Man kann es einfach nicht wegdiskutieren, die englische Rockmusik, egal ob softere oder härtere Ausrichtung, hat einen ganz eigenwilligen Charme. Da taucht plötzlich eine Truppe namens Sharp Practise im Veröffentlichungs-Dschungel auf und liefert mal so ganz nebenbei eine (Pop) Rock-Scheibe der qualitativ hochwertigen Art ab, die sich absolut lohnt, entdeckt zu werden.
Sharp Practise kommen aus dem nordenglischen Birmingham, waren zwar schon auch im US-amerikanischen TV zu sehen, konnten bisher aber vor allem in Frankreich und Kanada dicke Erfolge feiern. Und womit? Mit locker-leicht aus dem Ärmel geschüttelten Pop Rock-Perlen, wie sie auch auf ihrem neuen Album "Radiocity" massenhaft vorhanden sind. In einer selbst verfassten Presse-Erklärung geben sich die Briten offen als beinharte Crowded House-Fans zu erkennen, deren musikalischem Vorbild sie offenbar folgen wollen.
Die Bandmitglieder werden nicht müde zu betonen, dass sie im Grunde ihres Herzens eine Rockband sind, jedoch gerne auch Einflüsse aus anderen Richtungen wie Folk, Pop oder Blues verwenden. Dies ist auf "Radiocity" auch problemlos nachvollziehbar, selbst wenn der Blues vielleicht ein bisschen zu kurz kommt. Und auch wenn sich kein offensichtlicher Hit auf dem neuen Werk befindet, dann sind doch alle zehn Stücke sehr eingängig, nachvollziehbar und (großes Plus) groovig ausgefallen.
Dazu kommt, dass "Radiocity" diese Tiefe, ich würde fast schon sagen, diesen 'Soul' hat. Obwohl überraschenderweise der Keyboarder Nigel Clothier alle Songs im Alleingang verfasst hat, steht der Komponist selbst hier eher im Hintergrund und überlässt vielmehr der Gitarre, der Rhythmus-Abteilung und dem Gesang den Vortritt. Ist Nigel Clothier somit ein zweiter Manfred Mann? Sicherlich in dem Punkt, dass er still im Hintergrund die Fäden zieht und sich dann bei der Produktion selbst eher zurückhält. Wie dem auch sei, das Ergebnis ist bodenständig und überzeugend.
Man sollte keinesfalls den Fehler machen, diese Band in die softe Ecke stellen zu wollen, denn richtig rocken können die Engländer durchaus, was sie unter anderem bei dem Track "Bed Of Rhythm" unter Beweis stellen. Wobei wir wieder bei dieser distinktiv-englischen Art angelangt wären, selbst poppigere, eingängigere Musik mit einem kräftigen Hieb an Ungeschliffenheit zu versehen. Folkige Akustik-Gitarren und eine bluesige Harmonika runden das Bild ab.
Der große Vorteil von "Radiocity" ist, dass sich diese Songs nicht nur über die Boxen der heimischen Anlage super anhören, sondern dass man selbst bei den 'gezügelteren' Studio-Aufnahmen schon erahnen kann, dass da später live auf der Bühne ein ganz anderes Tier losgelassen wird. Angepriesen werden die Engländer als progressive Pop Rock-Band. Naja, ich persönlich würde das 'Progressive' zwar rauslassen, aber sicher ist, dass diese Truppe den üblichen, gerade angesagten und sich in den Charts befindlichen Bands jede Menge voraus hat.
Wie sieht also das Fazit aus? Sharp Practise bringen zehn Songs, die sowohl eingängig sind, als auch Tiefe haben. Die gehen ins Ohr, swingen, grooven und rocken sogar zeitweise ganz ordentlich. Eher eine Seltenheit in der heutigen Zeit. Von daher sind 7,5 von 10 RockTimes-Uhren ehrlich verdient. Interessanter, erwachsener Pop Rock, bei dem es vermieden wird den Fehler zu machen, auf den nötigen Kick zu verzichten. Und um nochmal auf die Einleitung zurück zu kommen: Wäre dieses Album in Schweden, Deutschland oder den USA entstanden, wäre es wahrscheinlich wesentlich glatter und damit weitaus weniger interessant geworden.
Line-up:
Dave Bronze (bass)
Nigel Clothier (keyboards)
Ant Kempster (guitars & vocals)
Sarah McCulloch (backing vocals)
Pete Thompson (drums)
Mark Towers (saxophone)
Giles King (harmonica)
Tracklist |
01:Bride Across The Harbour
02:No Thanks
03:Bed Of Rhythm
04:Morgan's Creek
05:How Katie Feels
06:Choice Not Freedom
07:Family Of Nations
08:Paint My Dreams
09:Light Of The Day
10:How Do You Take It?
|
|
Externe Links:
|