StarkLinnemann zum Dritten (zumindest für RockTimes). Das Quartett hatte beim Konzert im Nightclub auf Roepaen den niederländischen Saxofonisten, Komponisten und Produzenten Dick de Graaf als besonderen Gast im Line-up. Der 1954 in Nijkerk geborene Künstler hat eine beeindruckende Vita und während seiner Karriere schon Musik von zum Beispiel Johann Sebastian Bach über Béla Bartók, Franz Schubert bis hin zu Jimi Hendrix bearbeitet. Dick de Graaf lernte zunächst Querflöte und stieg später auf das Saxofon um. 1981 gewann er »The Dutch Jazz Competition« und 1986 erschien sein Debütalbum mit dem Titel "Hot, Hazy And Humid". Weitere Tonträger sind "Adventures" (2009), "Delta Suite" (2010), "Frederico On Broadway" (2012). Dick de Graaf spielt im Clazz Ensemble und aus dieser Gruppierung entstand auch die Formation Dicke Luft. 2013 brachte diese Combo "Carillon" auf den Markt. Zusammengearbeitet hat er bereits mit Chet Baker, Toumani Diabaté, Benny Golson, Tom Harrell, Billy Hart, Misha Mengelberg, Jeremy Monteiro, Erkan Ogur, Jasper van't Hof, und Kenny Wheeler.
Im Dienste der Jazz-Musik ist der Protagonist verdammt viel in der Welt herumgekommen. Unter anderem reiste er nach Mali und aus diesem Aufenthalt resultierte die Platte "Djigui: Les Sofas De Bamako Featuring Dick de Graaf". Auftritte bei angesagten Festivals in den USA, Japan, Afrika, Kanada oder Neu Seeland führten ihn rund um den Globus. Da durfte man wohl schon vor dem Konzert auf etwas Spezielles freuen.
Mit einigen anderen tollen Song-Ausläufern waren speziell die Tracks des 2007 veröffentlichten Dick de Graaf-Albums "Moving Target" die Grundlage des beeindruckenden Konzerts. Mit John Scofields "Do Like Eddie" begann ein extravaganter Exkurs in Sachen Modern Jazz. Dick de Graafs erstes Saxofonsolo war eine Standortbestimmung der mächtigen Art. Auf den schwarzen und weißen Tasten seines Keyboards verpasste Paul Stark dem Funk eine Frischzellenkur und Jonas Linnemann spendierte eine tolle Portion Groove dazu. Höchst interessant und sehr hörenswert waren die Twin-Sounds des Holzblasinstruments und der halbakustischen Gibson von Guido Wilbers.
Der versierte Schlagzeuger pendelte zwischen swingendem Groove, vertrackter Rhythmik und gelungen-perkussiven Elementen als es um eine fantastische Traumreise namens "A Touch Of Bela" ging. Die Wurzeln dieses Stücks befinden sich in Béla Bartóks Klavierschule 'Mikrokosmos'. Der Frontmann servierte herrlich perlende Saxofonläufe und im gesamten Verlauf des Auftritts gab es allseits sehr viel Zeit für Soli und individuelle Ausflüge. Der Schlagzeuger intensivierte sein Trommeln, indem er die Felle ausschließlich mit den Händen bearbeitete und auch noch Latin-Flair zauberte.
Bei "Are You Sure" wurde der musikalische Tellerrand noch um einiges erweitert, denn die Jonas Linnemann-Komposition hatte einen treibenden Beat und man bewegte sich schon in Richtung Fusion. Guido Wilbers Gitarrenspielereien erstreckten sich von anschmiegsam bis furios und Paul Stark hatte als dynamische Untermalung ganz starke Riffs auf Lager.
Zurück zu Liedern, die Dick de Graaf geschrieben hat. Das lyrische "Stolen Dreams", ebenfalls vom Album "Moving Target", öffnete die Türen zur Jazz-Lounge. Vasilis Stefanopoulos' Basssolo verfügte über schwebenden Charme und insgesamt war dieses Stück eine wunderschöne Ballade. Die fünf Musiker waren auf ihren Instrumenten wahre Ästheten und jeder Song war quasi frei von musikalischen Grenzen. Individuelle Spieltechnik und Emotionen verschmolzen zu einer Einheit.
Die kreative Kraft der Fantasie war ein Synonym für innovativen Jazz. Die im Inneren der Seele verankerten Gefühle wurden mit wunderschönen Tönen verknüpft. Mit handgemachter Musik kreierte man kreativen Tiefgang. Trotz der unterschiedlichen Instrumente hatte jeder Akteur seine persönliche Handschrift und Guido Wilbers (vielleicht überraschend) den Blues Rock, als er in "Delta Men" die Fender Stratocaster am Start hatte. Nicht erst im letzten Track des Konzerts bewies er, wie stark seine Wah Wah-Pedal-Aktionen waren.
Als Dick de Graaf seinen Song "Deka Deka" ankündigte, bestand die Möglichkeit, das Tanzbein zu schwingen. Seinem Angebot kam zwar niemand nach, dafür war aber mächtiger Betrieb auf den Saiten, Tasten, Klappen, Becken und Fellen. Jonas Linnemann war mit einem raffinierten Solo zur Stelle. "Cascade" hatte die Initialen von eingängiger Melodie und virtuosem Saxofonspiel beim Publikum hinterlassen. Ein solches Lied kommt definitiv auch ohne Worte aus, um eine Geschichte zu erzählen. Highlight!
Bei "Climte Change" hatte der Funk die Spendierhosen an. Trotz des nachdenklichen Songtitels wurde hier Eis zum Schmelzen gebracht und die Improvisation abermals groß geschrieben. Dick de Graaf brachte das Sopransaxofon in Position als es um "Why Birds Always Sing" ging. Ob balladesk oder Uptempo, der Musiker verfügte einerseits über die Virtuosität eines expressiven Malers vor einer großflächigen Leinwand oder hatte andererseits in den Balladen die streichelnde Hand eines verliebten Menschen. Nach einer solchen Demonstration des Modern Jazz gingen alle Zuschauer zufrieden heim.
Wir bedanken uns bei Chris Tangelder vom Cultureel Podium Roepaen für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Paul Stark (keyboards, piano)
Guido Wilbers (electric guitars)
Vasilis Stefanopoulos (upright bass)
Jonas Linnemann (drums, percussion)
Featuring:
Dick de Graaf (saxophones)
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