Schöftland / Der Schein trügt
Der Schein trügt Spielzeit: 38:57
Medium: CD
Label: CHOP Records, 2010
Stil: Deutsch Rock

Review vom 09.05.2010


Norbert Neugebauer
Immer wieder erstaunlich, was wir aus der Schweiz für musikalische Schoggis bekommen. Diesmal allerdings welche, die einen sehr 'fremdgeschmacklichen' Überzug haben. Die Berner Band Schöftland (fiktiv benannt nach der Gemeinde Schöftland im Aargau) kokettiert so mit einem 'deutschen' Image, dass wir sonst so wenig geliebten Germanen schon verwundert sind. Das fängt beim akzent- und idiomfreien Hochdeutsch an, in dem geschrieben und gesungen wird und hört beim offensichtlich sehr geschätzten nördlichen Auftrittsland auf.
Aber wollen wir die Hintergründe für dieses Faible nicht strapazieren, Schöftland bietet genug Kreatives, über das wir reden können. »Wer Element of Crime mag, wird Schöftland verehren « - diese wohlwollende Kritikerzeile nimmt die Band selbst gern in den Mund und begibt sich damit leider auf ein ziemlich eingefahrenes Gleis, wenn nicht gar in eine Sackgasse, was einer unvoreingenommenen, offenen Betrachtungsweise nicht eben förderlich ist.
Sicher, diese typische melancholische Grundstimmung wird von den Schweizern ebenfalls in ihrem poetischen Songmaterial unterschwellig gepflegt und Floh von Grünigens Stimme klingt mitunter schon dem jungen Sven Regener sehr ähnlich in der Lage und Vortragsweise. Aber, um dem Vergleich mal weiter voranzutreiben, das hier ist eine andere Gangart. Schöftland rocken! Bei ihrem zweiten Werk (nach "Nur Touristen" von 2007) kann die Klasse der Wahl-Berliner natürlich auch noch nicht erreicht sein. Schöftlands Musik ist die gute Tafelschokolade mit knackigen Nüssen und Chilli, während EoC die feinen, bitterzarten Trüffel für die ältere Generation hat. Damit genug vom klebrigen Schubladendenken!
Die zehn Titel im klassischen Singleformat mit den Hamburgern Gispert zu Knyphausen (derzeit überraschend mit seinem Titel "Hurra! Hurra! So nicht" in den deutschen Charts) und Ex-Fink-Kopf Nils Koppruch als Gastvokalisten zeugen von guten Songwriter-Qualitäten. "Der Sturm" rumpelt schon kräftig los und zeigt die instrumentalen Fähigkeiten der Herrschaften. Wer was im Rock-Instrumentarium spielt, erschließt sich jedoch weder aus der Homepage, noch aus dem Booklet. Die Band besteht aus Floh und Kaspar von Grünigen, Patrik Zosso, Stefan Rolli und Sascha Mathys. Dazu gibt es eine Reihe von Gästen an diversen, meist akustischen Instrumenten, die für satte Arrangements sorgen. Noch einen Zacken verschärft scheppert Indie-mäßig "Blaulicht". Bei "Der Schein trügt" und dem schön geschriebenen, balladesken "Liebesbrief" erinnert Flohs Gesang zeitweise an Rio selig. "Komet" und "Dass ich schlief" bleiben ebenfalls im ruhigeren Tempo, letzteres gewinnt durch rockige Steigerungen aber an eindrucksvoller Dramatik. Die nächsten Titel sind im gleichen Muster gestrickt - melancholische bis düstere Stimmungen, verträumter Gesang, bretternde E-Gitarrenwände zum Finale. "Kleinstadt" mit zu Knyphausen im Gesangs-Duett zeichnet ein recht bleiernes Skizzenbild der Szenerie, bei dem die beiden Protagonisten die konträren Sichtweisen verkörpern.
Schöftland bietet auf "Der Schein trügt" viel. Wer auf gemäßigten Rock mit deutschem Gesang und Niveau in sattem Sound steht, der soll hier mal reinhören! Musik, die sich nicht unbedingt kategorisieren lässt, die aber alles andre als ein EoC-Plagiat ist. Wenn die Band so weitermacht und an ihrem eigenen Stil konsequent feilt, dann dürfen wir uns schon auf die nächsten Werke freuen.

Das Cover ist ein Gemälde von Floh von Grünigen.
Tracklist
01:Der Sturm
02:Blaulicht
03:Der Schein trügt
04:Liebesbrief (mit Nils Koppruch)
05:Komet
06:Dass ich schlief
07:Das Biest
08:Wir könnten fliegen
09:Niemandsland
10:Kleinstadt (mit Gisbert zu Knyphausen)
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