Steelheart / Still Hard
Still Hard Spielzeit: 98:00 (DVD 1), 124:00 (DVD 2)
Medium: DVD
Technik:
Bild: 4:3 NTSC Region-Code: 0
Ton: Dolby Digital 2.0
Sprache: Englisch
Untertitel: Englisch
Label: Steelheart Records, 2008 (2006)
Stil: Hard Rock, Hair Metal


Review vom 26.09.2008


Moritz Alves
Fans des 1980er-Hardrocks im Allgemeinen und Steelheart-Fans im Speziellen sind ab sofort dazu verpflichtet, in unkontrollierten Freudentaumel zu verfallen. Denn das, was hier unter dem treffenden Namen "Still Hard" präsentiert wird, ist nichts anderes als die ultimative Vollbedienung in Sachen Steelheart bzw. Miljenko Matijevic! Passend zum derzeitigen zweiten Frühling des Amerikaners erinnert uns das Goldkehlchen an jene schöne Zeit Anfang der 1990er Jahre, als seine Band weltweiten Ruhm erlangte.
Die zwei mir vorliegenden Silberscheiben sind zum Bersten gefüllt mit Stahlherz-relevantem Filmmaterial, so dass man insgesamt stolze 222 Minuten Spielzeit bieten kann! Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf zwei Konzertmitschnitten aus den Jahren 1990 und 1991, darüber hinaus gibt es alle Musikvideos zu sehen sowie ausgewählte Unplugged-Nummern und einen ganzen Batzen Extras. Mehr als Superlative fallen mir dazu nicht ein, denn der geneigte Rocker kommt voll und ganz auf seine Kosten!
Aber schauen wir uns das Ganze doch mal im Detail an: DVD 1 beginnt mit einem professionell gefilmten Japan-Gig, der 1990 in Osaka gespielt wurde. Gemessen an heutiger Technik haut einen natürlich weder Bild noch Ton sonderlich vom Hocker, was aber keineswegs bedeutet, dass man hiermit schlechtes Material vorliegen hätte - wie gesagt, der Mitschnitt ist professionell, nur eben 18 Jahre alt und heutigen Verhältnissen somit nicht entsprechend. Das betrifft übrigens auch die Schnitte, die erfreulicherweise schön moderat daher kommen. Rasend schnelle Bildwechsel, wie man sie von heutigen DVDs kennt, sucht man hier zum Glück vergeblich. Auch die Kameraführung ist recht ausgewogen, heftet sich also nicht nur an den energetischen Front-Derwisch, sondern setzt auch die anderen Musiker (davon hauptsächlich Schlagwerker John Fowler und Lead-Gitarrist Chris Risola) bestens in Szene.
Steelheart liefern eine überaus gute, treibende, kraftvolle Rockshow ab und kommen unglaublich authentisch rüber. Besonders auffällig ist dabei, dass Miljenko Matijevic seine ungeheuer hohen Gesangslinien auch in der Live-Situation nahezu spielerisch rüberbringt - der Mann singt einfach wie ein junger Gott und versteht es, auf der Bühne quasi genau so zu klingen wie auf Platte. Die abwechslungsreiche Setlist besteht erwartungsgemäß aus Songs des gleichnamigen Debüts (1991), ergänzt um das Stück "Girl Gone Crazy". Es gibt somit erdige Groove-Monster wie "Gimme Gimme" und "Can't Stop Me Lovin' You" zu hören, aber auch treibend-harte Rocker der Marke "Like Never Before" oder "Rock N' Roll (I Just Wanna)".
Abgerundet wird das Ganze von dem Halbballaden-Überhit "I'll Never Let You Go", den Matijevic auf der akustischen Gitarre begleitet und bei dem er seine Sangeskünste ganz besonders gut in Szene setzen kann. Nach "Can't Stop Me Lovin' You" geht es dann nahtlos in ein furioses Drum-Solo über, das den vollen, wuchtigen, ausgewogen abgemischten Trommelsound sehr schön darstellt. Das anschließende Gitarren-Solo kann dagegen leider nicht ganz so überzeugen, da es durch häufigen, uninspirierten Tapping-Einsatz keine echten Höhepunkte offenbart. Mit "Rock N' Roll (I Just Wanna)" wird aber schließlich eine furiose Show beendet, bei der Steelheart trotz zurückhaltendem japanischen Publikum sprühende Energie auf der Bühne verbreiten.
An dieser Stelle ist es interessant zu sehen, wie der auf DVD 2 enthaltene Bootleg-Mitschnitt im direkten Vergleich ausfällt. Los geht es mit sehr coolen Einblicken hinter die Kulissen: Die Band fährt stilgerecht in einer Stretchlimousine vor, schreibt Autogramme, die Gitarristen machen Fingerübungen. Da der Auftritt in einem kleinen Club in New Haven, Connecticut gefilmt worden ist, handelt es sich hierbei um ein Heimspiel für Steelheart (die Band stammt aus Norwalk, Connecticut). Entsprechend werden die Musiker gefeiert, entsprechend ist die Stimmung und Energie im Publikum, was sich mühelos in die heimischen vier Wände übertragen lässt. In Sachen Atmosphäre liegt der Toad's Place-Mitschnitt also schon mal vorne.
Dass der Sound insgesamt einen Tick schlechter ausfällt als beim Osaka-Konzert, liegt in der Natur der Sache, das Bild ist aber grundsätzlich gleichwertig. Unterm Strich bekommt man für ein Bootleg der damaligen Zeit sehr ordentliche Qualität geboten, so dass sich der Mitschnitt aus dem Toad's Place nicht hinter seinem 'großen Bruder' von DVD 1 zu verstecken braucht. Positiv anzumerken ist außerdem, dass es kaum Songüberschneidungen zwischen beiden Auftritten gibt: Einzig "Like Never Before" und (natürlich) "I'll Never Let You Go" werden beide Male zum Besten gegeben.
Besonders der "Instrumental Jam" ist beim Connecticut-Heimspiel ein dicker Pluspunkt. Nach einem ultralässigen Bass-Solo übernehmen die Gitarristen das Feld und überzeugen mit einem wesentlich besseren Solo als beim Japan-Gig. Sehr cool ist in dem Zusammenhang auch, dass sich hier Chris Risola und Frank Di Costanzo die Arbeit teilen, während in Osaka nur Risola über das Griffbrett schrubben durfte. Dann steht ganz plötzlich wieder Miljenko Matijevic auf der Bühne: Mit Cowboy-Hut und Sonnenbrille bekleidet und Zigarre rauchend, schüttet er sich aus einer riesigen Pulle Tequila in den Hals, bevor seine Jungs etwas abbekommen. Nachdem dann auch die ersten Publikumsreihen noch geduscht worden sind, grooven sich Steelheart in die dazu passende Rock-Nummer "Sheila" (»Sheila likes tequila« heißt es schließlich so passend im Text) ein, bei der es gar ein Bottleneck-Solo zu bewundern gibt. Dieser Song ist vielleicht das heimliche Highlight des New-Haven-Mitschnitts, der aber generell durch eine super Performance besticht und durch ein minutenlang hinausgezögertes Ende von "Down N' Dirty" mehr als amtlich beendet wird.
Im direkten Vergleich nehmen sich die beiden Konzerte also nicht viel. Unterm Strich sagt mir aber der Bootleg-Gig einen Tick mehr zu, da er durch starke Songs wie "Everybody Loves Eileen", "Sheila" und "She's Gone" sowie durch die intime Atmosphäre besonders punkten kann. Da nehme ich gern den leicht minderwertigen Sound in Kauf.
Doch die "Still Hard"-DVD hat noch weitaus mehr zu bieten als die zwei Live-Mitschnitte, womit wir jetzt wieder zum ersten Silberling zurückkehren. Denn dieser wartet noch mit sechs Musikvideos sowie fünf Live-Unplugged-Versionen auf. Zu den Videos ist nur soviel zu sagen, dass man (bis auf das nachdenkliche "Wait") immer die Band beim Rocken zu sehen bekommt. Großartige Video-Konzepte vermisst man hier. Die akustischen Versionen dagegen zeigen, dass Songs wie "She's Gone" oder "Mama Don't You Cry" gerade in diesem intimen Rahmen eine ganz besondere Magie entfalten. Nur von Klavier und akustischer Gitarre begleitet, kann so die Seele des Materials entdeckt werden und dessen Klasse in einem gänzlich anderen Licht bewundert werden. "She's Gone", "Sheila" und "Mama Don't You Cry" stammen übrigens aus Hong Kong, 1993, während "Electric Chair" und "Shangrila" in Yokohama, 1996, aufgenommen wurden.
DVD 2 wartet mit einem großzügig geschnürten Extras-Paket auf, das leider ohne 'Play All'-Funktion ausgestattet ist. Somit müssen die teilweise kurzen Beiträge einzeln angewählt werden, was auf Dauer etwas nervig ist. Als Gegenwert gibt es jedoch ordentlich was auf Augen und Ohren, so dass dieser kleine Schönheitsfehler zu verschmerzen ist. Zuerst dürfen die Über-Balladen "I'll Never Let You Go" und "She's Gone" bewundert werden, die live im Fernsehen präsentiert werden. Die Band ist hierbei recht reserviert, die Kamera natürlich total auf den Frontmann fixiert, dennoch macht es Spaß, gedanklich in die Steelheart-Hochphase Anfang der 1990er zurückversetzt zu werden.
Des weiteren gibt es zwei 'Making-Of' zu sehen, von denen das zweite, welches sich dem Entstehungsprozess des Zweitwerks "Tangled In Reins" (1992) widmet, wesentlich interessanter anzuschauen ist. Denn während "The Makin' Of "Everybody Loves Eileen"" eher aus wackligen Camcorder-Aufnahmen besteht und größtenteils einfach die Band auf der Bühne zeigt, bekommt man bei "The Makin' Of "Tangled In Reins"" schöne Einblicke in die Studioarbeit und kann sich außerdem in die gute Bandchemie hineinversetzen. Leider gibt es bei beiden 'Making-Of' keinerlei Untertitel.
Das ist glücklicherweise bei den drei enthaltenen Interviews anders, denn dort sind Subtitles in englischer Sprache anwählbar. Sehr schön finde ich, dass es hier drei Interviews aus verschiedenen Zeitpunkten der Karriere Steelhearts zu sehen gibt, nämlich aus den Jahren 1990, 1991 und 1992. Während Miljenko Matijevic und James Ward in London Rede und Antwort stehen, kommt in New Haven die gesamte Band zu Wort, und in Hollywood schließlich hat man den Sänger allein vor der Kamera. Dass die Fragen nicht sonderlich in die Tiefe gehen und eher allgemein gehalten sind ist klar, da es sich um amerikanische Fernseh-Interviews handelt. Schön zu sehen ist allerdings, dass die Chemie bei Steelheart 1991 hundertprozentig stimmt. Die Jungs blödeln herum, sind entspannt und gut gelaunt bei der Sache. Da kommt Freude auf!
Abgerundet werden die Extras schließlich von einem leicht abgewandelten Video zu "She's Gone" (das meiner Meinung nach etwas besser als das Original ist), einer umfangreichen Foto-Gallerie, aber auch einem Live-Mitschnitt des unveröffentlichten Songs "No Mercy" aus den Anfangstagen der Band, als noch unter dem Namen Red Alert die Bühnen beackert wurden (das unglaubliche Potenzial der jungen Band ist schon 1983 zu sehen!). Tragischer 'Höhepunkt' ist letztendlich allerdings die kurze Aufnahme "The Accident in Denver", der das jähe Ende der alten Steelheart einläuten sollte: Bei einem Konzert in Denver, Colorado, kletterte Miljenko Matijevic während des Songs "Dancing In The Fire" auf eine unzureichend gesicherte, 1000 Pfund schwere Lichttraverse, die daraufhin auf ihn stürzte. Er überlebte schwerverletzt und die alte Band war damit Geschichte.
1996 erschien die CD "Wait" (dessen gefühlvoller, nachdenklicher Titelsong bei den Videos vertreten ist), die nur in Asien veröffentlicht wurde und dort sehr erfolgreich war. Sie wurde mit einer komplett neuen Band eingespielt. Einige Jahre später bekam Matijevic dann das Angebot, die Gesangsparts für den Film "Rock Star" zu übernehmen. Für den 2001 erschienenen Streifen sang er acht Lieder ein und wurde somit zur Stimme Mark Wahlbergs. Unter anderem ist der Steelheart-Song "We All Die Young" (vom Album "Wait") im Film zu hören. Dieses Jahr gibt es dann endlich ein neues Steelheart-Album, das auf den plakativen Titel "Good 2B Alive" hören wird und Ende Oktober in den Läden steht.
Fazit: Der Titel dieses DVD-Rundumschlags lautet zwar "Still Hard", vorne auf dem Cover springt einem jedoch in großen Lettern "Steelheart DVD" ins Auge. Und ich finde, einfacher und treffender kann man dieses dicke Paket kaum umschreiben. Es ist die verdammte Steelheart-DVD, nichts anderes! Einfach 100 Prozent Steelheart, die absolute Vollbedienung von der ersten bis zur letzten Sekunde an! Wer bislang noch nichts mit der Band zu tun hatte, der bekommt hier gleich alles auf einmal und kann sich in die letzte, große Zeit des Hardrocks (Anfang der 1990er) zurückversetzen, als große, emotionale Songs noch etwas zählten, wo Debüt-Alben noch Platin-Status erhielten. Steelheart-Anhängern wird diese Doppel-DVD jedenfalls die Tränen in die Augen treiben, soviel ist sicher. Generell sollten aber alle Freunde des typischen 1980er-Hardrocks die Ohren spitzen. Gerade Fans von Skid Row und Sebastian Bach können bedenkenlos zugreifen. Wer allerdings mit sirenenartigem Gesang nichts anfangen kann, der sollte einen Bogen um Steelheart machen.
Rechtzeitig, bevor es bei Steelheart mit "Good 2B Alive" weitergeht, erinnert "Still Hard" an die alte Bandbesetzung und an die Hochphase von Miljenko Matijevics Karriere. Nostalgiker kommen hier voll auf ihre Kosten, das ist echter, purer Hardrock, nichts anderes! Das Medium DVD wird hier erfreulicherweise voll ausgeschöpft. Bitte abgreifen, das Teil!
Line-up:
Miljenko Matijevic (vocals & acoustic guitar)
Chris Risola (lead guitar)
James Ward (bass, keyboards)
John Fowler (drums)
Frank Di Costanzo (rhythm guitar)
Tracklist
DVD 1
Japan Tour '90:

01:Love Ain't Easy
02:Like Never Before
03:Gimme Gimme
04:Girl Gone Crazy
05:I'll Never Let You Go
06:Can't Stop Me Lovin' You
07:Drum/Guitar Solo
08:Rock N' Roll (I Just Wanna)
Videos:
01:I'll Never Let You Go
02:Can't Stop Me Lovin' You
03:She's Gone
04:Everybody Loves Eileen
05:Sticky Side Up
06:Wait
Acoustic Shows:
01:She's Gone
02:Sheila
03:Mama Don't You Cry
04:Electric Chair
05:Shangrila
DVD 2
Bootleg Concert: Toad's Place '91:

01:Backstage
02:Like Never Before
03:Everybody Loves Eileen
04:Instrumental Jam
05:Sheila
06:I'll Never Let You Go
07:She's Gone
08:Down N' Dirty
Extras:
01:I'll Never Let You Go (TV Appearance)
02:She's Gone (TV Appearance)
03:The Makin' Of "Everybody Loves Eileen"
04:She's Gone (Alternate Version)
05:Before Steelheart There Was "Red Alert"
06:Photo Gallery
07:Interview in London '90
08:Interview in New Haven '91
09:Interview in Hollywood '92
10:The Makin' Of "Tangled In Reins"
11:Soundcheck
12:The Accident in Denver
Credits
Externe Links: