Es ist ja nicht so, als hätte es auf Roepaen noch keine Jazz-Konzerte gegeben. In der Saison 2013/2014 legen die Organisatoren des ehemaligen Klosters eine neue Serie von Sessions auf. Dabei ist die niederländische Band StarkLinnemann immer mit von der Partie. Zu jedem Konzert wird dann sozusagen ein spezieller Gast eingeladen. Am 27. Oktober war es der renommierte Posaunist Ilja Reijngoud. Im November steht die Sängerin Deborah J. Carter mit auf der Bühne und kurz vor Weihnachten begleitet StarkLinnemann Denise Jannah. RockTimes ließ es sich nicht nehmen, beim Auftakt dieser vielversprechenden Live-Session dabei gewesen zu sein. Das Quartett StarkLinnemann widmet sich dem modernen Jazz und als The Chopin Project serviert man die klassische Musik von Frédéric Chopin im Jazz-Outfit. Die Formation tritt ebenfalls in Trio- beziehungsweise Quintett-Line-up auf. Der Niederländer Paul Stark spielt Piano und am Schlagzeug ist der Deutsche Jonas Linnemann aktiv. Das Quartett vervollständigen der Gitarrist Guido Wilbers sowie Vasilis Stafanopoulos am Kontrabass.
Beim ersten Konzert dieser Reihe stand mit dem Posaunisten Ilja Reijngoud eine echt Koryphäe auf der Bühne des van de Loo-Saals. 2003 wurde er mit dem Thelonious Monk Award ausgezeichnet. Dabei ist festzustellen, dass nicht gerade viele europäische Künstler mit diesem Preis bedacht wurden. In der Chronologie findet man unter anderem noch Rob van Bavel (1987/2. Platz), Jorge Rossy (1992/2. Platz), Jacky Terrasson (1993/1. Platz) oder den Gitarristen von Jasper Blom, Jesse van Ruller (1995/1. Platz). Die Künstler-Liste der Zusammenarbeit oder Plattenaufnahmen ist verdammt lang. Dazu gehören zum Beispiel Lester Bowie, Bill Dobbins, Vince Mendoza, Pat Metheny, John Scofield oder Toots Thielemans.
Leider war der Pianist Paul Stark durch einen Krankenhausaufenthalt verhindert. Am Tasteninstrument saß dafür Jacob Bedaux aus s'Hertogenbosch. Für die Dramaturgie des Nachmittags entschied man sich für zwei Sets. Den Anfang machte das speziell für dieses Konzert komponierte Stück "Klapstoelsuite".
Die Nummer hatte eine exponierte Stellung im Auftritt, denn sie war das einzige Lied des ersten Teils, dauerte allerdings auch gefühlte fünfundzwanzig Minuten. In diesem Song hatte jeder Musiker sein Vorstellungssolo und in der mit Duke Ellingtons "Take The A Train" sowie Dave Brubecks "Take Five"-Ausflügen angereicherten musikalischen Reise konnte man mit Begeisterung feststellen, dass alle fünf Musiker Virtuosen vor dem Herrn des Jazz waren. Jacob Bedaux ließ bei seinem Alleingang wohl keine Taste seines Instruments aus und Ilja Reijngoud sorgte mit seiner traumhaft gespielten Posaune auch für lyrisch-ruhige Momente. Vasilis Stefanopoulos zupfte die dicken Kontrabasssaiten zwischen sanftem sowie melancholischem Feeling und auch Guido Wilbers wusste mit schönen Fretboard-Fahrten zu gefallen. In einer entspannten Phase gab es besondere rhythmische Untermalung in Form von Fingerschnippen und Händeklatschen ... vom Schlagzeuger Jonas Linnemann. Zu Beginn seines Solos setzte er dann zunächst einmal nur die Becken ein. Fantastisch! Ja, diese "Klapstoelsuite" war eine Reise, denn schließlich gab es mit Latin-Stimmung und Cowbell-Einsatz noch einen Abstecher in Karibik. Toll!
Es war ein bemerkenswerter Auftakt eines Konzerts, das nach einer relativ kurzen Pause im zweiten Teil ebenfalls unter einem besonderen Schwerpunkt stand, denn in den folgenden über eineinhalb Stunden wurden ausschließlich Songs von Herbie Hancock interpretiert. Den Anfang machte "Maiden Voyage", eine Komposition aus der Mitte der Sechzigerjahre. Guido Wilbers setzte sein Instrument mit einem John Scofield-Flair ein und Ilja Reijngoud differenzierte sein hochklassiges Spiel einerseits mit Akzentuierungen durch verschiedenen Abstände zum Mikrofon und andererseits indem er einige Effektgeräte meisterlich einsetzte. Es folgte "The Eye Of The Hurricane". Ganz dem Songtitel angemessen, wurde das Tempo erhöht und hierbei zeigte sich der Gitarrist als Flinkefinger, der sein fließendes Spiel auch mit aussagekräftigen Licks speiste. Der Mann am Piano servierte dem Publikum ein gigantisch-expressives Solo und der Posaunist pendelte zwischen energetischer Spannung sowie gelassener Entspanntheit. Super! Besonders war dann auch Jonas Linnemanns Schlagzeugsolo, denn er setzte seine Trommeln für ein internes Frage-Antwort-Spiel ein. "Dolphin Dance" entpuppte sich als eine herrliche Ballade mit einem integrierten, wunderschönen Wechsel zum Swing. Jacob Bedaux hatte dafür einen ungemein weichen Pianoklang drauf.
Wenn man schon Lieder von Herbie Hancock spielte, durfte auf keinen Fall "Cantaloupe Island" fehlen. Der Klassiker war in den Händen der Band StarkLinemann sowie Ilja Reijngoud ein vielschichtiger Genuss der Gefühle. Guido Wilbers setzte Wah Wah-Sounds zu rockigen Tönen ein und schwups war man in der Fusion angekommen. Es ging dynamisch zu und brillante Rhythmuswechsel standen im Minutentakt an. Zwischen den Soli führten der Fünfer den Track immer wieder zurück zum groovenden Thema. Klasse! Wie man mit einem Insekt für fantastische Stimmung sorgen konnte, wurde in "Butterfly" deutlich. Der Schmetterling ist manchmal nicht zu beneiden, denn durch eine Windrichtung muss er sich unvorhergesehen irgendwo hintreiben lassen. Beneidenswert war dagegen die ausladende Version der Musikern. Mit einer in den Blues getunkten Nummer wurde ein weiteres Highlight präsentiert, das dieses Konzert beendet. "Driftin'" bildete den Abschluss und Guido Wilbers wechselte in seinem Solo innerhalb von Sekundenbruchteilen und mit einem anderen Gitarrenklang von einer Jazz-Metrik zum Blues. Fantastisch! Das Konzert mit einem Zwölftakter zu beenden, war schon zum mit der Zunge Schnalzen. Aber diese symbolische Handlung galt auch für den gesamten Auftritt. Aus meiner Sicht war dieser Gig ein sehr gelungener Beginn und beste Werbung einer Session-Serie, auf die man unbedingt ein Auge haben muss.
Wir bedanken uns bei Chris Tangelder vom Cultureel Podium Roepaen für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Guido Wilbers (guitar)
Jacob Bedaux (piano)
Vasilis Stefanopoulos (upright bass)
Jonas Linnemann (drums)
Featuring:
Ilja Reijngoud (trombone)
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