Ältere Aufnahmen im Web ließen die Vorfreude auf Saint Lus schlicht "2" betiteltes Zweitwerk gewaltig vorglühen. Doch statt dem erwarteten, feurig-rockenden Wirbelsturm bläst allenfalls ein laues Lüftchen aus den Boxen. Nachdem sich die erste Enttäuschung etwas gelegt hat, lässt sich der Scheibe doch etwas an Positivem entlocken. Ambivalent bleibt das Hörerlebnis trotz alledem...
Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass die Power-Österreicherin mit der sensationell eigenständigen Stimme merkwürdig gezügelt klingt. Wer zeichnet bitte für die Bändigung der furiosen Eruptionen, die beim Erstling noch zu hören waren, verantwortlich? Der tschechische Produzent Patrik Majer, der für Popgrößen wie Wir sind Helden, No Angels, Rosenstolz oder Lemonbabies an den Reglern saß? Oder vielleicht doch Warner Music, die sich durch die Teilnahme Saint Lus beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2013 möglicherweise einen kräftigen Schub in Pop-Käuferschichten erhofft hatten? Sollte dies angestrebt worden sein, so dürfte der Schuss gewaltig nach hinten losgegangen sein - "Craving" landete in der Zuschauergunst ganz weit hinten. Die schickten mal wieder nicht Qualität sondern einen seelenlosen Pop-Klon auf die Reise, diesmal nach Malmö. »Germany: zero points« plus ein paar Gnadenpünktchen aus dem angrenzenden Ausland dürfen erwartet werden, aber ernsthaft dürfte das wohl niemanden aus der RockTimes- Leserschaft und -Redaktion jucken!
Das ist insofern etwas ärgerlich, weil die Kompositionen der Songs von "2" durch die Bank über dem Durchschnitt angesiedelt sind - etwas von der Urgewalt des Debüts und (von zwei, drei 'Zitronen' wie "Mrs. Suffer" mal abgesehen) ein überzeugendes Album wäre möglich gewesen.
Dafür garantiert schon alleine die Powerstimme der 28-jährigen Wahlberlinerin. Irgendwie fühlt man sich an die Magie dieser Kate Bush damals in Bios Bahnhof erinnert. Die Stimmen sind zwar völlig unterschiedlich, aber es eint sie die Einzigartigkeit, der hohe Wiedererkennungswert. Anstatt diese Karte gnadenlos auszuspielen, klingen die Gesangseinlagen allesamt zu brav - ebenso bieder wie die meisten Arrangements.
Wenn allerdings meine Mutmaßung bezüglich der Interessen der Plattenfirma in die richtige Richtung gezielt haben sollte, dann liegt das Endergebnis immer noch deutlich über dem Niveau, was der Dudelrundfunk in dem Bereich anbietet, der der jungen Hörerschaft fälschlicherweise unter dem R&B-Branding untergejubelt wird. Nur wäre das - falls zutreffend - leider nur eine kurzfristige, monetär ausgerichtete Zielrichtung in einem 'Ex-und-Hopp-Musikbusiness'. Saint Lu sollte sich meiner unmaßgeblichen Meinung nach auf ihre eingangs beschriebenen Stärken besinnen - Qualität hat sich noch immer durchgesetzt, wenn man den dazu notwendigen 'langen Atem' aufzubringen bereit ist.
Trotz meiner Kritik - von der ich hoffe, dass sie nicht in den berüchtigten falschen Hals kommen möge - bietet "2" auch einige richtig zauberhafte Momente, die Luise Grubers (wie sie bürgerlich heißt) riesiges Potenzial unverschleiert präsentieren. Zuvorderst sei hier "Falling For Your Love" zu nennen, bei dem man unwillkürlich an die knackigen Popsongs vom Schlage Leo Sayers oder Gilbert O'Sullivans in den Siebzigern denken muss. "I Got A Feeling" verströmt ein derart lupenreines Soulshine-Feeling, dass einem so richtig warm um die stofflichen und geistigen Innereien wird. Etwas mehr 'Rock' (statt 'Röckchen'), und "No One Loves You Like I Do" wäre ein Killer geworden. Immerhin drei Songs also, die im Hause Braun zukünftig noch gerne und oft gehört werden dürften.
Mein Fazit nach zig-mal gehörten, knapp vierzig Minuten ergibt sich zwangsläufig aus dem bis hierhin Geschriebenen: Saint Lu sollte sich eine Denkpause gönnen und mal ganz genau überlegen, wohin die Reise gehen soll. Star, Sternchen oder Sternschnuppe? Es wäre zu schade um diese großartige Stimme...
Line-up:
Saint Lu (all vocals, glockenspiel - #1,6)
Jan Burkamp (drums - all tracks)
Alex Grube (bass - all tracks)
Patrick Malter (percussion - all tracks)
Jimmy Messer (guitars - #3,5,8,9)
Lars Collin (guitars - #1,2,4-7,9)
James Bryan (guitars - #10)
Ben Hamilton (acoustic guitar -#3)
Philipp Steinke (keyboards - #2-10)
Tim Baxter (keyboards - #4)
Christian Lohr (keyboards - #7)
Sebastian Borowski (saxophone - #2, flute - #4,5)
Christioh Titz (trumpet, flugelhorn - #5)
Steve Sidwell (string arrangement - #1,2,6,8,9,11)
Tracklist |
01:Waterfall (3:12)
02:Craving (3:52)
03:Falling For Your Love (2:44)
04:I Got A Feeling (3:37)
05:No One Loves You Like I Do (4:40)
06:Revive This Flower (3:57)
07:The Letter (2:59)
08:Postcard From Hell (3:06)
09:Mrs. Suffer (3:28)
10:Why Do I Want Love (3:51)
11:Lady Of The Lanterns (3:58)
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