Zehn Jahre gibt es sie nun schon, die Jam-Institution aus dem Odenwald: Space Debris. Und zu diesem Jubiläum hat der Kopf und auch das Multitalent der Band Christian Jäger (Artwork, Mixing, Mastering, Vertrieb, Schlagzeug, Gesang) in den verborgenen Archiven gegraben und so einiges an unveröffentlichten Perlen hervorgezaubert. Mit zwei prallvoll gefüllten Silberscheibchen bekommt der Fan von psychedelisch ausufernden Jamsessions hier das volle Brett. Wurde die Scheibe "Archive Volume One" mit genialen Studioaufnahmen aus frühen Tagen (an der Hammondorgel ist hier noch ausnahmslos Tom Kunkel zu hören) auf 78 Minuten Spielzeit aufgefüllt, so kommt die CD "Archive Volume Two" mit Liveaufnahmen von 1998 bis 2010 daher. Wer sich nun wundert ('Hä, zehn Jahre Space Debris...'), ein kleiner Hinweis: Die Bandmitglieder spielten in dieser Besetzung bereits früher in diversen Formationen (als bekannteste sei hier die Deep Purple-Coverband Mandrake Root genannt) und traten 2001 erstmals unter dem Namen Space Debris
auf.
Die Musik von Space Debris ist schwer in die gängigen Genre-Schubladen einzuordnen: Von Kraut-, Space-, Psychedelic Rock, Progressive, Jam- bis hin zu 70er-Hard Rock ist alles vertreten. Alle Stücke sind als Spontankompostionen im Studio oder auf der Bühne entstanden und wurden ohne Overdubs eingespielt, lediglich bei "FreeFlight" wurde ein kurzer Science-Dialog eingeblendet. Scheinbar mühelos wechseln die Jungs vom psychedelischen Jam Rock über Kraut- zum Jazz Rock, ohne dass die Stücke bombastisch progressiv klingen. Die Improvisationen bauen immer wieder eine Spannung auf, sodass zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommt. Space Debris sind für mich so etwas wie der 'Missing Link', der die genannten Musikstile zu einer neuen musikalischen Kunstform zusammenführt und diese gekonnt und exzellent zelebriert.
Allein schon der 30-minütige Longtrack "Journey To The Starglow Restaurant" ist ein monumentales Soundepos, das auch bei mehreren Durchläufen den Hörer immer wieder neue Grooves, Riffs, Soli und ungeahnte Wendungen entdecken lässt. Diesen Song wird man so schnell nicht überdrüssig und er ist allein schon den Kauf der CD wert. Wenn Christian 'Kick it like Bonham' Jäger im einzigen Coversong der Band ("Love Me Two Times") den Jim Morrison abgibt, merkt man sofort den Spirit der späten 60er. Wenn er abwechselnd und scheinbar mühelos einmal den Ian Paice gibt, Bonzo oder auch Cans Jaki Liebezeit am Drumkit kopiert, wenn Tommy Gornys Gitarrensound an Ritchie Blackmores legendäres Riffgewitter erinnert, der Bass das nötige Soundgerüst liefert und dazu noch Tom Kunkels Hammond-Orgel schwer ächzt und stöhnt wie einst bei Jon Lords legendären Liveauftritten mit Deep Purple, dann ist das Gefühl der 70er sofort wieder da.
Aber es kommt auch ein bißchen Wehmut auf, da Kunkel ja bekanntlich nicht mehr im Line-up der Band vertreten ist. Winnie Rimbach Sator ( Karmic Society, Obskuria, Treacle People) ist zwar ebenfalls ein Könner der Tasten, sein Spiel ist jedoch mehr an sphärische Synthesizersounds orientiert, was dem Stil der 'Weltraumtrümmer' aber auch zusätzlich neue Facetten einbringt.
Ich selbst war bereits in der glücklichen Lage, einen der wenigen Space Debris-Auftritte zu sehen, und zwar am 26. Juni 2008 in der Oettinger Villa Darmstadt (einen kurzen optischen und akustischen Eindruck vom Konzert könnt Ihr Euch hier verschaffen). Auch damals war ich von der musikalischen Zeitreise absolut begeistert und diesen Spirit bringen die beiden Silberlinge perfekt rüber. Wären Space Debris bereits in den Sixties auf Tour gewesen, hätten sie locker auf dem Woodstock-Festival 1969 die Massen mit ihrem psychedelischen Sound begeistern und auch so manchen Rockfan in den 70er- und 80er-Jahren die Kinnlade herunterklappen und die großen Namen vergessen lassen können. Anno 2011 sind die sympathischen Odenwälder leider immer noch so etwas wie ein Geheimtipp, aber es liegt an euch, dies zu ändern: CDs kaufen, Kopfhörer aufsetzen und in den ganz persönlichen Trip abdriften - und das ganz legal.
Die beiden Scheiben werden offiziell am 20. Mai 2011 veröffentlicht, über die Bandhomepage könnt ihr sie aber bereits jetzt bei Christian Jäger direkt bestellen. Aber es ist Eile angesagt: Die Auflage ist auf 500 Stück limitiert. Für Vinylfreaks noch ein kurzer Hinweis: Wurden bisher alle CD-Releases auch als Schallplatte veröffentlicht, so sind von diesen Ausgaben diesmal leider keine großformatigen, schwarzen Scheiben geplant. Übrigens, bei dem Song "Who", aufgenommen am 12. September 2009 in Zürich/Schweiz im "Provitreff" sprang ein Fan aus dem Publikum auf die Bühne und sang nicht ganz untalentiert bei der Aufnahme mit. Vielleicht erkennt sich der Betreffende ja wieder und meldet sich einmal bei der Band. Ebenfalls möchte ich euch auch an dieser Stelle den visuellen Mitschnitt Live At Burg Herzberg Festival nahelegen, den Ulli bereits 2007 vorgestellt hat. Antesten lohnt auf jeden Fall, für die Althippies unter euch dürfte das so etwas wie ein hessisches Woodstock-Revival sein.
Line-up:
Tom Kunkel (Hammond organ, synthesizer)
Christian Jäger (drums, percussion, vocals - #5, CD 1)
Tommy Gorny (guitar, percussion, bass - #7, CD 1)
Peter Brettel (bass - # 2, 3, CD 1)
Winnie Rimbach Sator (keyboards - #3-6, CD 2)
Guests:
Uwe Moldryck (bass - #1, CD 2)
Eric Bläß (guitar - #9, CD 2)
Unknown singer (vocals - #3, CD 2)
Tracklist |
Archive Volume One "Journey To The Starglow Restaurant":
01:Journey To The Starglow Restaurant (30:03)
02:Hypnotic Jerks (13:44)
03:FreeFlight (11:49)
04:Bilham (11:51)
05:Love Me Two Times (3:34)
06:Don Quichote (4:04)
07:Space Junk (3:20)
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Archive Volume Two "All Man" (live):
01:The Mandraker [Trebur 1998] (2:15)
02:Whales [Bad Doberan, Zappanale 2007] (13:43)
03:Who [Zürich 2009] (7:55)
04:Go East [Dresden 2010] (14:42)
05:Space Out [Dresden 2010] (5:43)
06:Winipan [Miltenberg 2010] (16:11)
07:Clint [Michelstadt 2005] (7:18)
08:Exterra Dive [Michelstadt 2005] (9:30)
09:Away [2004] (1:06) |
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Externe Links:
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