»Och, nööö! Gerade keinen Bock auf Mainstream-Rock« so lautete die erste Reaktion, als
Michael Stanleys neue Scheibe im Briefkasten landete. In Erinnerung war noch der 2008er Output
Just Another Night, der zwar richtig guten Rock zeitigte, dessen musikalische 'Halbwertzeit' sich allerdings in überschaubaren Grenzen bewegte. Also erstmal vermeintlich knackigere Kost vorgezogen - falsche Entscheidung! Bereits die ersten Töne des Openers "It's All About Tonight" liften mit knalligem Hardrock die Hirnschale und erzeugen wahre Gänsehautschauer... was für ein Brett! So klang ein
Bob Seger zu seinen allerbesten Zeiten.
Gute Rockmusiker sind wie hochklassiger, alter Rotwein: je älter desto besser.
Michael Stanley gehört in genau diese Kategorie. Musikalisch entstammt er der 70er Westcoast-Scene, aus dem Umfeld der
Eagles und der
Doobie Brothers. Mit dem langjährigen Produzenten der erstgenannten,
Bill Szymczyck, arbeitet er seit langem zusammen. Auch auf "Shadowland" war dieser für Mixing und Co-Produktion - 'wrangling' (ringen/streiten) nennt das
Stanley augenzwinkernd im Booklet - zuständig.
Dan Fogelberg,
Joe Walsh,
Todd Rundgren und
David Sanborn bedienten sich wie unzählige andere Musiker seiner gitarristischen und kompositorischen Fähigkeiten. Nicht nur diese Umstand zeigt die hohe Reputation
Stanleys.
Michael Stanley widmet "Shadowland" seinem langjährigen Freund, dem zeitweiligen Gitarristen der
Michael Standley Band,
John 'Bad Rabbit' Vorobel, der 2009 an Krebs verstorben ist.
Was durchweg positiv auffällt, sind die für US-amerikanische Verhältnisse sehr kritischen Texte. Das zeigt schon das Cover: Ein Neugeborenes in einer starken männlichen Hand symbolisiert "Shadowlands" Motto:
»It's your world, pay attention!« Stanley hat offenbar - im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute - verstanden, dass diese Welt am Abgrund hängt. So ist der Titelsong eine bittere Abrechnung mit der US-amerikanischen Gesellschaftspolitik und "A Good Idea At That Time" trieft geradezu vor herrlichem Sarkasmus. Letzterer ist zudem als Ballade derart großartig und intelligent arrangiert worden, dass er als einer der besten Songs bezeichnet werden darf, den
Stanley jemals geschrieben hat! "When She Falls" erinnert in textlicher wie musikalischer Hinsicht an
Jackson Brownes Mainstream-Phase zu "Lawyers In Love"-Zeiten.
Auf der anderen Seite bedient "Shadowland" auf angenehm unaufdringliche Weise sehr persönliche Themen. "I Am You", "My Brand New Day" oder "I'm Not Finished Loving You" entbehren jeglicher Peinlichkeiten mit denen man ansonsten bei Selbstreflektionen dieser Art ungefragt konfrontiert wird.
Mit "Maybe" und "Elegant Mess" bedient sich
Stanley der rauen
Springsteen'schen Attitüde, ohne dies zu einer platten Pose zu stilisieren. Eingängig-griffiger, aber durchaus pfiffig arrangiert bedient sich der Mann bei "How's That Workin' Out For You" tief in der Trickkiste des Soul und R&B - ein weiteres dickes Ausrufezeichen auf "Shadowland"!
Musikalisch bewegt sich der Sänger aus Ohio, dem Mittleren Westen also, im breiten Fahrwasser US-amerikanischer Rockmusik - Mainstream könnte man sagen, wenn man den schalen Beigeschmack dieser 'Schublade' ignorieren kann. Im Gegensatz zu manchen 'Stadionrockern' wirkt er allerdings auf jedem neuen Album absolut authentisch, denn - ähnlich wie bspw. Bob Seger - kann man auch Michael Stanley zu den Urvätern dieser Szene rechnen - oft kopiert, aber letztlich selten erreicht.
Wer die oben genannten Referenzbands nicht nur im heimischen Regal stehen hat, sondern sie auch bei jeder Gelegenheit hervorkramt, der kann bei "Shadowland" bedenkenlos und quasi 'blind' zugreifen.
In wenigen Tagen (am 25. März) wird der Mann 63 Jahre alt bzw. jung - wer ihn zum 'alten Eisen' zählt, dem ist wohl nicht zu helfen.