Über unseren Besuch der frühjährlichen Spock's Beard-Octane-Show berichteten wir bereits. Zum in Erinnerung rufen bitte klicken. Nun legt die Truppe um Trommler und Sänger Nick D'Virgilio einen Livemitschnitt der 2005 Tour in die Plattenschränke. Entstanden sind die Aufnahmen während der Konzerte in Aschaffenburg und Karlsruhe. Gebannt in Gestalt einer Doppel CD können sich die Musikfans an ihnen ergötzen und eine ungefähre Ahnung davon bekommen, was Spock's Beard zur Zeit auf der Bühne so alles anstellen. Es ist schon interessant, wie sie sich nach dem Ausstieg des Gottesanbeters Neal Morse von CD zu CD, von Tour zu Tour freischwimmen. "Live in 2005 - Gluttons For Punishment" dokumentiert in eindrucksvoller Weise, wie die Band wieder zu sich findet und auch wieder wächst. Nicht in die gleiche Richtung wie früher, aber genauso stetig und progressiv.

Jedes einzelne Bandmitglied sah sich plötzlich vor einer neuen Herausforderung. Die vermeintlich größte betraf wohl Nick D'Virgilio. Er übernahm den Posten des Frontmans, muss sich nun singend und in voller Größe dem Publikum präsentieren, ohne sich hinter seinen Toms verkrümeln zu können. Seine euphorische Live-Performance lässt sich auch anhand der Aufnahmen erahnen. Er ist mit Spaß dabei. In seinem Timbre schwingt die positive Einstellung mit - zu seiner neuen Rolle, zu der Band und zu einfach Allem.
Auch Ryo Okumoto sah sich plötzlich neuen Aufgaben gegenüber. Schließlich spielte Neal früher doch den einen und anderen durchaus komplizierten Keyboardpart. Dessen Instrument muss Ryo nun mit übernehmen. Live äußert sich das in der konzentrierten Spielweise, mit der Ryo agiert. Natürlich ist er immer noch für einen Gag zuhaben, aber er ist doch schon mehr gefordert. Dass er es kann, ist auf "Gluttons For Punishment" spürbar hörbar. Ob sich der Focus nun auf die klanglich schweren Synthesizer-Parts oder die beschwingteren Keyboardeinsätze richtet - Okumoto-san meistert sie mit Bravour.
"Plekless" Alan Morse hat sich zu einer der wichtigsten Stützen der Band gemausert. Er und sein Gitarrenspiel kommen endlich genügend zur Geltung. Er fabriziert mitunter Sounds, die eine wahre Offenbarung sind. Auch live ist sein Solo in "She Is Everything" ebenso emotional erschütternd wie auf "Octane".

Am wenigsten hat sich wohl für Tiefhertzer Dave Meros geändert. Aber trotzdem ist auch seine Leistung nicht zu unterschätzen. Er gehört zu den Bassern, die durch ihr dynamisches Gezupfe einem Song mehr geben als ein bloßes Rhythmikfundament. Auf den Spuren von legendären Superbassern a la Chris Squire produziert Dave Meros Melodien, Läufe und Finessen songdienlich aber akzentuiert.
Live werden Spock's Beard von Trommelass Jimmy Keegan unterstützt. Leider deutet die reine Audioversion einer Show sein Talent nur an. Ihn bei der Arbeit zu sehen öffnet dem Musikfan erst richtig die Augen. Natürlich ist sein Duell mit Nick in Bits gegossen und jederzeit bei NWC reproduzierbar.

Der Schwerpunkt der Setlist liegt auf dem letzten Studio Album "Octane". Und das ist gut so, denn "Octane" kann wohl getrost als der wirkliche Neuanfang von Spock's Beard bezeichnet werden. Die Band generiert mit diesem Werk ihre neue Identität. Erst als zartes Pflänzchen zwar, aber als eines, dass mit unbändiger Spielfreude gedüngt wird. Allen Skeptikern sei die 2005er Interpretation vom Klassiker "Harms Way" empfohlen. Nick D'Virgilio singt es wirklich meisterlich, Ryo lässt keine Zweifel aufkommen, Alan spielt das sanfte Soli berauschend und Jimmy vollendet seine Metamorphose zum 'Donnerfuß'. Respekt! Auch "Feel Europheria" ist mit zwei Songs vertreten. Den Abschluss der CD bestreitet das frenetisch bejubelte "The Light".

"Gluttons For Punishment" lässt wenig Wünsche offen. Weder von der Performance, noch vom Sound. Der ist, wie es sich für eine anständige Progressive Rock Band gehört, natürlich standesgemäß. Dynamisch aber transparent, druckvoll aber nicht erdrückend. Diese Doppel Live CD macht Freude auf die nächste Spock's Beard-Tour.
Gehet hin und höret zu!