Mit siebzehn Jahren schwänzte Jim Stapley die Schule, um mit dem Zug von Manchester nach London zu fahren und mit älteren Musikern zu proben. Den Club Borderline musste er, trotz der Tatsache, dass er zu dem Zeitpunkt Sänger der Gruppe Residency war, quasi durch die Hintertür betreten.
Nachdem er sich in einigen Bands profilierte, startete er eine Solokarriere und er spielte Konzerte in Amerika, Norwegen, Italien und Deutschland. "Love Is Surrender", eine Platte mit fünf Titeln, kam auf den Markt und "Long Way Coming" ist Jim Stapleys Albumdebüt. Bei den Einflüssen des charmanten Künstlers geht es von Bad Company, James Brown, Sam Cooke, Faces, Free, Marvin Gaye, Al Green, Humble Pie, Led Zeppelin über Otis Redding bis hin zu den Rolling Stones ziemlich kreuz und quer durchs Beet guter Musik.
Obwohl dieses Sammelsurium vielleicht konfus wirken mag, irgendwie kommen die genannten Formationen beziehungsweise Künstler mehr oder weniger stark in Jim Stapleys Musik vor. Beim Rock offenbaren sich die Wurzeln des Blues und singen kann der Junge auch noch. Da darf man ruhig ein Augenmerk auf die Vertreter des Soul richten.
Jim Stapley hat alle zwölf Lieder selbst verfasst. Als feine Arrangement-Würze tauchen hier und da das Saxofon ("New Religion") oder die Slide-Gitarre ("My Way Home") auf. In vielen Tracks überschlagen sich förmlich die Ereignisse.
Die dynamische Emotionalität wird ordentlich beansprucht, wenn sich die Songs deutlich vom Boden abheben. Jim Stapley ist definitiv mit einer beeindruckenden Stimme gesegnet. Wer solche Gefühlsausbrüche wie die es eines Joe Cocker mag, der ist auch bei diesem englischen Energiebündel sehr gut aufgehoben.
Nach dampfendem Classic Rock bewegt er sich im balladesken Bereich mit süßlichen Streicherklängen am Rande des Abgrunds, allerdings bringt ihn sein energetischer Gesang wieder aus der Gefahrenzone heraus. Mit Piano-Schmeicheleien beginnend ist "My Own Worst Enemy" der Brennpunkt aller musikalischen Strahlen, die der junge Mann zur Verfügung hat.
Groovig rocken kann der Engländer auch noch. Ohne Zweifel, die Dinger treffen ihr Ziel ... die Fußwippe. Musik zwischen Europe-Hymne und der persönlichen Atmosphäre einer Club-Combo.
Die großformatige Zurschaustellung der Emotionen mit einer gewaltigen Stimme kann auch dazu führen, dass sich der Hörer in Situationen wie bei "Grey Matter" dann doch fragt, ob der Bogen nicht überspannt wird. Mit akustischer Gitarre und feinem Orgeleinsatz beginnt die Nummer wunderbar. Mit dem Markenzeichen der ansteigenden Dramatik schießt Jim Stapleys Stimme etwas über das Ziel hinaus. Musikalisch ist das Stück klasse inszeniert worden. Als Abschluss ist "Shield" dann eine perfekt arrangierte Ballade, in der nicht nur die Akustische und die Streicher (mit herrlichem Cello-Timbre) ihren berechtigten Platz haben.
Produziert wurde das Album von dem allseits bekannten Toni Visconti, der unter anderem durch seine Arbeiten mit David Bowie, Georgie Fame, Manic Street Preachers oder T. Rex von sich Reden machte.
Mit einer kräftigen Portion Blues im rockigen Outfit kommt "Long Time Coming" vorzüglich aus den Startlöchern. Bei "No Good Reason" wird man stante pede Freund von Jim Stapleys Gesang, auch oder gerade weil er richtig kernig rüberkommt und so auf einer Stufe mit dem Gitarrensolo steht.
Aus meiner Sicht ist Jim Stapley noch kein neuer Stern am Himmel der Rocksänger, aber die unterschiedlichen Raketenstufen bringen den Mann auf die richtige Umlaufbahn. Er verfügt über eine klasse Begleitmannschaft und darf sich über eine Stimme für fast jede gesangliche Situation freuen. Meiner Meinung nach wird das Element der Dramatik ein wenig zu oft eingesetzt und dann mag man dem Briten vielleicht nicht mehr so bedingungslos folgen.
Ohne Zweifel hinterlässt Jim Stapley mit "Long Time Coming" einen nachhaltigen Eindruck. Vielleicht wäre hier oder da weniger etwas mehr gewesen sein. Der Künstler aus Manchester ist schon ein guter Musiker und die zwölf Eigenkompositionen sind in sich schlüssig. Ab und an hätte es ein etwas kleineres Format auch getan. "Long Time Coming" ist gut.
Tracklist |
01:No Good Reason (3:14)
02:Laid To Waste (3:36)
03:Hurricane (4:02)
04:Heartstrings (4:19)
05:New Religion (4:05)
06:My Way Home (4:05)
07:Made Of Stone (3:38)
08:My Own Worst Enemy (4:36)
09:Out Of Sight (4:28)
10:Grey Matter (4:45)
11:Breaking Out (4:04)
12:Shield (2:33)
(all songs written by Jim Stapley)
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