Wow! Solche Pakete sind selten: Doppel-CD und 3fach-LP; letztere mit schönem Aufklappcover und ja, man hat was in der Hand. Aller Bequemlichkeit und Handhabbarkeit zum Trotz - Vinyl war, ist und wird wohl auch in Zukunft für Musikliebhaber das Medium schlechthin sein. Zumindest ist das so für mich und auch im Bekanntenkreis finden sich mehr oder weniger Großbestände an LPs im Haushalt. Der erwähnten Bequemlichkeit wegen und auch um die Schätzchen zu schonen, dürfen sie allerdings nur zu 'besonderen Gelegenheiten' ihre Runden auf dem Plattenteller drehen. Zwei auf CD enthaltene Bonustracks sind für die reinen LP-Käufer als MP3 downloadbar. Wobei ich denke, dass die Fans der schwarzen Scheiben mit Download und MP3s eher weniger am Hut haben. Darum empfehle ich, neben der Analogausgabe gleich die Doppel-CD mitzuorderen. Man kann dann die kleinen Scheiben über die Woche hören und sonntags gibt es dann die 'Edel-Variante'. Klanglich sind beide Ausgaben über jeden Zweifel erhaben. Beim Umschalten von Marantz (digital) zu Thorens (analog) sind keine Schwächen auszumachen. Allein der Anblick der sich drehenden Langspielplatte sorgt für wohliges Befinden und irgendwie ist die analoge Technik doch die angenehmere. Jedoch ist die Musik Space Debris' nicht unbededingt geeignet, um mit spitzfindigen Ohren auszuloten, wo das berühmte Quentchen 'mehr' nun zu finden bzw. zu hören ist. Da spielt natürlich auch ein Stück persönlicher Vorliebe mit.
Mit dem Monstertrack "Free Spirit" geht die Reise los. Fette Hammond-Sounds, spaciger, krautiger Jam und dank Peter Brettel kommt der Bass stark und gibt dem Werk (so nenne ich das über zwanzigminütige Stück) eine gehörige Portion Dynamik. Psychedelische Spaceorgien wechseln out of the blue in einen äußerst groovigen Latino-Rhythmus. Melodisch und mit unbändigem Groove shuffelt sich die Nummer durch die Minuten und man meint, Carlos spielt sich die Seele aus dem Leib. Adäquat dazu die Percussion, für die Drummer Christian, neben seiner 'Hauptarbeit', per Roto-Tom und Kuhglocke sorgt. Hammerstark.
»Diese Musik ist entstanden wie in der Mondkultur: Durch das freie Zusammenspiel der verschiedenen Kräfte und durch die Nutzung der Magie eines Moments.«
Mond- und Sonnenkultur (Stonehenge) werden im LP-Innenleben dem Interessierten etwas näher gebracht. »...das freie Zusammenspiel der verschiedenen Kräfte...« ist auf die Musiker bzw. die Musik übertragbar, denn innerhalb des Ganzen mit dem Namen Space Debris gibt es die Teilmengen, bezeichnet mit den Namen der Musiker. Jeder spielt in seinem Bereich sein Instrument - solistisch und doch dem Bandkosmos untertan. Im Gruppengefüge am richtigen Platz und doch irgendwie auch losgelöst von den anderen. Was auf "Elephant Moon" mit höchster Präzison und absolut perfekt funktioniert, ist der Wechsel von A nach B. Schön zu hören in "Heliopolis". Aus einem wilden abgefahrenen Jam geht es hinüber zum rhythmisch pumpenden Part des Tracks. Bass und Drums bereiten eine schaukelnde Wiege, in der Saiten und Tasten ihrer spacigen Wege gehen. Nicht genug damit, denn in dem Stück gibt es noch einen dritten Stil, der an alte Progbands der Siebziger erinnert und melodisch brilliert, wie es besser kaum geht.
Mittlerweile hat der Rezensent das Vinyl in der Hülle und lauscht per Kopfhörer am Laptop unterm Sonnensegel und kann so alle Nuancen bis ins kleinste Detail hören, als da wären Synthesizerspielereien, feines Wah Wah-Geschrammel und die herrlichen Basseruptionen. Explodierende Gitarrensoli reißen einen immer wieder in die Realität zurück. Triefende, volle Orgeleinsätze schweben auf einem perkussiven Teppich, jazzige Jams wechseln sich ab mit gänsehhauterzeugenden Hammondpassagen. Hochmelodisch, monumental und mit wildem Getrommel nimmt uns der "Medicine Man" mit auf die Reise, während "Später kommt Peter" als astreiner Krautboogie mit tollem Gitarrenpart zu begeistern weiß. Funkig die Blues Rock-Nummer mit Sven Köthe am Mikro. Hypnotisch treibt "Return Of Voyager" durch den Space und die "Alien Äppler Party" lässt die "Raumschiff Orion"-Dancebar aussehen wie die Altenstube beim Tanztee.
"MoJoMe II" ist Rhythmus pur und schon kommt der Bonusteil des ersten Silberlings, "Awaking". Dieses Stück, welches sich auch auf der Vinyl-Ausgabe der 2005er "Kraut Lok" befindet, ist vom Aufbau her unbedingt in einem Atemzug mit Iron Butterflys "In-A-Gadda-Da-Vida" zu nennen. Schlagzeug und Orgel schaukeln sich hoch bis zum instrumentalen Orgasmus - und zwar ohne Kondom.
Schrieb ich in meiner Review zu Three »...knappe 50 Minuten ist für diese Art Musik aber wirklich unterstes Limit«, so ist das auf "Elephant Moon" Geschichte, denn nach den fast 80 Minuten auf CD 1, wandert nun der zweite Rundling in den Schacht. Manchmal kann es das Leben richtig gut mit einem meinen.
Analog zum Namen des Stückes, geht es musikalisch in den Jazz Rock. Ein leichter Swing liegt in der Luft und man snippt unweigerlich mit den Fingern, obwohl Christian und Tommy in bester Radar Love-Tradition von dannen ziehen. Der jazzige Part bleibt in weiten Teilen der Hammond vorbehalten, wird aber im Verlauf der elf Minuten von der Band aufgenommen. "Space Debris Truckin'" treibt in enormem Tempo durch den Space, die Rhythmus-Abteilung reitet, einer außeriridschen Kavallerie gleich, über Stock und Stein, während Tommy und Tom aus der Deckung heraus ihre Salven ins All bollern. Im zweiten Teil des Songs wird mit psychedelischen 'Waffen' gekämpft.
Psychedelischer Blues Rock ist die wohl passende Beschreibung zu "Black Viking". In dichte, organische Basswolken schneidet die Gitarre immer wieder kleine Löcher, bis aus dem Blues Rock ein Psycho-Jam in Reinkultur wird. Monotones Fellklopfen zu sphärischen Synthie-Klängen und verfremdeter Gitarre. Einundzwanzig kurzweilige Minuten zum Chillen oder zum bewussten Trip durch Zeit und Raum. Abgrundtiefe und verzerrte Saitenpuren links, während die rechte Kopfhörermuschel von Christian bedient wird. Die Gitarre marschiert ein, wie der Gladiator in die Arena. "Gypsy" von Uriah Heep, fährt es mir kurz durch den Kopf, dann übernehmen die Spacerocker wieder. Trotz einiger Heavy Blues-Momente, ist das auch im dritten Longtrack der zweiten Scheibe, "Ur-Whales", so. Das Wechselspiel Rhythmusfraktion vs. Tasten und umgekehrt ist spannend, oder soll ich anstatt 'vs' lieber 'mit' sagen? In dieses Wechselspiel stößt die Gitarre völlig unbeeindruckt und Tommy spielt sein Ding. Wie ich eingangs erwähnte, ist dies ein Beispiel, dass Solieren sich durchaus ins Gefüge einordnen kann. Im "Unknown Song" 'kämpft' er mit Unterstütztung des Wah Wah-Pedals gegen die rollende Orgel. Gewinner bleibt der Hörer. Die beiden Bonustracks würde ich als 'must have' bezeichnen. "Long Ago" ist einer dieser psychedelischen Blues Rock-Jams, die man permanent hören kann. Bass, Gitarre und Orgel wechseln sich in der Führung ab, um schließlich gemeinsam dem Hörer die Glocke zu putzen. Wie voll und schwer klingt doch diese Orgel im Vergleich zu den sonst üblichen Keyboards. "Rockarola": Göttlich. Zeitlupen-Rock'n'Roll und so muss das später im Heim sein, dann können wir RockTimer die Omas wie zu seligen Zeiten über die Schulter werfen. Oder doch besser das junge Pflegepersonal. Schließlich hält Rock'n'Roll jung und wenn er von Space Debris zelebriert wird, hat er auch das gewisse Flair, um von Leuten ohne Backenkoteletten und geölten Haaren konsumiert zu werden.
"Elephant Moon" ist ein starkes Album und macht, ganz im Sinne der Mondkultur, Spaß. Man kann es aufmerksam und bewusst hören, es mit Händen, Füßen und Nackenmuskulatur miterleben, oder einfach unterm Kopfhörer abdriften.
Line-up:
Tommy Gorny (guitar, bass)
Tom Kunkel (organ, synthesizer)
Christian Jäger (drums)
Peter Brettel (bass)
'Magic' Petra Klamert (psychedelic vocals - #8 [CD 1])
Eric Bläss (guitar - #6 [CD 2])
Sven Köthe (vocals - #6 [CD 1])
Tracklist |
CD 1:
01:Free Spirits (21:38)
02:Heliopolis (14:46)
03:Japanese Girl (7:37)
04:Medicine Man (8:01)
05:Später kommt Peter (4:12)
06:Winter (3:27)
07:Return Of Voyager (3:03)
08:Alien Äppler Party (2:52)
09:MoJoMe II (2:02)
Bonustrack:
10:Awaking [complete bird version...] (10:50) |
CD 2:
01:Jazzvibe Explorers (11:03)
02:Space Debris Truckin' (9:18)
03:Black Viking (21:05)
04:Ur-Whales (11:17)
05:Unknown Song (4:40)
Bonustracks:
06:Long Ago (12:45)
07:Rockarola |
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Externe Links:
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