Dass Slime als wichtigste Deutschpunk-Band aller Zeiten gesehen werden kann, ist in meinen Augen eine Tatsache, an der es nichts zu rütteln und schütteln gibt. Und nachdem ich von der Frankfurt-Show im Oktober mächtig begeistert war, fasste ich direkt einen Entschluss: Im Rahmen der alljährlichen RockTimes-Adventklassiker muss euch mit "Alle gegen alle" von 1983 meine Lieblingsscheibe der Hamburger einmal näher gebracht werden!
Warum gerade dieses Album? Das gleichnamige 81er Debüt mit Schlachtrufen wie beispielsweise "Deutschland (muss sterben)", "Bullenschweine" und "A.C.A.B." ist sicherlich kaum weniger bedeutend für die hiesige Szene und auch der Nachfolger "Yankees raus" von '82 hatte beispielsweise mit "Demokratie" und "Legal, illegal, scheißegal" einige legendäre Hymnen am Start. Doch meine Entscheidung ist eher persönlicher Natur: Als ich mit zarten 14 Jahren, die achte Klasse gerade zum zweiten Male am durchpauken, begann, mich verstärkt für (natürlich fast nur altes) Drei-Akkord-Geschrammel zu begeistern, war das Drittwerk "Alle gegen alle" - abgesehen von den alten Toten Hosen-Scheiben - die erste deutschsprachige Punk-Scheibe, die mich so richtig in ihren Bann zog.
Fünfzehn gnadenlos aggressive und hemmungslose, in teilweise halsbrecherischer Geschwindigkeit gezockte Punk-Gassenhauer hauen einem die fünf FC St. Pauli-Fans in weniger als vierzig Minuten um die Ohren, dass der Autorität Hören und Sehen vergeht! Die wunderbar authentische, rumpelige Produktion aus dem Musiclab Studio in Berlin versprüht Unmengen an Rotz und Dreck, wie es in diesem Genre heutzutage leider viel zu selten der Fall ist, weil sich das meiste eh nur noch stumpf wiederholt.
Lyrisch nahmen die Nordmänner kein Blatt vor den Mund: egal, ob gegen rechte Vollspinner ("Nazis raus", eine Coverversion der Beton Combo), scheinheilige Kommunisten ("Linke Spießer"), spießbürgerliche Eltern ("Ich will nicht werden") oder Religionen jeglicher Coleur ("Religion"). Das ist etwas, was ich persönlich an dieser Band so liebe: Auch wenn die Songs jetzt knapp dreißig Jahre auf dem Buckel haben, sind manche Texte so dermaßen zeitgemäß, dass es einem schon fast Angst bereitet! Doch auch mit weniger politisch oder gesellschaftskritisch motivierten Tracks wie "Untergang" und "Störtebeker" stehen auf diesem Album Titel, die heute noch jeder Punk aus dem Effeff mitgrölen kann. Ich würde mittlerweile schon fast so weit gehen und behaupten, dass "Alle gegen alle" das beste und aussagekräftigste, deutschsprachige Album überhaupt ist! Wer es nicht kennt, hat jedenfalls eine große Bildungslücke in Sachen einheimischer Rockmusik!
Abschließend sollte noch etwas zur damaligen, mittlerweile nicht mehr existenten Plattenfirma Modern Music/Aggressive Rockproduktionen gesagt sein: Chef dieser Firma war niemand Geringeres als ein gewisser Karl-Ulrich Walterbach, der wenige Jahre später mit Noise Records (Remember Running Wild, Helloween, Kreator und Co.?) die dicken Erfolge einfuhr...
Line-up:
Dirk 'Dicken' Jora (vocals)
Michael 'Elf' Mayer (guitar)
Christian Mevs (guitar)
Sven 'Eddi' Räther (bass)
Stephan Mahler (drums)
Tracklist |
01:Linke Spießer
02:Störtebeker
03:Untergang
04:Zu kalt
05:Ihr seid schön
06:Religion
07:Nazis raus
08:Sand im Getriebe
09:Alle gegen alle
10:Die letzten
11:Etikette tötet
12:Ich will nicht werden
13:Tod
14:Junge Junge
15:Guter Rat ist teuer
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