Sonny Stitt / Low Flame + Feelin's
Low Flame + Feelin's Spielzeit: 79:42
Medium: CD
Label: American Jazz Classics, 2013 (1962)
Stil: Jazz


Review vom 13.11.2013


Wolfgang Giese
Aus dieser über Inakustik vertriebenen Veröffentlichungsserie hatte ich bereits ein Album des Saxofonisten Sonny Stitt vorgestellt, die Kopplung Rearin' Back + Homage To Ellington. Nun ist nachgelegt worden und zwei weitere Sessions, dieses Mal aus dem Februar und April 1962, sind auf einem Silberling vereint worden: "Low Flame" (#1-8) und "Feelin's" (#9-17). Die in New York eingespielten Stücke bilden gleichzeitig den gesamten Output mit dem Organisten Don Patterson ab. Doch neben dem Organisten und dem Saxofonisten gibt es noch als weiteres Soloinstrument die E-Gitarre, also kein Bass, dessen Funktion durch die Fußtasten von der Orgel übernommen wird.
Mit "Low Flame" startet es stark bluesbetont und nur mit leichtem Tempo schleicht der Song über seine Spielzeit dahin, flankiert von Sax-, Orgel- und Gitarrensoli, allesamt sehr ruhig, getragen und gesittet. Gleichwohl schleicht sich ganz viel Gefühl ein. Solche Musik wird oft in den Topf geworfen, aus dem sich neuzeitliche Strömungen wie der Acid Jazz speisen. Und dieser hier gebotene Soul Jazz bildet sozusagen die Roots. Hammondorgel und Jazz, klar, da wird man unweigerlich erst einmal an Jimmy Smith denken, doch es gab seinerzeit noch mehr, wie eben den hier spielenden Don Patterson. Sein Stil ist ein anderer als jener von Smith. Er wirkt bluesbetonter und oft weniger flüssig als sein Kollege. Sein Spiel orientiert sich aber auch stark am Pianisten Errol Garner, seinem Vorbild, und so verfügt er über einen recht eigenen Sound.
Die gebotene Musik ist weitgehend dezent swingend, wilde Ausbrüche sind nicht zu erwarten, viel Groove und Bluesfeeling bestimmen vorwiegend das Bild. Ganz fantastisch ist die Ballade "Cynthia Sue", mit einem herrlichen Interplay zwischen Gitarre und Saxofon, das ist wie ein Dialog, die Gitarre ist dabei mit reichlich Reverb belegt. So entwickelt sich eine sehr intim wirkende Atmosphäre mit fast schon gemütlicher Stimmung, und wenn dann noch die Orgelklänge nahezu überschäumend anschwellen, dann quillt auch die nächtlich wirkende Atmosphäre über.
Cool und lässig swingend könnte der Titel "Donald Duck" auf seine Art hinsichtlich des Themas als Hintergrund zu einer Zeichentrickserie des Enterichs verwendet werden. Sehr gefühlvoll ist auch der Titel "Close Your Eyes", leicht uptempo und ein wenig nach "Summertime" klingend, und auf "Silly Billy" ist der Drummer Billy James gar nicht albern, sondern treibt die Band vehement an. "Fine And Dandy" ist der längste Titel und geht meines Erachtens am meisten in die Richtung von typischem Hard Bop, noch mit Spuren von Be Bop versehen; das wohl 'hitzigste' Stück der Platte und hier kann auch Stitt dann gut vorwärtspreschen mit starkem Ausdruck.
So, nachdem die Musik gemäß des Albumtitels meistens auf kleiner Flamme gekocht wurde, müsste nun Gefühl ins Spiel kommen. Gefühl, das allerdings die Atmosphäre der ersten acht Stücke bereits ausmachte. Italienisches Feeling eröffnet mit einer interessanten Coverversion von "O Sole Mio". Aber nach dem Titelsong und dem gar nicht gruseligen "Nightmare" stelle ich fest, dass die Musik dieser Aufnahmen hinsichtlich Stimmung und Atmosphäre genau so sind wie bei den übrigen. Stitt bläst mit genau dem klaren Ausdruck, der erneut deutlich macht, dass er seinen eigenen Sound abseits von Charlie Parker gefunden hat. Darüber hinaus kann man ihn bei einigen Titeln auch am Tenorsaxofon genießen.
So finden wir auf dieser Wiederveröffentlichung 'gepflegten' und sehr unterhaltsamen Jazz, der auch bei ansonsten Nichtjazzhörern keine Nervenzusammenbrüche auslösen dürfte. Handwerklich ist die Musik auf hohem Niveau und die Kombination von Saxofon mit Orgel und Gitarre hat einen ganz speziellen Sound hervorgebracht, unter Berücksichtigung der eigenen Stile der jeweiligen Solisten. Interessant hierbei ist auch der Klang des Gitarrenspiels von Weeden. Mit relativ dünnem Sound hört sich die Gitarre manchmal fast eher akustisch als elektrisch an. Flüssige Soli und dichtes Rhythmusspiel zeichnen ihn aus - ein relativ unbekannter Mann, den ich hiermit einmal in den Focus rücken möchte. Nur muss man ihn hinsichtlich seiner Beiträge im Jazz sehr akribisch suchen, schade, dass er so wenig dokumentiert ist. So bin ich froh, hier gleich zwei Platten mit ihm genießen zu dürfen.
Line-up:
Sonny Stitt (alto saxophone, tenor saxophone - #1,2,6,9-13)
Don Patterson (organ)
Paul Weeden (guitar)
Billy James (drums)
Tracklist
01:Low Flame [Feather/Stitt] (4:49)
02:Put Your Little Foot Right Out [Spier] (5:25)
03:Cynthia Sue [Weeden] (6:02)
04:Donald Duck [Patterson] (4:40)
05:Close Your Eyes [Petkere] (3:43)
06:Silly Billy [Stitt] (4:58)
07:Baby, Do You Ever Think Of Me? [Stitt] (2:55)
08:Fine And Dandy [James/Swift] (7:52)
09:O Sole Mio [trad., arr. Stitt] (3:48)
10:Feelin's [Stitt] (3.58)
11:Nightmare [Stitt] (2:21)
12:S'posin' [Razaf/Denniker] (6:23)
13:Look Up [Stitt] (3:14)
14:Goodnight Ladies [trad., arr. Stitt] (3:52)
15:If I Should Lose You [Robin/Rainger] (5:20)
16:Hollerin' The Blues [Stitt] (4:53)
17:Stretch Pants [Stitt] (5:13)
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