Schiller / Atemlos
Atemlos Spielzeit: CD 77:39, DVD ca. 58 Min.
Medium: CD & DVD
FSK: 0
Technik: Dolby Digital 5.1.
Label: Island (Universal), 2010
Stil: Elektronik Pop, Ambience

Review vom 05.05.2010


Norbert Neugebauer
Schiller alias Christopher von Deylen macht Musik, die unserem allseits bekannten, 'gemeinen' Rockfan sicher nicht unbedingt zusagt. Electronic Pop weitgehend ohne die gängigen E-Instrumente und feste Rhythmusabteilung, hat er, sofern seinerzeit überhaupt schon auf der Hörfläche, spätestens mit Tangerine Dream und Popul Vuh abgehakt. Das spätere Kraftwerk-Gedudel und Jean-Michel Jarres Synthiespielereien blubberten spurlos an ihm vorbei. Die neue Electronic-Mucke der Raver und Konsorten wurde sowieso nie ernsthaft als Rockmusik in Betracht gezogen.
Also was soll das denn jetzt, hier, im Frühjahr 2010, in RockTimes? Quotenregelung vielleicht? Nein, keineswegs. Eher eine Frage der Neugier, als wir dieses dicke Produkt zum Besprechen angeboten bekamen. Der (vorliegende) durchgestylte Doppel-Pack CD/DVD samt Booklet ('Deluxe') macht durchaus schon mal einen sehr wertigen und künstlerisch ästhetischen Eindruck. Das Ganze gibt's allerdings dann auch noch als 'Super Deluxe'-Version mit Doppel-CD und Hardcover-Büchlein sowie in einer exklusiven, limitierten 'Ultra Version' für die Ober-Freaks. Und auch die Vinyl-Junkies dürfen sich auf eine eigene Ausgabe freuen.
"Atemlos" ist bereits das sechste Album und hat fünf sehr erfolgreiche, regelmäßig mit Preisen ausgezeichnete Vorgänger. Dass es genauso populär und gewinnträchtig zu werden verspricht, zeigt bereits der Einstieg auf Platz 2 in den deutschen Album-Charts. Nicht dass wir uns von so was beeindrucken lassen würden, aber Schiller ist beileibe kein Mainstream und ein derartiger fulminanter Start kommt nicht von ungefähr.
Trotz der vorwiegend per Keyboard künstlich erzeugten Soundwelten klingt "Atemlos" durchaus organisch, was wohl daran liegt, dass Schiller konkrete Erlebnisse einbezieht und verarbeitet. Bei früheren Produktionen waren das lange Kontinental-Reisen mit dem Oldtimer. Im Vorfeld des neuen Albums war er auf einer mehrwöchigen Expedition auf dem Forschungsschiff Polarstern in der Arktis und arbeitete dort mit einem Tauchroboter. Die Eindrücke spiegeln sich in den vorwiegend ruhigen Stücken wider, von denen sich der Hörer, so er will, tragen lassen kann. Klanggemälde, die durchaus ihren Reiz haben. Zumal mit Nadia Ali, Kim Sanders, Anggun, Mia Bergström, Kate Havnevik, Lenka, Cliff Hewitt und Altmeister Midge Ure eine ganze Riege von ausgezeichneten Gastsängern ihre eindrucksvollen Stimmen erklingen lassen, die dem Album einen besonderen, durchwegs 'lieblichen' Reiz geben. Dazu kommt noch die Schauspielerin Anna Maria Mühe, die den Text von "Unruhig Herz" spricht, sowie Gastmusiker, unter denen Can-Drummer Jaki Liebezeit wohl der bekannteste ist.
Die schöngeistige Musik des modisch eleganten Herren mit ihren neoromantischen Texten strömt aus den Boxen in exzellenter Qualität und füllt den Raum mit wohligen Sounds (sofern der Hörer sich darauf einlässt). Aber man muss derartigen Ambient-Pop mögen, sonst ist wohl beim zweiten Stück Schluss. Der Schreiber dieser Zeilen wäre durchaus geneigt, diese Klanggebilde mit entsprechend optischer Umsetzung live zu absorbieren, obwohl er mit dieser Musik sonst wenig anfangen kann. Die Gelegenheit bestünde auf der bald beginnenden Tour.
Mit der DVD allerdings kann er weniger anfangen. Die fünf Songs 'in vollem 5.1' sind nach seiner Erkenntnis ansonsten identisch mit den Audio-Tracks. Die visuelle Ergänzung neben dem jeweiligen Titel beschränkt sich auf minimale farbliche Veränderungen des Op Art-Logos, was auf Dauer wenig fesselnd ist. Auch die Elektronik-Symphonie "Wasser" mit den Unterwasser-Aufnahmen des Tauchroboters ist eher was zum sanft Entschlummern. Und überwasser auf der Polarstern mit ihrem technischen Equipment geht's nicht viel spannender zu. Da passt dann auch die Studiosession mit dem legendären Can-'Metronom' Liebezeit, der sein Minimal-Drumming hier zum perfekten Analog-Loop konfektioniert.
Nein, die DVD wird wohl für immer in ihrem schönen Media-Pack bleiben, einmal durchgeleiert reicht völlig. Wie oft und zu welcher Gelegenheit Schillers Musik noch in den Player wandert, da ist der Rezensent aber mal selbst gespannt.
Tracklist
01:Willkommen
02:Tiefblau
03:Schiller mit Lenka - Sunrise
04:Schiller mit Nadia Ali - Try
05:Polarstern
06:Schiller mit Mia Bergström - Playing With Madness
07:Schiller mit Anna Maria Mühe - Unruhig Herz
08:Schiller mit Kate Havnevik - Don't Go
09:Schiller mit Jaki Liebezeit - Leidenschaft
10:Schiller mit Kim Sanders - Under My Skin
11:Atemlos
12:Schiller mit Midge Ure - Let It Rise
13:Schiller mit Jaki Liebezeit - Opium
14:Himmelblau
15:La mer
16:Schiller mit Henree - I Will Follow
17:Moments
18:Schiller mit Anggun - Always You

Extras DVD:
Elektronik-Symphonie:
01:Wasser
Atemlos in vollem 5.1
01:Willkommen
02:Tiefblau
02:Playing With Madness
04:Polarstern
05:Himmelblau

Studiosession
Schiller mit Jaki Liebezeit

Polarstern
Expedition in die Arktis
Externe Links: