Patti Smith / Easter Rising
The Place, Eugene, Oregon, May 9th, 1978
Easter Rising Spielzeit: 79:55
Medium: CD
Label: Leftfield Media, 2011
Stil: (Punk) Rock

Review vom 14.03.2012


Norbert Neugebauer
»I haven't fucked much with the past,
But I've fucked much with the future«
Am 9. Mai 1978 gab Patti Smith mit ihrer Band ein Konzert in Eugene, Oregon, das vom Radio-Sender KCEL live ausgestrahlt wurde. Der Mitschnitt aus dem 'The Place' ist nun erstmals offiziell auf CD erhältlich, als Bootleg kursierte er wohl schon lange in Fankreisen.
Patti hatte damals gerade ihr drittes Album "Easter" auf dem Markt, mit dem sie sich endgültig als Gallionsfigur der New Yorker Underground-Szene etablierte, die im legendären Club 'CBGB' ihr Hauptquartier hatte. Vorangegangen waren ihr fulminantes, umjubeltes Debüt "Horses" (1975) und "Radio Ethiopia" (1976), das weitaus schwerer verdaulich war und deshalb bei Fans und Fachpresse nicht sofort auf Zustimmung stieß (ja, das waren noch Zeiten, als neue Alben noch kritisch beurteilt und in Musik-Kreisen diskutiert wurden…). Und die dünne Rockpoetin, die wie eine röhrende Inkarnation der literarischen Beat-Generation, unangepasst, feministisch, aber wenig feminin, laut und abgewichst daherkam, war heiß auf die Bühne.
Fünfzehn Monate zuvor war sie in Florida bei einem Gig abgestürzt und hatte sich mehrere Rückenwirbel gebrochen, was natürlich eine längere Zwangspause mit entsprechender Therapie bedeutete. Doch jetzt war sie zurück, "Easter" mit "Because The Night" erfolgreich in jeder Hinsicht und Patti auch innerlich gefestigt. Dazu hatte die Zweiunddreißigjährige mit Fred 'Sonic' Smith eine neue Liebe gefunden. Sie steuerte auf den ersten großen Höhepunkt ihrer Karriere zu, der sie endgültig zur 'Godmother of Punk' kürte. Es folgten ausverkaufte Konzerte in großen Hallen, das vierte Album "Wave" (1979), der heiß diskutierte, aber allen Zuschauern wohl bis heute unvergessene Rockpalast-Auftritt 1979 und dann - war erstmal Schluss. Patti heiratete, wurde 'familiär' und blieb neun Jahre der Musikwelt fern.
"Easter Rising" ist also ein Dokument jener Zeit, als Patti mit ihrer Band live zu den Top Acts gehörte. Als eine der wenigen Künstler vereinte sie in ihrem Publikum gestandene Rockfans, Punker und nachfolgende Underground-New Waveler, aber auch intellektuelle Musikanhänger, die von ihren u. a. klassisch inspirierten Texten begeistert waren. Sie verkörperte gleichermaßen den Spirit des Rock'n'Roll, den Drive des noch nicht kommerzialisierten New Yorker Undergrounds und den poetischen Freigeist einer ernsthaften multiplen Künstlerseele.
Entgegen der Ankündigung des Vertriebs ist nicht die ganze Show auf der CD enthalten. Es fehlt mindestens der Song "Radio Ethiopia", womit auch der einzige aus dem gleichnamigen zweiten Album wohl aus Platzgründen herausgeschnitten wurde. Zu der ebenfalls verheißenen »besten FM-Qualität« dann später noch ein ernüchterndes Wort. Der Mitschnitt startet mit einem ziemlich herausgebellten Vortrag ihres Gedichts "The Salvation Of Rock", bei dem sich die Underground-Dichterin ein paar Mal ordentlich am Text verschluckt. Bei "Babelogue – Rock ’n’ Roll Nigger" steigt die Band ein, die damals aus Lenny Kaye (git, voc), Ivan Kral (bass, git, voc), Richard Sohl (keys) und Jay Dee Daugherty (drums) bestand. Es folgt ein mitreißender, mit roher Rock-Energie geladener Gig, mit Songs der beiden anderen Alben sowie Coverversionen, die größtenteils bestens zum eigenen Material passen.Viele der damaligen Songs hat Patti auch heute noch auf ihrer Setlist, was zeigt, welches Gewicht sie für die Künstlerin haben. Natürlich klingen die jetzt anders, aber damals war das der wilde Sound einer kreativen Generation. Harter Rock, der die Energie des Punk hatte, aber dazu einen Inhalt und auch musikalisch auf einer anderen Stufe. Dass sie die Covers größtenteils von ihren Kollegen der 'British Rock Invasion' auswählte, zeigt, dass sie sehr wohl wusste, wo die Power herkam. "The Kids Are Alright" und "My Generation" von den Who werden von Danny lead gesungen, Van Morrisons "Gloria" avancierte zum Klassiker in ihrem Repertoire. Aus Lennons Blues "It's So Hard" machen Patti und Danny eine wüste Turboversion. "Be My Baby" kommt als Griff in die Beat-Kiste noch halbwegs, aber die Schnulze "You Light Up My Life" geht voll ins Klo.
Wer Pattis bekanntere Titel nur mit den Studio-Versionen im Kopf hat, der wird sicher hier erstmal die Ohren aufsperren, wie die die Band live herausprügelt. Es sind sehr ungeschliffene, krachende Versionen mit reichlich Rückkopplungen, bei denen musikalische Präzision nicht die große Rolle spielt. Der Mitschnitt wurde auch nicht im Studio inhaltlich nachbearbeitet, so sind selbst die groben Fehler, wie verpasste Einsätze, erhalten. Leider gilt das auch für den Sound, der damals für die Übertragung wohl direkt vom Mischpult abgenommen wurde. Der ist ebenfalls Punk-mäßig, geht aber noch in Ordnung für dieses Spektakel. Die Publikumsreaktionen sind Teil des Auftritts und so hat man jetzt nach über 30 Jahren einen authentischen Eindruck, was damals bei einem Gig der Patti Smith Group abging. Zwar steckt die Plastikhülle der CD noch in einem Pappschuber, dafür beschränkt sich das Inlay aber auf einen dünnen Info-Text und die Tracklist.
Für Fans obligatorisch, als Zeitdokument für entsprechend Interessierte.
Wer die heutige Patti Smith erleben will, der hat auch in diesem Sommer wieder ein paar Gelegenheiten dazu in Deutschland. Folgende Termine sind bis jetzt bekannt:
09.07.2012 Bonn, Kunstrasen
11.07.2012 Berlin, Tempodrom
12.07.2012 Dachau, Rathausplatz
Tracklist
01:The Salvation Of Rock (8:09)
02:Babelogue -> Rock 'n' Roll Nigger (4:43)
03:Kimberly (6:00)
04:Till Victory (4:15)
05:Redondo Beach (4:39)
06:The Kids Are Alright (2:35)
07:Space Monkey (4:39)
08:25th Floor (7:04)
09:It's So Hard (3:24)
10:We Three (5:33)
11:You Light Up My Life (2:46)
12:Be My Baby (3:14)
13:Because The Night (4:52)
14:Easter (5:34)
15:Gloria (5:56)
16:My Generation (6:14)
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