Das erste Mal kam ich mit Psychobilly beim Sziget Festival 2005 in Budapest in Berührung. Auf der Bühne für hoffnungsvolle Talente stand die ungarische Band Yellow Spots: ein Gitarrist, ein Bassist, ein Drummer und eine dreiköpfige Bläsersektion. Nichts ungewöhnliches, aber dann trat der Sänger in einem Zombie-Kostüm in Erscheinung, welches den Gruselfilmen der B-Kategorie aus dem Hollywood der 30er/40er Jahre nachempfunden war. Der Frontmann und die restliche Truppe zogen eine Show ab, die auf äußerst unterhaltsame Weise Elemente von augenzwinkerndem Horror, proletarischem Humor und Rockabilly/Punk beinhaltete.
Damit hätten wir auch Psychobilly kulturhistorisch einwandfrei eingegrenzt und politisch korrekt definiert, die Scared Stiffs weichen von diesem Schema nicht ab. Klar, die Musik ist so originell und innovativ wie Currywurst mit Pommes, andererseits kann man den Rock'n'Roll auch nicht neu erfinden, gell? Zum Glück besitzen sie eine gehörige Portion Humor (so gehört sich das für Psychobilly), der im gesprochenen "Introduction" gleich zum Vorschein kommt, auch wenn der reine Text ohne den Akzent nicht mal halb so viel Spaß macht: »The moon is full, the clock strikes midnight and you're listening to the eerie, graveyard countdown. Now dig into the monsterphonic, burnout sounds of The Scared Stiffs! Muahahaha...«.
Ein Blick auf die Tracklist sorgt für die nächsten Brüller: "When Monsters Fall In Love", "Graveyard Girlfriend", "The Creature Stole My Surfboard" etc.
Es bleibt aber kaum Zeit, sich von solchen jenseitigen Angriffen auf die Lachmuskeln zu erholen, denn mit dem Opener wird uns eine Liebesgeschichte auf Psychobilly-Art um die Ohren gehauen: gruselig-humorvoll, rockig-rotzig, dass die Fetzen der Mumien fliegen. Die Band gibt über weite Strecken Vollgas, agiert ziemlich punkig bzw. Garagen-Rock-orientiert; die Rhythmusgitarren sind verzerrt, aber die auf den Punkt genauen Soli vermitteln einem immer wieder das gute alte Rock'n'Roll-Feeling. Auf "Voodoo Doll" hören wir ein schönes Boogie-Woogie-Piano und "Pale Grey Eyes" ist sogar countryfiziert. Die Gruppe schaltet nur selten ein-zwei Gänge zurück, wie auf "My Mother The Carnivore", als sie äußerst melodisch agiert. Etwas Abwechslung wird somit geboten und als Bonus ist sogar ein lustiges Video zu "Zombified" auf der CD vorhanden.
Der einzige wirkliche Kritikpunkt an dieser Scheibe ist die relativ hohe Anzahl von sechs Coversongs von fünf Bands (u.a. The Dictators, Bleed, The Groovy Ghoulies), ohne die dieser Silberling nach zwei EPs kaum hätte als der erste Longplayer der Band veröffentlicht werden können. Aber sie passen absolut zum musikalischen Konzept der Gruppe und einen qualitativen Unterschied zwischen Fremdmaterial und Eigenkompositionen kann ich nicht feststellen. Die Scared Stiffs rocken und rollen auf ihrem Debüt, als würde sie nichts und niemand aufhalten können. Höchstens noch Béla Lugosi, der sie mit einem tödlichen Biss ins Reich der Untoten befördert könnte. Aber ich gehe davon aus, dass die Jungs als erfahrene Horror-Punker das entsprechende Gegenmittel kennen werden.
Good stuff!
Tracklist |
01:Introduction
02:When Monsters Fall In Love
03:Haunted
04:My Mother The Carnivore
05:Motor Psycho
06:Zombified
07:Voodoo Doll
08:Pale Grey Eyes
09:Graveyard Girlfriend
10:Satellite
11:Stay With Me
12:My Hands, Your Throat
13:Black Haired Girl
14:The Goon
15:The Creature Stole My Surfboard
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