Glücklicherweise scheinen die musikbastelnden Jungblüter hierzulande nicht auszusterben und ihre Seelen vollends als Schnellfutter an den Kassen übermächtiger Großmärkte verschleudert zu werden. So drängen sich hin und wieder Kafka oder Burroughs befruchtete Kreativitätsüberschüsse einiger musikalischer Außenseiter aus den Notizheftchen und Tolkien- und Fantasy-Mären-befallenen Studio-Verliesen ans Licht der Öffentlichkeit. Neuerdings scheinen die einstigen von Subkulturen und Psychogrammen geprägten Rockopern und Thema-Schinken jedoch wieder ihr Revival und eine neue, dem Zeitgeist entsprechende Soundtracks zur Selbstfindung, durchaus diskutable Konjunktur zu erleben.
Mit einem kompositorischen Opus magnum, welches die populärmusikalisch abgegrasten Weiden weitestgehend meidet, eine zahlreich vertretene orthodoxe Zuhörerschaft, etwa sogar ein Mainstream-formatiertes Publikum zu ködern, gilt an sich schon als schwergewichtiges Unterfangen, selbiges an ein schier größenwahnsiniges und polarisierendes Konzept über religiösen Fanatismus zu ketten, geradezu unverschämt. Nun mögen im Sächsischen nicht nur die schönsten Mädchen auf den Bäumen, sondern wohl auch vor musikalischen Flausen strotzende Studiobastler mit ihren respektablen und prätentiösen Eskapaden dem fruchtbaren Boden entwachsen.
Gleichwohl dürfte somit das Aktuelle, aus dem tiefsten Schlund fiebriger Träume unseres schon häufiger besprochenen Tausendsassas Marek Arnold ( Toxic Smile, Flaming Row, Stern Combo Meissen) und dessen befreundeten Federführers Thoralf Koss geborene Machwerk die Synapsen von Ehrgeiz-zerfressenen Schreiberlingen und kunstvollen Rock-Arrangements-affinen Konsumenten kitzeln. Unter dem übermächtigen Eindruck literarisch beflügelter Musiker, welche ihre Helden zur Selbstfindung einst über einen Prachtboulevard im Big Apple, grellbunte Psychiater-Couchen sowie durch surreale Szenarien hetzten, weiden sich Arnold und sein vollblütiges Ensemble ausgiebig und mit Zappa-esker Umtriebigkeit am märchenhaften Irrwitz eines himmlischen Pamphlets. Seine erzählerische sowie musikalisch leicht überbordete Tiefe lebt weniger von den kafkaesken Textzeilen, als von der dramaturgisch und organisch zuweilen etwas verkopften Umsetzung.
Zwar frei von künstlerischen Zwängen, jedoch gefesselt am Rock-Oper-konzeptionellen Mystifizieren altgedienter Grübelrocker, deren musikalisch bunte Vielfalt und haltlos überdekoriertes Bühnentreiben irgendwann ermüdete, lavieren die Protagonisten ihren glaubensbefangenen Titelhelden, mitunter über metallisch-verstärkte Prügelattacken, zur Selbsterkenntnis. Entflammt von der Heilslehre göttlicher Kräfte muss dieser Jüngling ein dunkles Tal menschgemachter Abgründe und erdrückender Resignationen durchschreiten, um sich letztendlich in seinem Durst nach Erleuchtung
zu entmanipulieren und das Heft des Lebens an sich zu reißen. Dabei destillieren die Sachsen geschickt die musikalischen Vorzüge einiger dem bildungsbürgerlichen Rock und dramatischen Gestus wohlgesinnten Lehrer und jenes exemplarischen Anteils an Stimmungsbarometer-unterworfenen Gesangsartisten zu einem pastoralen und bittergeschmacklichen Gesamtkunstwerk.
Arnold und seine Tafelrunde propagieren mit "The ? Book" sicherlich keine vertonte Bestandsgarantie für den richtigen Glaubenspfad, erst recht keine spirituell-missionarische Kotze, sondern rütteln an den Festen des Selbstvertrauens und dessen oftmals getrübter Strahlkraft. Seven Steps To The Green Door sind nicht die Ersten, welche ihre akademisch unterfütterten Kompositionsgeflechte in der unverderblichen Tunke aus funkigem Beat, beinahe banal anmutenden Jazz-Einsprengseln, poppigem Süsswurz, orchestralen Bombardements von feudalen Synthie-Wogen und genialisch gestählten Streber-Soli wälzen, jedoch wackere Visionäre, die dem germanischen Tafelsilber progressiver Musizierkünste zu mehr Politur verhelfen. Die Protagonisten beherzigten beim Komponieren gleichwohl die Tugenden einer eindringlichen Theaterinszenierung, widerstanden selbst bei drohender Pomp-Eskalation der plakativen Maßlosigkeit und beschenkten die von einem Pfund Düsternis besessene Glaubens-Groteske mit einem Pathos-gewürgten Herz-Schmerz-Finale.
Sei es auch Anspruch und Zündstoff zugleich, was Arnolds nimmermüde Musterschüler leichthändig aus zugegebenermaßen von reichlich abgeschmackten Blaupausen belagerten Schubladen zauberten, dem übermächtigen Sog Prog Rock-gemahnter Klischees jedenfalls vermochten sich jene intuitiv nicht zu entziehen. Ein akribisches Studium sowie das akustisch durchaus geduldsstrapazierende Konsumieren der in 52 Mattglanz-Seiten gebundenen Leidensgeschichte dürfte wohl desto mehr Lust auf großes Hörkino, bestenfalls Licht in so manches Dunkel bringen.
Line-up:
Ulf Reinhardt (drums, percussion)
Marek Arnold (keyboards, saxophones)
Heiko Rehm (bass)
Andreas Gemeinhardt (guitars)
Lars Köhler (vocals)
Anne Trautmann (vocals)
Gäste:
Thoralf Koss (story)
Amelie Hofmann (vocals 'Crying Child')
Martin Schnella (guitars, backing vocals)
Uwe Reinholz (guitars)
Robert Brenner (fretless bass)
Kim Spillner (vocals 'Death')
Ronnie Gruber (vocals 'Death')
Larry B. (vocals 'Old Priest')
Steven Powlesland (vocals 'Prayer')
Vocal Ensemble Sjaella (vocals a capella 'Last Hope')
Tracklist |
01:Prologue (A Man And The Book)
02:The Empty Room / The Realization
03:The Crying Child (1st Nail)
04:The Healing Wonder (2nd Nail)
05:The Dividing Water (3rd Nail)
06:The Last Supper (4th Nail)
07:The Eternal Abstinence (5th Nail)
08:The Deadly Crucify (gewidmet Anna Seghers)
09:The Green Door - Looking For The Last Solution
10:Epilogue (A Bird And The Book)
|
|
Externe Links:
|