Michel Sajrawy / Yathrib
Yathrib Spielzeit: 55:38
Medium: CD
Label: Ozella Music, 2006
Stil: Crossover/Fusion

Review vom 21.01.2007


Norbert Neugebauer
Mit Michel Sajrawy lernen wir einen neuen, aufregenden Gitarristen auf seinem Debütalbum kennen, einen Grenzgänger im mehrfachen Sinn. Er stammt aus Nazareth in Israel, ist allerdings ein christlicher Araber und fühlt sich als Palästinenser. Doch es geht hier nicht um politische oder religiöse Statements, sondern um Genreübergreifendes und Verbindendes. Die kulturelle Vielfalt der Region verschmilzt zusammen mit Rock und Jazz zu einer pulsierenden, hochenergetischen Mischung, die den studierten Gitarristen, Tonsetzer und Produzenten in die Reihe von John McLaughlin,Al Di Meola oder Jeff Beck stellt.
Doch was Sajrawy mit seiner exzellenten Truppe aus Juden, Christen und Moslems auf dem Album rein instrumental eingespielt hat, erinnert nur formal an die Fusion der Genannten. Ausgangsbasis für die neun kreativen Werke ist die Musik des Nahen Ostens, die die Band als High-Tech-Produkt der staunenden Welt präsentiert. "Yathrib" ist ein anderer Name für Medina, die zweitheiligste Stadt des Islam, gleichzeitig aber auch eine blühende Oase, ein weltoffener Treffpunkt der Händler und Reisenden aus allen Richtungen im 21. Jahrhundert, in den wir mitgenommen werden.
Die Dissonanzen beim "Intro" auf der E-Gitarre münden in den schnellen Titeltrack, der zunächst mit seiner Perkussion-Begleitung sehr traditionell anmutet. Ein akustisches Di Meola-Break leitet über zu betörender orientalischer Kaffeehaus-Nostalgie. Kaum dort angekommen, flirren neuerliche E-Gitarrentöne zu irren Streicher-Arabesken. Ein Fusion-Gewitter folgt mit "Al-Ein", bei dem Sajrawy die Fingerfertigkeit der besten Oud-Spieler mit Beck-scher Explosivität verbindet. "In Memory Of Om Kalthoum" hält dann inne und wieder schimmert seltsam kalt das stählerne Feuer Di Meolas auf der Konzertgitarre. Die Geige seines kongenialen Partners Bashir Asadis beschwört jenseitige Melancholie zusammen mit einem aufwühlenden Perkussion-Rhythmus.
Dann betritt der Oud-Virtuose Darwish Darwish erstmals die Szene und lässt zusammen mit dem Hauptakteur auf der klanghellen 1979er Stratocaster den Teppich zum Slap-Bass fliegen. Mit Schallgeschwindigkeit geht's auf "Four Commandments" weiter, überzeugende Technik, die das meisterliche Können Sajrawis und seiner Mitspieler einmal mehr unterstreicht. Wie auch in diesem Genre tiefe Emotionen vermittelt werden können, zeigt "Father", gefolgt von dem eher sphärischen "Spirital Oasis". Beim letzten Stück marschieren nochmals alle Wüstensöhne mit ihren Gefolgen auf. Erneut eine auf orientalischer Rhythmik tanzende Fusion, die klingt, als wenn der 'Elegant Gypsy' und der Mahavishnu gemeinsam in den Jungbrunnen gefallen und nun als doppelter Morgenstern am Firmament ihre Bahnen ziehen würden.
Zusammen mit den Gästen präsentiert das Quartett von Michel Sajrawy ein Album, das überzeugend die Fusion früherer Tage mit dem heutigen Crossover zu einem neuen Stil verschmilzt. "Yathrib" hat in seiner Dynamik, Komplexität und virtuosen Spielfreude den selben Stellenwert, den "Inner Mounting Flame" vor dreieinhalb Jahrzehnten einnahm. Mit seiner orientalischen Grundstimmung strahlt es jedoch eine Wärme und emotionale Atmosphäre aus, die gerade die Klassiker in ihrer kühlen Eleganz meist vermissen ließen. Ein Debüt der Extraklasse, ein absoluter Tipp für alle Rockfans, die in den siebziger Jahren auf Fusion-Trip waren und die einen tollen Gitarristen, den arabischen Bruder Al Di Meolas, kennen lernen wollen.
Line-up:
Michel Sajrawy (Guitars)
Valery Lipets (Bass)
Ameen Atrash (Drums)
Darwish Darwish (Oud)

and
Leonid Barshtak (Violin & Viola)
Bashir Asadi (Violin, Rabab)
Ehab Nimer (Violin)
Etamar Doari (Percussion)
Kayed Silawi (Tabla)
Ramzy Bisharat (Rek)
Tracklist
01:Intro
02:Yathrib
03:Al-Ein (Variation)
04:In Memory of Om Kalthoum
05:Flying Carpet
06:Four Commandments
07:Father
08:Spiritual Oasis
09:Karm Al-Sheikh
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