen intensiven Blues, bei dem das tolle Harp-Spiel im Vordergrund steht. Perfekt schließen sich Piano und Gitarre an. Dabei gibt es zusätzlich ein feines Solo von Specter auf die Ohren. Ein wirklich starkes Stück, im wahrsten Sinne des Wortes!
Doch dann wird es schmusig. Country-Soul ist bei "How I Got To Memphis" angesagt und lässt die virtuellen Feuerzeuge entflammen. Bei diesem 'Schmachtfetzen' wird wohl jede abgekühlte Beziehung zu neuem Leben erweckt.
Zum Abschluss dieses Abschnitts lässt Tad noch einmal die Harp sprechen, während im Hintergrund lockere Percussions mit Latin-Flair vor sich hin grooven. Schöne Soli an Gitarre und Piano werden eingestreut. Dave Specter ist wirklich ein richtig guter Mann!
Genau wie Jimmy Johnson, der für zwei Tracks auf die Bühne kommt. Jetzt wird es bluesiger. Glasklare Sounds vom Sechssaiter kommen aus den Boxen. Johnson und Specter passen perfekt zu einander.
Das wird bei dem zweiten Titel "Out On The Road" noch deutlicher. Dieser Slow-Blues, geschrieben von Jimmy Rodgers, lässt nun wirklich keine Wünsche mehr offen. Ausdrucksstarke Vocals, gepaart mit einer gefühlvollen Gitarre, das Ganze paniert mit harmonischen Piano-Klängen. Herz, was willst du mehr? Für mich ist dieser über acht Minuten lange Song das Highlight des Albums!
Dicht gefolgt von den beiden Stücken "In Too Deep" und "Angel", bei denen Sharon Lewis das Mikro übernimmt. Die Sängerin war beim Gig in Rosa's Blues Lounge dabei und mischte mit ihrer Röhre den Saal so richtig auf. Was für eine Super-Stimme. Man kann förmlich spüren, wie sich ihre ganze Power auf die Band überträgt. Da rumort es an allen Ecken und Kanten. Doch auch Frau Lewis kann es gefühlvoll. Beim zweiten Song legt sie dermaßen viel Feeling in dieses Meisterstück, dass der Rezensent feuchte Augen vor Rührung bekommt.
Dieser Song ist die absolute Krönung von "Live In Chicago" und erinnert mich mit seiner Intensität und Inbrunst in manchen Passagen an die unvergessene Janis Joplin.
Wieder hat es Delmark Records geschafft, mir ein Juwel aus der Chicagoer Blues-Szene in den Player zu zaubern, von dessen Existenz ich sonst wahrscheinlich nie etwas gehört hätte.
Line-up:
Dave Specter (guitar)
Brother John Kattke (keyboards)
Harlan Terson (bass)
Marty Binder (drums)
Tad Robinson (vocals, harp - # 2, 3, 4)
Jimmy Johnson (vocals, guitar - # 6, 7)
Sharon Lewis (vocals - # 9, 10)
Tracklist
01:Boss Funk/Riverside Rise (7:32)
02:What Love Did To Me (6:08)
03:How I Got To Memphis (5:18)
04:What's Your Angle? (5:32)
05:Texas Top (6:18)
06:Feel So Bad (6:45)
07:Out On The Road (8:18)
08:Is What It Is (6:27)
09:In Too Deep (4:59)
10:Angel (7:06)
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