Der Mann von der New York Times kennt sich aus. Marc Eliot hat schon Biografien über Bruce Springsteen, die Eagles, James Brown, Phil Ochs, Clint Eastwood, Ronald Reagan, Cary Grant und Walt Disney, über New York, das Musikbusiness und wer-weiß-noch-was (aktuell in USA: Steve McQueen) geschrieben, die sich millionenfach verkauft haben. Das lässt vermuten, dass er nicht nur gut recherchiert und seriös arbeitet, sondern auch interessant und flüssig schreibt. Wer würde sich sonst solche Schmöker über nicht immer prickelnde Personen und Themen antun? Noch dazu über einen so farblosen Menschen wie Paul Simon?
Paul Simon ist in erster Linie eine Hälfte von Simon & Garfunkel, die dank solcher Schnulzen wie "Bridge Over Troubled Water", "El Condor Pasa", "The Sound Of Silence" oder "Scarborough Fair" weltberühmt wurden. Wahrscheinlich sogar das berühmteste Pop-Duo auf diesem Planeten, von dem wohl keiner auf die Idee kam, dass es nicht schwul war. Die beiden trennten sich offiziell vor vierzig Jahren, was aber weder an ihrer gegenseitig aufreibenden Verbindung, noch an der öffentlichen Wahrnehmung groß was änderte.
Dass Paul Simon vor allem dank seines genialen Albums "Graceland" auch weiterhin ein Weltstar blieb, wissen die Fans. Auch dass er (sicher für viele überraschend) mittlerweile schon zum dritten Mal verheiratet ist und vier Kinder hat, muss man nicht unbedingt in dieser Biografie nachlesen. Aber ansonsten erfährt man von Marc Eliot doch allerhand Neues über den scheuen kleinen Jungen aus dem New Yorker Stadtteil Queens, der grad eben 70 geworden ist. Allerdings bleiben die letzten Jahre (in denen, außer einer neuerlichen S & G-Reunion und einem persönlichem 'Best of'-Album eh nicht mehr viel los war...) auf Notizen der Auftritte usw. beschränkt.
Der wichtigste rote Faden, neben der Musik, ist das schwierige Verhältnis zu Art Garfunkel, das über die Jahrzehnte sicher den interessantesten Stoff bietet. Der zweite - die ewigen Minderwertigkeitsgefühle, die vermeintlich fehlende 'echte' Anerkennung, der geteilte Ruhm mit dem Partner, der 'nur' der Sänger war. Da komponiert der Typ jahrzehntelang einen Hit nach dem anderen, schreibt mit am Soundtrack (der sanften Seite) der Sechziger und Siebziger, ist ein klasse Fingerpicker, verhilft der World Music mit seinem "Graceland" schlagartig zu einer immensen Popularität, scheffelt Ehrungen ohne Ende, schafft 750.000 Fans zu einem einzigen Konzert in den Central Park, verdient allein mit seinen Tantiemen an einem Tag mehr, als unsereins in einem Jahr - und trotzdem hat der PROBLEME!
Eliot schaut hinter die Kulissen des Glanzes und des Erfolgs, geht auch auf die späteren Pleiten ein. Die Jugendjahre waren kein Zuckerschlecken, unter den guten Künstlern im Greenwich Village fiel er nicht auf. Weder durch seine Songs und seine Auftritte, schon gar nicht durch seine Erscheinung. Auch die Partnerschaft mit dem Schulfreund Art(ie) brachte ihn zunächst musikalisch nicht weiter. "Sound Of Silence" war eher ein Mode-Hit, der, in seiner Abwesenheit auf den neuen Folk Rock-Sound aufgepeppt, bei den feiernden Studenten ankam. Paul war nach England abgehauen und kam, von der unerwarteten Resonanz heimgeholt, mit einigen neuen Songs (darunter "Homeward Bound") zurück nach NY. Das Album stand innerhalb von drei Wochen. Die Story nahm ihren Lauf, allerdings trotz allen Erfolgs, keineswegs einen einfachen.
Wer neue, schillernde oder obskure, finstere Seiten an Paul Simon in dem Buch zu entdecken hofft, der wird schwer enttäuscht werden. Fehlanzeige! Allerdings ist er keineswegs so blass als Persönlichkeit, wie er aussieht, sondern schon auch ein interessanter Typ. Die Bio orientiert sich an der Karrieregeschichte, den vielfältigen Einflüssen auf ihn als Gitarrist und Songschreiber, erzählt Geschichten aus dem 'Village' und der weniger bekannten Zeit in England mit den dortigen Folk-Größen. Wen der Inbegriff des romantischen 'Balladen'-Dichters, der darüber hinaus vielseitige Künstler und der komplizierte, stets etwas weltfremde Mensch hinter dem Star interessiert, der wird mit den 320 Seiten (nicht 352, wie auf der Verlags-Homepage mit zudem falschen Preis zu lesen steht) gut bedient. Eliots Biografie ist ein gelungenes, fundiertes (wohlwollendes) Portrait, das den Leser nicht mit allzu viel angehäuftem Detailwissen traktiert, sondern gut unterhält. Im Anhang finden sich Anmerkungen zu den Quellen und eine vollständige Diskografie von Beginn an. Das Buch ist elegant aufgemacht, bereitet also auch in dieser Hinsicht Freude.
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