Derek Sherinian / Molecular Heinosity
Molecular Heinosity Spielzeit: 39:40
Medium: CD
Label: InsideOut/SPV, 2009
Stil: Prog Metal

Review vom 05.04.2009


Ingolf Schmock
Drei Jahre hat sich Tastenhure und respektiertester Keyboarder im Metalbusiness, Derek Sherinian, Zeit gelassen, seine bisher sechste Solo-Kraftmeierei der breiten, musikbegierigen Öffentlichkeit vorzulegen.
Der ehemalige Dream Theater-Liberace und Tausendsassa tanzt bekannterweise zwischen seinen solistischen Aktivitäten gern auf mehreren musikalischen Klassentreffen, stellvertretend seien an dieser Stelle nur die Hard Rock-Zombies Kiss und die Fusion-Formation Planet X genannt.
So schmückt sich der mittlerweile 43-jährige Kalifornier mit armenischem Stammbaum, wie schon bei seinen vorangegangenen Veröffentlichungen, auch diesmal wieder mit einer Handvoll erlesener Musiker, zumal diese erst für einige Würze in den einzelnen Arrangements sorgen dürften.
»Warum soll man mit den Truthähnchen scharren, wenn man mit den Adlern aufsteigen kann«, meint Sherinian. »Ich habe die Musiker für mein Album auf die gleiche Art handverlesen wie ein Casting Agent sich Schauspieler für einen Film sucht, jeder ist perfekt für seine Rolle. Ich schreibe Material auf der Grundlage meiner Einflüsse und der Perspektive des Zuhörers. Sobald ich die Struktur oder die Atmosphäre eines neuen Songs habe, versuche ich mir das ultimative Team von Musikern dafür vorzustellen. Und wenn ich schon im Vorfeld weiß, wer auf dem Track zu hören sein wird, versuche ich immer in Gedanken mit den Beteiligten zu komponieren. Ich betreibe einen gewaltigen Aufwand beim Schreiben und Arrangieren meiner Musik, und nur die weltbesten Musiker verdienen es, sie zum Leben zu erwecken.«
Allerdings hat Sherinian diesmal seinen Etat dagegen etwas schmaler kalkulieren, und bei der Auswahl seiner Kollegen - mit Verlaub - zur zweiten Garnitur greifen müssen. So legte er die verantwortungsvolle Arbeit für das wuchtige Rhythmusgerüst dieser Produktion in die Hände der Schlagzeuger Brain Tichy (u.a. Ex-Ozzy Osbourne, Foreigner) nebst Virgil Donati (u.a. Ex-Steve Vai, Planet X) und Tieftöner Tony Franklin (Ex-Blue Murder, Jimmy Page), die dem rohen bzw. brachialen Grundtenor noch halbwegs etwas 'Feinschliff' abzuverlangen vermögen.
Nur bei der Rekrutierung der Gitarristen fährt der Tasten-Spezi auf sicherer Schiene und markierte neben den Ausnahmetalenten Rusty Cooley, Brett Garsed sowie Taka Minamino mit dem Festangestellten Zakk Wylde (Black Label Society, Ozzy Osbourne) seine Ansprüche auf wirkliches Weltklasseformat.
»Zakk Wylde und ich sind seit zwanzig Jahren befreundet. Er hat auf meinen letzten fünf Soloalben gespielt. Zakk bringt pure Kraft in alles, was er anfasst«, so Sherinian, »außerdem war er auch textlich an "So Far Gone" beteiligt, er besitzt eine Blankovollmacht, auf meinen Songs zu spielen«.
So quält sich die Galleonsfigur der ungezügelten Riffs durch seine modern produzierten, aber ziemlich abgeschmackten Breitseiten - glücklicherweise ohne sich diesmal vom notorischen Obertongejaule antreiben zu lassen.
Wylde hantiert zu oft mit schwerstem Gerät und lässt darüber hinaus jegliche Agilität und Feinmotorik in den Schwermetall-Orkus versinken. Auch wenn bekannterweise die Essenz des harten Rocks darin besteht, den Fuß zum stampfen und das Hirn in Alarmzustand zu versetzen, belasten die gesteigerten Metal-Anteile das ansonsten ausgeklügelte Songwriting, und verurteilt nach einer viertel Stunde "Molekular Heinosity" zur eindimensionalen Omnipräsenz.
Die knapp sechzehnminütige ausladende Mini-Suite, welche zu Beginn gleich drei Kompositionen überspannt, lässt doch zunächst, durch das komplexe Arrangement angetrieben, von des Meisters schwulstig modulierter Orchestrierung nach Emerson'scher Art und dem filigranen, jazzbeträufelten Spiel des australischen Saiten-Äquilibristikers Brett Garsed, auf ein weiteres progressives Meisterstück hoffen, taucht den Hörer aber stattdessen ernüchternd ins eisige Wasser.
Überkandidelt disponiert traktiert der Amerikaner den verwöhnten Genrekonsumenten mit seelenlosen, bisweilen auch energischen Synthi-Ejakulationen und versucht vehement, über dem schwadronierenden Aufbegehren atonaler Tastenextase und technoider, gestählter Gitarren-Rabaukereien das Zepter an sich zu reißen.
Auch wenn sich der Keyboard-Sysiphus musikalisch gern im eigenen Licht bewegt, muss man ihm für das neue, tönende Machwerk - produktionstechnisch jedenfalls - das höchste Gütesiegel aufprägen.
Als Manko muss man aber leider, neben den tonnenschweren, ausgekotzten Metal-Tiraden, die etwas zu kurz geratene Laufzeit des Silberlings anrechnen, auch wenn es zumindest damit den Durchlauf-Interruptus vorwegnimmt.
Als wohltuend mutet es dann kurzzeitig an, zwischen all dem elaborierten Gebolze mit einer routiniert-mittelmäßigen Gesangsleistung vom Ozzy-Konfirmanden Zakk Wylde in "So Far Gone" - nebst schmalbrüstigen Schmierentheater - von der durchaus kompetenten und liebreizenden Cellistin Tina Guo genährt zu werden.
Dieses Album wird abermals sowohl Spötter als auch Liebhaber auf den Plan rufen, was bei allem Wehklagen auch gut so ist.
Für mich ist es ein weiterer, mit technischen Selbstgefälligkeiten gespickter Tonträger, welcher die Protagonisten bloß zu einem langweiligen Starensemble degeneriert, und permanent der Versuchung unterliegt, deren instrumentale Stärken zu featuren.
Tracklist
01:Antarctica
02:Ascension
03:Primal Eleven
04:Wings Of Insanity
05:Frozen By Fire
06:The Lone Spaniard
07:Molecular Intro
08:Molecular Heinosity
09:So Far Gone
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