Scorpions: "Amazônia - Live In The Jungle".
Nun gibt es also nicht nur 'Saufen für den Regenwald', sondern auch 'Skorpione für den Regenwald'.
Auf den ersten Blick klingt das gut und zeigt, dass Rockmusiker nicht nur an Partys usw. denken, sondern sich auch für die Welt, in der sie leben, interessieren. Gerade die Scorpions präsentier(t)en sich gerne von dieser Seite.
Doch bei so etwas stellt sich immer die Frage, steckt da wirklich etwas dahinter oder ist es nur Imagepflege. Dies muss in die Betrachtung der DVD mit einfließen. Doch mehr dazu später.
Diese enthält ein in Recife mitgeschnittenes Konzert aus dem Jahr 2008, Auszüge aus einem Konzert in Manaus 2007 und eine knapp fünfminütige Dokumentation der Arbeit von Greenpeace in Brasilien, in der einer der Mitglieder den Scorpions während eines dreistündigen Fluges die Zerstörung des Regenwaldes erläutert. Ergibt zusammen 93 Minuten, was ich für eine DVD nicht gerade üppig finde.
Das Konzert in Recife bietet sehr gute Bild- und Klangqualität, in dieser Hinsicht gibt es nichts zu meckern. Was etwas irritiert, sind die Kürzungsschnitte, die das Ganze straffen, auf die Musik reduzieren, aber ein wenig Authentizität wegnehmen. Wurden nur Pausen herausgenommen oder fehlen auch Songs? - Das kann ich leider nicht beurteilen, wobei ich schon denke, dass der gesamte Auftritt doch länger war.
Umrahmt von einem soliden Hardrock-Anfang und -Ende gibt es einen Akustik-Mittelteil, der für mich das Herz und den Höhepunkt der DVD darstellt. Die Bühne ist plötzlich bevölkert von Gastmusikern (ihr Kommen und Gehen wurde rausgeschnitten, das wirkt schon etwas seltsam), darunter der bekannte Sepultura-Gitarrist Andreas Kisser, der bekennender Scorpions-Fan ist und ganz im Gegensatz zu seiner Stammband hier sanfte Töne anschlägt. Außerdem drei Backgroundsängerinnen und Percussionisten.
Dadurch bekommen die ruhigen Songs, darunter die Kansas-Coverversion "Dust In The Wind", bereits von der Akustik-Tour bekannt, eine neue Atmosphäre, was gut funktioniert. Ich finde das stimmungsvoll und ergreifend, passt auch gut zum Thema Regenwald, Natur und Naturschutz.
Ein 'normales' Konzert hätte mich enttäuscht, ich habe schon auf eine besondere Umsetzung für den besonderen Anlass gehofft. Das normale Set mit den rockigen Liedern vorher und hinterher ist absolut nicht schlecht, die Songauswahl gelungen, alles ist gut gespielt und macht auch Spaß, dennoch: Dieser Zwischenteil mit seinen Emotionen repräsentiert für mich "Amazônia".
Dagegen kommt der Auftritt in Manaus nicht an, weder was Klang, Bild noch die Stimmung angeht. Als Bonus dennoch eine nette Sache. Dieser wurde von Greenpeace unterstützt und angesagt, die uns gleich darauf in der kurzen "Documentary" noch einmal begegnen.
Schon kommt der Moment, in dem ich dachte »Huch, war das alles«? Denn mehr ist nicht auf der DVD.
Doch bei dieser Veröffentlichung geht es ja nicht nur um Musik, sondern auch um Ökologie: »Die Lizenzerlöse aus dem Verkauf dieser DVD in Brasilien und Mexiko fließen überwiegend in Urwaldschutzprojekte von Greenpeace Brasilien«.
Klingt im ersten Moment gut, dann werde ich stutzig: was heißt »überwiegend« und wieso nur die Erlöse der Verkäufe in zwei Ländern, deren Einwohner nicht unbedingt alle finanziell so gesegnet sind, dass der Kauf von Tonträgern an erster Stelle stehen kann, sondern der tägliche Bedarf von Nahrungsmitteln etc. Vorrang hat trotz großer Musikbegeisterung? Was ist mit dem Rest der Welt?
Die Scorpions haben etliche Millionen Tonträger verkauft und sind sicher nicht auf den Gewinn angewiesen, den sie durch eine DVD erhalten, müssen auch keine Touren machen, damit sie überhaupt leben können. Wieso verzichten die Herren nicht gänzlich auf alle Einnahmen aus dem Verkauf von "Amazônia - Live in the Jungle"?
Das sollten sie sich doch leisten können, notfalls kauft Rudolf Schenker mal eine Gitarre und eine Sonnenbrille weniger…
Klar hat die DVD Herstellungskosten, aber wäre es nicht möglich, die Hälfte des Verkaufspreises zu spenden? Ich kann den finanziellen Aufwand nicht beurteilen, trotzdem denke ich schon, dass hier nicht so viel abgeführt wird, wie man könnte, daher wirkt das Ganze doch etwas halbgar auf mich. Aufmerksam machen auf die Problematik ist an sich schon lobenswert, aber wenn ich lese »Die Scorpions unterstützen mit ihrer neuen Live-DVD Greenpeace im Kampf gegen die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes« habe ich irgendwie mehr erwartet.
Wenig ist besser als nichts, dennoch hätte es hier sowohl bei der Spielzeit als auch beim Idealismus etwas mehr sein dürfen. Zieht man diese Kritikpunkte ab, bleibt ein guter Livemitschnitt, der besonders im akustischen Mittelteil starke Momente hat, dazu noch etwas Bonusmaterial. Nun müssen die Scorpions-Fans entscheiden, ob dies für einen Kauf ausreicht.
Line-up:
Klaus Meine (vocals)
Matthias Jabs (guitar)
Rudolph Schenker (guitar)
Pawel Maciwoda-Jastrzêbski (bass)
James Kottak (drums)
Gäste auf den Tracks # 5, 6, 7, 8, 13 in Recife:
Andreas Kisser (guitar)
Mikael Mutti Ramos (keyboard, percussion)
André Reis de Jesus (percussion)
Elbermario Rodrigues Barbosa (percussion)
Ana Teresa Santos Oliveira (backing vocal)
Flavia Barbosa Mendonca (backing vocal)
Danilea Santos de Aguiar (backing vocals)
Tracklist |
CONCERT RECIFE
01:Hour 1 (4:05)
02:Coming Home (2:47)
03:Bad Boys Running Wild (3:59)
04:Non Pain No Gain (4:01)
05:Always Somewhere (4:40)
06:Holiday (6:12)
07:Dust In The Wind (3:57)
08:Wind Of Change (5:39)
09:321 (4:07)
10:Blackout (3:51)
11:Big City Nights (6:48)
12:Still Loving You (6:21)
13:Rock You Like A Hurricane (7:33)
SPECIAL FEATURES:
Concert in Manaus, (supported by Greenpeace)
01:Hour 1 (4:26)
02:Love 'em Or Leave 'em (4:22)
03:Make It Real (3:50)
04:Tease Me, Please (5:33)
05:Humanity (4:44)
Amazônia - Greenpeace Documentary
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Externe Links:
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