RockTimes: Moin und schöne Grüße nach Ulm.
Sodele - Punk aus dem Schwabenland, das ist ja nicht unbedingt etwas, was man so erwartet, kommen die meisten Punkbands doch aus unserer Hauptstadt oder von der Waterkant, sprich Hamburg.
Erklärt mir doch zuerst einmal, wieso ihr euren Musizierstil als Porn'n'Roll bezeichnet. Los raus mit der Sprache.
Oliver: Erstaunlicherweise haben sich das einige Rezensenten gefragt, die Weekend Anarchy in den Händen hielten. Dabei hätte man sich nur die Bandinfo durchlesen müssen und schon hätte man die Erklärung gehabt …( also ehrlich, ich hab das nicht wirklich rauslesen können und ich war da wohl nicht der einzige, gelle - Anm.d.Verf.)
Zugegeben in unseren Anfangstagen hatten wir immer mal wieder das ein oder andere schlüpfrige Thema aufgegriffen und auch bei der CD-Bookletgestaltung griffen wir immer mal wieder in die Schmuddelkiste, aber das würde ich aus heutiger Sicht eher als postpubertäres Gehabe deklarieren. Heutzutage sehe ich das etwas reflektierter. Dem Thema 'Porno' haftet in der Gesellschaft schon immer etwas Verruchtes, Dreckiges und Schmutziges an, und genau so sind wir … uns genügt nicht der Stempel 'Rock'n'Roll' - nein, wir sind 'Porn'n'Roll. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies: SOS sind keine Band von Hobby-Porno-Produzenten sondern eine dreckige, verruchte und schmutzige Punk Rock-Band.
RockTimes: Welche Band bzw. Umstände haben euch dazu gebracht eine Punkband zu gründen?
Fizzi: Sick Of Society wurde nicht als Punk-Band gegründet. Damals haben wir überwiegend Metal + HC gemacht. Beeinflusst war die Musik von Metallica, Slayer, Biohazard usw. Über die Jahre hinweg wurden die Anteile an Punk-Songs immer größer. Die erste Punk-Band, die ich persönlich gut fand, waren Die Abstürzenden Brieftauben. Es war also ein fließender, natürlicher Prozess zum Punk hin.
RockTimes: Und was bringt drei Leute dazu, eine Punk/Hardcore-Band sooo lange am Leben zu halten? Denn ihr seid ja auch nicht mehr die Jüngsten, euch gibt es ja nun schon 16 Jahre und eure Musik ist ja doch eher - sagen wir mal - ein Teil der Jugendkultur.
Fizzi: Oliver und ich sind schon seit unserer Schulzeit beste Freunde, oder Oliver?
Oliver: Wirklich? Ich dachte immer, das wäre nur eine Zweckgemeinschaft, um irgendwann die Weltherrschaft zu übernehmen … (Ich dachte ich spreche mit Oliver und Fizzi und nicht mit Pinky und Brain - Anm.d.Verf.)
Fizzi: Da haben wir auch angefangen gemeinsam Musik zu machen. Steini ist dann nach einigen Besetzungswechseln dazugekommen. Uns drei treibt hauptsächlich der Spaß voran. Der Spaß live zu spielen, Songs zu komponieren und CDs aufzunehmen. Wir sind immer wieder überrascht, wie neue Songs auf CD und live klingen. Bei uns existiert immer noch das Prickeln und die positive Anspannung beim Musikmachen. Und natürlich brauchen wir einen Grund zum Biertrinken!!!
Oiver: ...was eigentlich der Hauptgrund für das lange Existieren ist! Und da Steini kein Bier trinkt, bleibt für Fizzi und mich mehr übrig!
RockTimes: Am meisten fallen einem beim Hören der neuen CD die großen Parallelen zu Bad Religion auf, zumindest was die Gesangsmelodien betrifft. Hat sich das bei euch langsam so ergeben oder war das eine natürliche Entwicklung über die Jahre hinweg?
Fizzi: Ich bin ein großer Fan von Bad Religion. Anfangs (vor 20 Jahren) wollte ich bewusst Songs komponieren, die so klingen wie Bad Religion, aber das hat nicht geklappt. Beim Songwriting für die neue CD "Weekend Anarchy" hatten wir nie das Ziel, wie andere Bands zu klingen. Ich denke, dass so etwas auch nicht funktioniert. Bei den Reviews zur neuen CD wird der Vergleich zu Bad Religion recht oft gezogen, was mich anfangs schon überrascht hat. Mittlerweile freue ich mich sehr darüber und es ist für uns eine Ehre, mit einer der größten Punk-Bands der Welt verglichen zu werden.
RockTimes: Eure Übergänge in der Musik klingen sehr fließend, also von eher ruppig bis zu mal ganz ruhigen Stellen. Das fiel euch mit Sicherheit nicht von Anfang an so leicht, oder? Besonders "Incomplete" mit seinem Bläsereinsatz ist da zu erwähnen.
Oliver: Freut mich, dass Du das so siehst. In der Tat haben wir speziell bei "Weekend Anarchy" sehr lange an den Songs gefeilt, bis jedes einzelne Stück in sich rund war, zumindest aus unserer Perspektive. Das war früher nicht immer so. Da wurde das ein oder andere Mal sicher eher schludrig gearbeitet mit dem Fokus auf das Feierabendbier nach dem Proben. Aus heutiger Sicht, würde ich deshalb einige Songs auf älteren Alben als 'halbfertig' bezeichnen, speziell auf "Sportsmän Sound" und "Porn'N'Roll Forever" gibt's da einige Kandidaten. Aber was soll's, das war eben zu der Zeit unsere Art Songs zu schreiben (und schönzutrinken).
RockTimes: Was wollt ihr uns mit eurem CD-Titel "Weekend Anarchist" sagen? Meint ihr damit solche Gestalten, die die ganze Woche schön brav sind und nur am Wochenende über die Stränge schlagen, oder was?
Oliver: Momentan sind wir noch Wochenend-Anarchisten mit dem erklärten Ziel, so erfolgreich wie möglich zu sein, um die nächste Scheibe dann "Full Time Anarchists" nennen zu können.
Wäre schön, aber wir wollen mal realistisch bleiben. Jeder von uns drei lebt sein 'normales', 'gesellschaftliches' Leben und mit unserer Musik brechen wir aus dem Leben aus und geben uns unserem 'Anarchismus' hin, zumindest am Wochenende (bei Konzerten, Proben, etc.) und auf unseren Mikrokosmos beschränkt - der viel zitierte 'Sturm im Wasserglas' halt.
RockTimes: Wieso hat eigentlich "Alles Scheisse!!!" keinen deutschen Text?
Oder besser gefragt, singt sich Englisch einfach besser? Und passt besser zu eurer Musik?
Fizzi: Bei diesem Song war zuerst der englische Text da. Er handelt von Personen, die alle Fehler nur bei anderen Leuten sehen und niemals bei sich selbst. Das geht dann manchmal so weit, dass diese Menschen meinen, dass alle anderen verrückt wären und nur sie selber gesund - dabei ist es genau anders herum.
Um Deine Frage zu beantworten: Ich habe keinen treffenden englischen Ausdruck für "Alles Scheisse" gefunden, und somit blieb der Titel deutsch.
Oliver: Ich glaube, man sollte die Sache nicht zu tiefgründig angehen. "Alles Scheisse" als Titel für einen englischsprachigen Text stellt einfach ein kleines Verwirrspiel dar. Mehr steckt da nicht dahinter.
RockTimes: Eure Texte sind ja schon durchaus auch gesellschaftskritisch. Glaubt man nach so vielen Jahren noch daran etwas in den Menschen verändern bzw. bewegen zu können? Immerhin sind wir Deutschen ja schon ein sehr träger Haufen.
Fizzi: Ich glaube daran, dass sich jeder Mensch selber verändern und entwickeln kann. Aber das muss von der Person selber ausgehen. Durch meine Texte versuche ich die Menschen ein wenig anzustoßen, sich auch mal selbst zu hinterfragen und ihr Handeln zu reflektieren. Nichts ist schlimmer, als in seiner eigenen eingemauerten Welt zu leben und sich selber nicht mehr wahrzunehmen.
RockTimes: Aber mal ehrlich, soo beschissen geht es uns in unserem Land doch eigentlich doch gar nicht. Das ist doch schon irgendwo Jammern auf sehr hohem Niveau, oder?
Fizzi: Es gibt mehr als genug Spießer und intolerante Menschen in Deutschland. Ganz zu schweigen von dem braunen Pack! Ich bin für eine bunte, tolerante, menschliche Gesellschaft.
Oliver: Fizzi, Du musst schon beantworten, was da steht!
Von meiner Seite aus gebe ich Dir Recht, aber viele Jammerer würden Deine Feststellung sicher etwas anders sehen.
Ich persönlich denke, wenn du wirklich alles nur noch kritisierst, hinterfragst, in Frage stellst und hinter allem und jedem eine Verschwörung vermutest, verlierst du langsam aber sicher den Blick fürs Wesentliche - im Leben auch mal etwas Spaß zu haben! Fizzis textliche Ansätze sehe ich als absolut rechtfertigungswürdig an, aber man sollte das ein oder andere nicht zu verbissen sehen.
Keine Ahnung ob ich damit jetzt auch an der Frage vorbeigeschrammt bin, aber man muss ja schließlich wenigstens einmal was Kluges in einem Interview ablassen!
RockTimes: Bei "War In The Name Of Freedom" kriegt George W. Bush ja ordentlich sein Fett weg. Was glaubt ihr, haben die USA, nachdem der Idiot endlich weg ist und nun Obama an der Macht ist eine reelle Chance, dass sich in ihrem Land und in der Welt etwas verändert?
Fizzi: Ja
Oliver: Ich denke ja. Wir wollen es hoffen - in ein paar Jahren wissen wir mehr. Bitte stell die Frage noch mal zur nächsten Scheibe!
RockTimes: Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass ihr euer ganzes Merchandise und euren kompletten Backkatalog echt saugünstig über eure Homepage anbietet. Da fragt man sich doch, wie ist das nur möglich bzw. es geht einem schon der Hut hoch, dass man woanders das doppelte für ein gleichwertiges Produkt hinblättern muss.
Oliver: Wie das möglich ist? Ganz einfach - wir zahlen drauf. Schon immer war die Musik unser Hobby und wir haben von jeher in die Sache investiert, aber nie was daran verdient - oder macht Papa Huber mit seiner elektrischen Eisenbahn, die er für über 50 000 Euro im Keller stehen hat etwa Kohle?
Logisch gibt es ab und an so etwas wie Gage, Spritgeld und man verkauft hier und da mal ein Shirt oder eine CD, aber letztlich fließt alles wieder in die Band zurück. Hinzu kommt noch ein monatlicher Betrag, den wir aus eigener Kasse beisteuern. Ohne diese extra Finanzspritze würde es die Band in der Form sicher nicht mehr geben.
RockTimes: Gut, dann erzählt doch mal, was es bei euch abseits der Punkmucke noch so für Hobbys bzw. Interessen gibt. Was lesen bzw. sehen denn die Herren Punker gerne? Raus mit den Tipps!
Fizzi: Familie, Biergarten
Oliver: Langsteckenlauf, Angeln, Kochen, im Studio Knöpfe drehen und ARBEITEN, damit man sich diesen Freizeitluxus leisten kann.
Wie Du siehst, kann Fizzi nicht lesen. Ich selbst ziehe mir Musik-, Recording und Angelfachzeitschriften rein. Bücher habe ich früher sehr viel gelesen, aber seit dem Studium komme ich immer weniger dazu, leider. Was der dritte im Bunde gerne macht kann ich Dir sagen: Er liebt sein Auto und uns damit durch die Gegend zu fahren!
RockTimes: So, kommen wir langsam zum Schluss. Wann wird man Sick Of Society mal auf der Bühne bewundern dürfen, sozusagen mal nicht in Ulm, um Ulm und um Ulm herum sondern Deutschlandweit?
Oliver: In Ulm, um Ulm und um Ulm herum haben wir in der Tat schon sehr oft gespielt, deshalb liegt unser Fokus natürlich darauf, auch mal weiter weg zu spielen. Am besten einfach auf unsere Homepage oder bei MySpace schauen. Dort findet Ihr immer aktuell die jeweiligen Konzertdaten. Sollte jemand Interesse haben uns zu buchen, keine falsche Bescheidenheit. Für etwas Verpflegung und Spritkohle sind wir am Start. Wenn noch was extra rausspringt sagen wir natürlich auch nie nein.
RockTimes: Okay, die letzten Worte gehören euch.
Fizzi: Danke für Euer Interesse an unserer Band!
Oliver: Tausend Dank fürs gute Review und das Interview. Jederzeit wieder! Ach ja und zur Weihnachtszeit Augen und Ohren aufsperren, da erscheint eine Live-DVD von uns, von der CD-Release-Party zu "Weekend Anarchy".
RockTimes: Dann möchte ich mich auch im Namen von RockTimes herzlich bei Euch bedanken, dass ihr euch die Zeit genommen habt, uns Rede und Antwort zu stehen für dieses wirklich unterhaltsame und aufschlussreiche Interview.
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