StarkLinnemann / Transcending Chopin
Transcending Chopin Spielzeit: 56:14
Medium: CD
Label: A StarkLinnemann Production, 2015
Stil: Modern Jazz


Review vom 03.01.2016


Joachim 'Joe' Brookes
Man muss kein Klassik-Insider sein, um Kompositionen wie "Polonaise Opus 53" oder "Nocturne Opus 27" von Frédéric Chopin (1810-1849) zu kennen. Was Stark Linnemann für "Transcending Chopin" aus den Vorlagen gemacht hat, dürfte vielleicht nicht nur Jazz-affine Fans interessieren.
Pianist Paul Stark und Schlagzeuger Jonas Linnemann haben zusammen mit dem Bassisten Vasilis Stefanopoulos einen waghalsigen Weg beschritten und sind eben, wie der Albumtitel es schon ausdrückt, einen, oder sogar mehrere Schritte weitergegangen und transferierten die Stücke als eine Art Wiedergeburt in Richtung Modern Jazz.
Wo die "Polonaise Opus 53" bei StarkLinnemann getanzt wird, macht das Trio quasi schon in den ersten Takten ihrer Bearbeitung deutlich. Vom polnischen Ursprung dieses Tanzes geht es über den großen Teich nach Südamerika. Jonas Linnemann ist mit deutlich brasilianisch-perkussiven Rhythmen auf seinem Schlagzeug unterwegs. Lateinamerika als musikalisches Zentrum von tanzenden Tönen, die sich quasi nicht auf die fünf Notenlinien eingrenzen lassen. Virtuos setzt Paul Stark seine Fantasien auf den schwarzen und weißen Tasten um. Er schafft Momente der Extrovertiertheit und kreativer Einkehr.
Dann stellt sich der Kontrabassist Vasilis Stefanopoulos vor. Er bringt die besonders dicken Saiten seines Arbeitsgeräts mit dem Bogen zum Swingen. In den Händen des Trios bekommt "Polonaise Opus 53" eine wunderschön-schwebende Leichtigkeit. Geradezu brillant sind die musikalischen Brücken, die wieder zum so wohlbekannten Thema des Stücks zurückführen und wenn man meint, die Ideen von Paul Stark, Jonas Linnemann sowie Vasilis Stefanopoulos seien am Ende angekommen, geht deren Chopin-Philosophie einfach noch weiter. Das Piano äußert sich in Klangkaskaden einer Großstadt, die zu gewissen Zeiten des Tages auch den Blues hat.
Mit etwas experimentellen Sounds beginnt "Nocturne Opus 27". Aus elfengleichen Nebenschwaden erscheint das Piano auf der Bildfläche und zu einigen Percussion-Klängen bewegt man sich in relativ kleinen Schritten mit phasenweise mystischer Stimmung auf die bekannten Tonfolgen des Stücks zu. Mit seinen Jazzbesen setzt Jonas Linnemann dezente bis akzentuierte Ausrufezeichen zu einer von Paul Stark besonders gekonnt intonierten Atmosphäre aus Dur und Moll.
Beeindruckend, wie man die Brücke zwischen Klassik und Moderne unglaublich kurz gestaltet. Unterschiedliche Epochen bilden unter dem Dach von StarkLinnemann eine Einheit der Wohlklänge.
"Mazurka Opus 7" zelebriert die Leichtigkeit des Modern Jazz-Groove. Perlende Pianoklänge werden immer wieder von treibenden Vasilis Stefanopoulos-Basslinien durchquert und dieses Stück darf man durchaus als Spielwiese des Tieftonzupfers deklarieren. Die zunehmende Dynamik ist ein Markenzeichen dieser neu komponierten Nummer. Noch ist "Transcending Chopin" nicht am Ende angekommen, aber man hat hier schon das Bestreben mit einer Standing Ovation Danke zu sagen.
Ach, wie schön! Dann sind da noch die über dreiundzwanzig Minuten "Ballade Opus 23". Wie in einem Animationsfilm nimmt StarkLinnemann den Hörer an die Hand und führt ihn durch eine zart-durchlässige Membran ins Seelenleben einer verträumten Welt voll von pastell-schillernden Farben. Getragen vom gestrichenen sowie gezupften Kontrabass erlebt man höchst abwechslungsreiche Bereiche von unter die Haut gehendem Einfallsreichtum mit einigen Überraschungsmomenten.
"Transcending Chopin" ist eine symbiotische Vernetzung zweier vermeintlich getrennt-musikalischer Welten, deren Grenzen das Trio StarkLinnemann auflöst und in bemerkenswerten Einklang zurückführt. Die Frédéric Chopin-Kompositionen regen die kreativen Synapsen der Künstler zu einer neuen Sichtweise der Stücke an. Sowohl Klassik- als auch Modern Jazz-Fans applaudieren lautstark, wenn die letzten Töne der "Ballade Opus 23"-Reihe verklungen sind.
Line-up:
Paul Stark (piano)
Vasilis Stefanopoulos (acoustic bass)
Jonas Linnemann (drums)
Tracklist
01:Polonaise Opus 53 (13:54)
02:Nocturne Opus 27 (10:59)
03:Mazurka Opus 7 (8:00)
04-06:Ballade Opus 23 (23:23)
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