Eigentlich war die aus dem englischen Devon stammende Nicky Swann ja immer nur als Teil eines Duos und selbst rein vokalartistisch unterwegs. Als diese langjährige Verbindung mit ihrem musikalischen Partner im Jahr 2006 beendet wurde und sie trotz vielen Vorspiel-Sessions neuer Kandidaten einfach nicht das Gefühl hatte, dass einer dieser vorstelligen Gitarristen der richtige war, beschloss sie, ab sofort selbst die sechs Saiten in Schwingungen zu setzen. Ein gutes halbes Jahr später fühlte sie sich dann nach intensivem Auseinandersetzen mit dem Instrument sicher genug, um sich fortwährend auch solo auf die Bühne zu stellen.
Auf ihrem brandneuen Album "Matches And Dispatches" stellt sie nun elf Eigenkompositionen, ein walisisches Traditional ("All Through The Night") und einen Cover-Song ("I Want To Hold Your Hand") vor. Ja, es handelt sich tatsächlich um den Beatles-Klassiker, der sich hier einer ganz hervorragenden Behandlung unterziehen durfte. Vorgetragen nur mit sparsamer Akustik-Gitarre und Bethany Porters warmem Cello gehen alle Pop-Anteile verloren und verwandeln sich aufgrund der musikalischen Umsetzung und Nicky Swanns sehr gefühlvollen und intensiven (fast intimen) Gesangs in eine herrliche Folk-Ballade. Wieder zu erkennen ist die Nummer natürlich, aber das hier ist mal eine richtig fantastische und eigenständige Version.
Auch bei ihren eigenen Tracks glänzt Frau Swann durch gutklassige Melodien und ihren sehr starken Gesang, der sowohl sanft wie auch lauter und fordernder auf ganzer Länge überzeugt. Die ruhigeren Songs sind dabei deutlich in der Überzahl, was aber durch gekonntes Songwriting, einen schön warmen Sound und nicht zuletzt die bereits erwähnten überdurchschnittlich guten Vocals überhaupt nicht als störend empfunden wird. Im Gegenteil, "Matches And Dispatches" ist ein Album zum Genießen, zum Wohlfühlen und zum Zuhören. Man lässt sich gerne in die von den Songs kreierte Atmosphäre fallen und hört der Engländerin zu, wenn sie ihre Geschichten über das Leben und den Tod zum Besten gibt.
Die gute Bethany Porter, die auch hier am Cello wieder eine tolle Leistung abliefert, scheint übrigens eine gefragte Frau zu sein. Denn erst vor kurzem war sie auf dem von mir rezensierten Album von Nick Parker, wo sie nicht weniger überzeugend war, zu hören. Auch Alan Cook an der Pedal Steel und der Dobro besticht durch Einfühlungsvermögen und Instrumenten-Beherrschung, da er nahezu perfekt genau zu den richtigen Zeitpunkten den punktgenauen Einsatz bringt. Bezüglich der Songs ist "Amy's Waltz" einer meiner absoluten Favoriten der Scheibe. Nicht unbedingt, weil er so anders als die restlichen Stücke ist, sondern weil Nicky Swann hier eine wunderschöne, traurige Gesangsmelodie am Start hat, die mich ganz besonders in ihren Bann zieht.
Was dieses Album u. a. so stark macht, ist, dass sich nicht nur steif am Folk festgehalten wird, sondern sich dazu nicht selten auch Einflüsse des Blues und Country deutlich bemerkbar machen. So ist "One Step Up" dann ein richtig flotter (englischer) Country-Feger geworden, bei dem sich auch die Violine entscheidend einbringen kann. Klasse! Das walisische Traditional "All Through The Night" mutet fast wie ein Schlaflied an, ein Lullaby, das einmal mehr über eine tolle Gesangsmelodie verfügt und - logischerweise - durch die Instrumente nur sehr sparsam unterstützt wird. Mir geht es so, dass ich mir die Scheibe immer gleich zweimal nacheinander anhöre, so einnehmend und angenehm empfinde ich die Melodien.
Der Dschungel von guten bis richtig guten Folk- und Americana-Veröffentlichungen scheint in den letzten Jahren immer dichter zu werden. Da sind die Entscheidungen, welche Musiker man sich für sein sauer verdientes Geld in den CD-Schrank stellt, immer schwieriger geworden. Nicky Swann sollte aber auf jeden Fall mal angetestet werden, da "Matches And Dispatches" aufgrund der bereits beschriebenen Qualitäten zu einem kleinen Schatz geworden ist. Wer mal reinhören will, dem würde ich "Little Bird", "I Want To Hold Your Hand", "Amy's Waltz" und auch "One Step Up" empfehlen. Denn allein an diesen vier Tracks sind bereits die Bandbreite und das Können dieser tollen Frau gut zu erkennen.
Line-up:
Nicky Swann (vocals, guitars, piano, mandolin, melodica)
Rick Foot (double bass)
Bethany Porter (cello)
James Sharp (drums)
Olivia Dunn (violin)
Alan Cook (pedal steel, dobro)
Brian Garrett (guitars)
Tracklist |
01:Little Bird
02:Hold On
03:Crash And Burn
04:Long Time
05:You Got Me Boy
06:I Want To Hold Your Hand
07:Tuesday's Lament
08:Everything
09:Amy's Waltz
10:One Step Up
11:In Too Deep
12:Wheels Keep Turning
13:All Through The Night
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