Is The Best Yet To Come? Oder Farewell-Tournee der Scorpions - eine kleine Betrachtung anlässlich des Konzerts in der Kölner Lanxess-Arena am 13.11.2010
Zugegeben, ich war nie ein ausgewiesener Fan der berühmtesten Band Hannovers, fand aber schon immer, dass sie einige starke Stücke oder Scheiben herausgebracht haben. Das habe ich auch beispielsweise zuhause meiner Frau gegenüber immer postuliert, die sich schon übergeben muss, wenn sie nur mit einer CD der Scorpions in einem Raum ist (und der CD-Player muss noch nicht einmal an sein!). Vielleicht ist meine Sichtweise auch eine Betrachtung durch die rosarote Brille oder eine subjektive Verklärtheit in Erinnerung an die 'guten alten Zeiten' meiner Jugend, aber ich fand "Virgin Killer", "Love Drive" oder "Tokyo Tapes" gut - Punkt! Ich erinnere mich auch nur noch dunkel daran, dass ich sie schätzungsweise AD 1792 für DM 7,50 in irgendeiner Turn- oder Stadthalle gesehen habe oder war es Vorprogramm von Kiss?
Egal, es war nach der Ankündigung der Tour nur eine Frage von 'passt der Termin?', um die Band denn nun doch mit einem gewissen zeitlichen Abstand noch einmal betrachten zu können. Leider blieb für mich ohne große Verrenkungen nur der Zusatztermin in der Kölnarena (oder Lanxess-Arena, wie das Ding ja heute heißt) übrig, wohlwissend, dass das klanglich kein Leckerbissen werden würde. Ich habe mich bis heute fast immer erfolgreich gegen einen Besuch dort wehren können, nachdem ich Ende der neunziger Jahre meine Zuschauer-Premiere wegen des miesen Sounds vorzeitig abbrechen musste. Wer nicht optimal stehen oder sitzen kann, wird nie auch nur ansatzweise von wirklichem Hörgenuss reden können. Ich möchte hier wirklich nicht die alte Diskussion von schlechter Akustik in Hallen oder schlechten Toningenieuren lostreten, aber ich finde die Arena einfach furchtbar - noch ein Punkt!
Schon Wochen vor dem Termin drohte ein Engpass von Tickets, und außer einigen hoffnungslos überteuerten 'Privatverkäufen, weil der Kumpel krank ist' auf einem bekannten Internet-Marktplatz war nichts mehr zu bekommen. Das klang alles nach vollem Haus mit bester Stimmung. Wie man das als braver Konzertbesucher so macht, habe ich mir selbstverständlich die letzte Scheibe Sting In The Tail intensiv zu Gemüte geführt, um den Aha-Effekt nicht zu verpassen und zu entscheiden, welchen der Songs ich auf jeden und welchen in keinem Fall hören wollte. Gut gerüstet ging es also im Dauerregen nach Köln, Verkehrschaos mit lautem Hupen um die Arena herum und mächtig viel Volk. Bierchen geholt und bei moderater Lautstärke einen Teil des Vorprogramms durch die Fuldaer Band Edguy angehört. Die Jungs machten ihre Sache mit überlegter Auswahl an Stücken wirklich, wirklich gut und bekamen den wohlverdienten lautstarken Applaus. Ich bin wahrlich kein Kenner dieser Power Metaller, habe aber u. a. das Erscheinen ihres Albums mit dem wunderschönen Namen "Tinnitus Sanctus" noch ganz gut in Erinnerung. Leider zeichnete sich das klangliche Desaster aber schon bei den Anheizern ab - und es sollte nicht besser werden.
Nach recht überschaubarer Umbaupause kamen die Herren Meine, Schenker, Jabs und Co. dann in guter Kiss-Manier mit viel Flammen- und Lichtermeer auf die Bühne gesprungen, das Schlagzeugpodest von Meister James Kottak hob sich wie von nie da gewesener Geisterhand in die Höhe - und das Drama nahm direkt mit "Sting In The Tail" seinen Lauf. Im Grunde kann Klaus Meine mit seiner Stimme wirkliche und unverwechselbare Akzente setzen, aber was da an Klangbrei rüberkam, war sehr, sehr arm. Zudem hatte ich subjektiv den Eindruck, die Massen wollten nicht so recht, der Funke sprang nur ansatzweise mal über. Kaum jemand stand auf den Rängen auf und wenn, dann nur diejenigen aus dem bühnennahen Unterrang. Nervig war vor allen Dingen die ewige Hin- und Her-Rennerei von Schenker, Jabs und Maciwoda, so als gälte es, jeden Winkel und jedes Ende der T-förmigen Bühne jederzeit mit mindestens einem Bandmitglied zu besetzen und dabei aber niemanden länger als gefühlte fünf Sekunden an einem Platz stehen zu lassen. Auch die unterschiedlichen Kopfbedeckungen von Rudolf S. waren sehr beeindruckend.
Fast ging bei "The Zoo" mal richtig die Post ab, diese rettete sich über ein "Coast To Coast" bis zu "Lovin' You Sunday Morning", um bei "Send Me An Angel" (Zeit für ein Bier) wieder zu verblassen. Ein für meinen Geschmack viel zu schnelles "Holiday" wurde dann nach einer etwas pathetischen Ansage vom Frontmann zum wohl unvermeidbaren "Wind Of Change" (Zeit für noch ein Bier).
Auch wenn es jetzt so klingt, es war nicht alles schlecht an diesem Abend. Bei der optischen Untermalung konnte man sehr wohl sehen, wo das dicke Geld im Showbiz steckt. Kurzweilig, clever, eindrücklich, nicht immer neu, aber sehr stimmig und gut choreografiert kam die Lightshow rüber. Gute Einspielungen alter Mitschnitte wechselten einander mit farblich verfälschten Live-Bildern auf den Monitoren ab und gaben sich ein Stelldichein mit all den restlichen Spots und Lampen. Hierfür von mir ehrliche fünf Sterne! Auch das Drumsolo "Kottak Attack" wurde wirklich gekonnt untermalt, kurze filmische Einblendungen transformierten sich geschickt in die Coverfotos der alten Renner und Herr 'Kottack' ist ja auch bekannt dafür, dass er sich ganz gut in Szene setzen kann.
Mit "Blackout", "Six String Sting" und "Big City Nights" ging das reguläre Programm dann ohne weitere spürbare Höhepunkte zu Ende, sieht man mal von einem Jabsschen Solo ab. Als großes Finale gab es in der Zugabe "Still Loving You" und ein vorhersehbares "Rock You Like A Hurricane". Weil das Publikum aber trotzdem noch nicht genug gekriegt hatte, wurde noch ein "When The Smoke Is Going Down" angehängt wie auch bei den anderen Gigs auf dieser Tour.
Mein Fazit - persönlich, subjektiv, gefärbt und nicht allgemeingültig. Ich habe mich die ganze Rückfahrt gefragt, wo und warum denn nun der Wurm drin war. Konnte es nur an der Akustik gelegen haben, waren die Herren auf der Bühne etwas zu abgedroschen oder war das Publikum zu bieder? Es gab ja im Grunde genügend Leder und lange Haare bei den Besuchern. Die Show als solche war auch mit einer (fast) durchweg überzeugenden Auswahl an Songs inszeniert, Licht und Bühnenbild waren großes Kino und eigentlich können die ja auch rocken. Noch während eines der ersten Songs fiel mir ein Zitat aus einem Buch ein, das ich mal irgendwann gelesen hatte: »Nothing is more pathetic than an ageing queer.« Nicht, dass die Jungs queer wären oder dass das eine Rolle spielte, aber alternde Rocker, die einen auf jung und frisch machen, kommen einfach nicht authentisch rüber - und wahrscheinlich war es genau das für mich an diesem Abend - trotz wahnsinnigen Potentials in der Ausrichtung der Show - nicht authentisch. Beschimpft mich, schlagt mich, schmeißt mich raus, aber das ist mein Eindruck gewesen.
PS: Und da ich nicht nach drei Minuten des Feldes verwiesen werden wollte, gibt es keine Bilder.
Setlist:
Sting In The Tail
Make It Real
Bad Boys Running Wild
The Zoo
Coast To Coast
Loving You Sunday Morning
The Best Is Yet To Come
Send Me An Angel
Holiday
Wind Of Change
Raised on Rock
Tease Me Please Me
Dynamite
Kottak Attack
Blackout
Six String Sting
Big City Nights
Still Loving You
Rock You Like A Hurricane
When The Smoke Is Going Down
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