Subsignal / Paraíso
Paraíso Spielzeit: 53:10
Medium: CD
Label: GoldenCore/ZYX, 2013
Stil: Prog Metal

Review vom 11.10.2013


Boris Theobald
'Jesses, was für ein aufregendes Artwork!'
Das war mein erster Gedanke, der mit dem dritten Subsignal-Album " Paraíso" zu tun hatte. Im Progressive-Genre ist das viel wert; da kommt es auch aufs Gesamtpaket an.
'Jesses, was für ein klasse Titelsong!'
Das war mein Gedanke, der sich dann 4:44 Minuten lang beim ersten Hören des Songs "Paraíso" verfestigte.
Ein verstörendes Clean-Gitarren-Geflecht, dann ein düsteres Heavy-Riff ... wuchtig und straight, und doch schleicht sich nach drei Viervierteltakten ein Dreier ein - gerade so ungerade, um rhythmisch eine gewisse Spannung auszustrahlen. Die Strophe verbindet messerscharfe Riffs mit Arno Menses' einzigartiger, samtzarter Stimme. Oktavsprünge nach oben werden zum erwarteten Erlebnis. Der Refrain: kraftvoll, atmosphärisch, ätherisch - elegenate Vocal Lines und dazu ein Mix aus elektrischer und akustischer Gitarre. Ein Ohrwurm mit dem gewissen Etwas. Gern hört man hier und da Einflüsse von Rush und Fates Warning durchschimmern - aber das Produkt ist Subsignal deluxe, ganz klar.
Wenn dieses Niveau gehalten werden kann, wird "Paraíso" (auf dem Danilo Batdorf den Drumhocker des mit Powerwolf ausgelasteten Roel van Helden übernommen hat) vielleicht zum großen Wurf. Zunächst schaut es sehr gut aus. War der Titeltrack als Edel-Ohrwurm angelegt, ergründet "A New Reliance" nun größere Tiefen. Drives von Gitarre und Keyboards lösen einander ab - allesamt mitreißend. Extravagante Melodiebögen führen schließlich zu einem Trance-artig intensiven, Schlag für Schlag pulsierenden Chorus. Die Nummer fesselt vordergründig, während Gitarrist Markus Steffen 'im Hintergrund' (aber was ist das schon? Natürlich gehört alles zusammen ...) mit Reggae-Einflüssen spielt. Erneut lässt sich hier eine gewisse Nähe zu Rush-Vordenker Alex Lifeson hineininterpretieren, ohne dass man jedoch etwas abkupfert. Der B-Part ist erfrischend - von lyrisch bis dramatisch und, wie so oft bei Subsignal, eine große Arno Menses-Show. Expressiv und einfühlsam; der Mann ist eine Wucht.
Im weiteren Verlauf macht es die Band dem Hörer etwas schwer. Zu oft entsteht der Eindruck, dass es softer zugeht als auf dem Vorgängeralbum Touchstones, dass hier und da ein Schuss Heaviness gut getan hätte. Manchmal ist es tatsächlich das überbordende Melodieangebot, was fast über die Anwesenheit verzerrter Gitarren hinwegzutäuschen in der Lage ist. Es empfiehlt sich unbedingt, diese Nummern unterm Kopfhörer zu erforschen - bitte! Alles andere wären vertane Chancen. "A Heartbeat Away" entwickelt sich Stück für Stück aus einer hinreißenden Studie aus Akustikgitarre, Piano-Synthies und Bass heraus. Beinahe droht es nach verheißungsvollem Beginn zu seicht zu werden. Doch im Chorus schleichen sich langgestreckte, sekundenlang 'am Boden liegende' E-Gitarrenakkorde hinzu. Sie machen die Nummer nicht wirklich heavier, sondern wirken eher atmosphärisch und erzeugen eine unterschwellige Schwere. Das Ergebnis ist eine interessante Mixtur aus Zerbrechlichkeit und stoischer Bannkraft. Gegensätze miteinander zu etwas Neuem vereinen - das ist eine der großen Stärken dieser Band.
"The Stillness Beneath The Snow" funktioniert ähnlich - die verzerrten Gitarren tauchen dezent dosiert auf - umso wichtiger ist es, dass alles passt, und das tut es. Mysteriös und ein wenig mystisch arpeggiert sich die Clean Gitarre mit harmonisch zauberhaft verklärter Melodie in den Gehörgang. Dieses Thema erstreckt sich gleich über mehrere Takte. Subsignal pressen ihre musikalische Aussage nicht in ein Korsett, sondern lassen ihr Platz, um sich zu entfalten. Solch lange Melodiespannen der Hookline waren auch schon die Stärke der Kult-Vorgängerband
Sieges Even, man erinnere sich nur an arpeggierte Harmonie-Mosaike von Songs wie "The Lonely Views Of Condors".
Auch bei "The Colossus That Bestrode The World" funktioniert das Prinzip, lyrische Melodien mit punktuellen, dafür umso eindringlicheren Passagen düsterer Metalgitarren zu kombinieren. Das (erstaunlich intuitive) atmosphärische Umschalten bietet auch viele Gelegenheiten für unaufdringliche rhythmische Spielereien. Schade ist es bloß, dass sich auf "Paraíso" ein paar Stücke eingeschlichen haben, die weniger facettenreich sind und allzu soft am anspruchsvollen Prog-Ohr vorbeiziehen. "A Long Way Since The Earth Crashed" zeichnet sich zwar durch ein schönes Crescendo aus, ist aber insgesamt zu poppig-seicht. Bei "The Blueprint Of A Winter" hat man zwar mit Marcela Bovio (Ayreon, Stream Of Passion) eine prominente Gastsängerin an Bord. Leider wurde aus dem Song aber eine recht eindimensionale Art Musical-Powerballade - hübsch, aber kitschig. Stücke wie "The Size Of Light On Earth" auf "Touchstones" zeigen, wie es ganz sanft ganz unschmalzig geht.
Einzig beim Schlusstrack "Swimming Home" halte ich die recht ausgedehnten balladenhaften Passagen wieder für angemessen. Der wehmütige Ausklang steht dem Album gut; und der instrumentale Mittelteil wird mit einer Erhöhung von Dramatik und Schwerkraft der - womöglich aus subjektiver Sicht des Schreibers - optimalen Balance aus fragiler Zartheit und Prog-metallischer Düsternis wieder eher gerecht. Am Ende steht ein starkes Album, an dem sich trotz seiner Schwächen nur auf hohem Niveau Kritik üben lässt. An das famose "Touchstones" reicht es nicht heran. Für Markus Steffen selbst ist Album Nummer drei übrigens »das perfekte fehlende Bindeglied zwischen unseren ersten beiden Alben.« Das trifft es ganz gut - und aus dieser Aussage lassen sich auch die Stärken sowie die Zwickmühle dieser Platte herauslesen. "Paraíso" ist erneut ein Musterbeispiel für all die Markenzeichen der Band. Doch für einen neuen Klassiker fehlt ein Schritt nach vorn, gibt es schon beinahe zu viele stilistische Selbstzitate.
Line-up:
Markus Steffen (guitars)
Arno Menses (vocals)
Ralf Schwager (bass)
David Bertok (keyboards)
Danilo Batdorf (drums)

Guest musician:
Marcela Bovio (vocals - #8)
Tracklist
01:Time And Again (1:13)
02:Paraíso (4:44)
03:A New Reliance (5:51)
04:A Heartbeat Away (6:26)
05:A Long Way Since The Earth Crashed (4:31)
06:A Giant Leap Of Faith (5:17)
07:The Stillness Beneath The Snow (6:01)
08:The Blueprint Of A Winter (5:49)
09:The Colossus That Bestrode The World (5:14)
10:Swimming Home (7:58)
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