Na, das ist doch mal gleich ein standesgemäßes 'Hallo, hier sind wir!' in der Welt des Progressive Metal: Das Debüt der Italiener Schysma ist 'nur' eine knapp 30-minütige EP, aber die hat natürlich gleich mal ein Konzept. "Imperfect Dichotomy" ist der gedankliche Streifzug eines Menschen durch die widerwärtigen Wirren der wahren Welt, auf der Suche nach dem Sinn seiner Existenz. Im Opener "Lost In The Maze" realisiert er, dass er gefangen ist in einem Dickicht aus Lügen und Hoffnungslosigkeit. In "The Noise Of Silence" geht er tief in sich auf Sinnsuche, was am Ende nur die Anspannung befördert. Nach der vergeblichen Flucht in die Spiritualität ("Migdal") wächst die Resignation, verbunden mit der Erkenntnis, selbst Teil der großen irdischen Heuchelei zu sein, und dass das Auslöschen der Menschheit der einzige 'Ausweg' sei. Im Schlusstrack "Sinners" schliddern wir Sünder dann Richtung Apokalypse. Inwiefern nun Gott da seine Hände mit im Spiel hatte oder die Menschheit sich selbst 'erlöst', das darf der Hörer für sich deuten.
Das Musikalische deutet nun RockTimes - dieser Service muss sein. Skalpell-scharfe Power-Grooves aus Bass Drum, Bass und Gitarre, darüber das Frickeln des Keyboards, spannend arpeggierte Akkorde, hübsche Detailarbeit im Rhythmusbereich. Dazu ein Sänger, der auch in tiefen Lagen gut klingt, dann aber nicht zuletzt astrein mit der Stimme nach oben springen kann. Nun ein retardierender, hymnischer Refrain, der erst nach zweieinhalb Minuten auftaucht - und die subjektiven Vergleichswerte verschieben sich von Mit-Italienern wie Pathosray oder Empty Tremor zu Sun Caged. Es gibt Ryhthmuswechsel und ein emotionales Gitarrensolo. Ja, "Lost In The Maze" ist ein amtlicher Opener und zeigt, dass Schysma technisch versiert sind und einen amtlichen Prog Metal mit abwechselnd aufwühlenden und schwebenden Atmosphären komponieren können. Die Fahrkarte ist schon mal gelöst - noch interessanter als der sehr gute, aber stilistisch auch erwartbare Opener, ist allerdings, wohin die Reise nun führt.
Mit "The Noise Of Silence" geht die Band in eine epische Breite, die ein Stück weit von Kracher-Klassikern wie Queensrÿches "Roads To Madness" oder Lethals "Fire In Your Skin" inspiriert scheint. Schon allein die Basslines sind spannend; das Schlagzeug klingt extrem präsent und differenziert; der Sound der Gitarren ist grandios zeitlos. Keyboarderin Martina Bellini komplettiert das mit mystifizierenden Effekten, die fast so ein bisschen klingen wie Geddy Lees Synthie-Sperenzchen auf "Moving Pictures". Und Sänger Riccardo Minicucci hat hier noch viel mehr Raum, zu zeigen, was er kann. Wenn er einzelne Wörter screamt statt zu singen, dann sind das die Momente, in denen man beim Hören die Faust ballt und sich und der Band sagt, 'Yes, baby'! Mit dem anschließenden "Migdal" bleibt man auf der epischen Schiene, würzt das Ganze mit orientalischen Einsprengseln und variiert verstärkt die Drives.
"Supreme Solution" startet introvertiert - die geheimnisvolle Stimmung der Akustik-Arpeggien zusammen mit coolem Cymbal-Gezirpe verströmt wieder diesen 80er-Prog Metal-Zauber. Kurz vor der Zwei-Minuten-Marke wird dann gekonnt auf 'böse' umgeschaltet. Werke wie Vicious Rumors' "Word Of Mouth" streifen meine Gedanken. Oder auch Panteras Cowboys From Hell, wegen dieser speziellen 'Schärfe' in der Heaviness ... und nicht zuletzt der Impulsivität. Denn Schysma reißen einen mit.
Der letzte Track, "Sinners", ist neben "The Noise Of Silence" der zweite richtig große Wurf auf dieser Premieren-EP - wuchtig, dramatisch und dabei mitreißend sprunghaft arrangiert. Üble Growls verdüstern die Stimmung; und zugleich legt die Band auch hier stets Wert auf technische Feinheiten. Nur ein Detail - aber irgendwie genial: der aushallende Powerchord am Schluss. Wow, das kribbelt am Ende der Apokalypse. "Sinners" als letztes Stück - das nenne ich mal einen 'Schlussmacher'!
»Salvation for sinners but ...
Everything now fades to ... Dark«
Saubere Leistung, und ein wirklich schönes Stück Prog Metal für alle, die irgendwie alles auf einmal wollen: retro, zeitlos und nicht unmodern! Hoffentlich überstehen Schysma ihr besungenes Endzeit-Szenario. Denn, auch wenn sie die Welt mangels wirklich sensationeller Ideen vorerst nicht retten werden - hören wollen wir von denen noch ganz viel. Per favore!
Line-up:
Riccardo Minicucci (vocals)
Luca Solina (drums)
Martina Bellini (keyboards)
Vladimiro Sala (guitars)
Giorgio Di Paola (bass guitar)
Tracklist |
01:Lost In The Maze (6:48)
02:The Noise Of Silence (6:14)
03:Migdal (4:25)
04:Supreme Solution (5:12)
05:Sinners (6:17)
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