Supertramp / Crime Of The Century (40th Anniversary Edition)
Crime Of The Century Spielzeit: 44:15 (CD 1), 73:26 (CD 2)
Medium: Doppel-CD
Label: Universal Music, 2014 (1974-1975)
Stil: Art Rock


Review vom 04.12.2014


Ulli Heiser
Dank eines holländischen Millionärs, bzw. dessen finanzieller Zuwendung, konnten die beiden Songschreiber Rick Davies und Roger Hodgson im Jahre 1969 zusammen mit Richard Palmer und Keith Baker die Band gründen, die ihren ersten Namen, Daddy, schnell ablegte, um fortan als Supertramp zu firmieren. Es brauchte drei Alben und ein paar Musikerwechsel, bis eine Platte so richtig einschlug. Die ersten beiden Scheiben, meiner Meinung nach unterschätzt, hatten es da schwerer. Das proggige Erstlingswerk aus dem Jahre 1970 ("Supertramp") gefiel zwar den Kritikern, aber kommerziell floppte es leider. Wie auch der Nachfolger "Indelibly Stamped" 1971. Auf diesem war Supertramp rockiger und bluesiger. Den richtigen Weg beschritten sie dann wohl mit "Crime Of The Century", denn damit gab es Platzierungen in den Charts.
Zu Recht, wie ich meine, denn die Art, wie die Band musizierte, war neu. Mit Ken Scott war ein erstklassiger Produzent im Team und die beiden Songschreiber Davies und Hodgson schrieben Perlen der Rockgeschichte. Saxofon und Klarinette wurden integriert und es entstand eine Mischung aus Prog und Rock, die teilweise einen enormen Popappeal haben. "Dreamer", "Hide In Your Shell" und "If Everyone Was Listening" zeigen, dass Pop nicht unbedingt seicht sein muss. Auch nicht, wenn wie hier das erste Mal in der Bandvita eine Streichergruppe am Werkeln war. Im Gegenteil, die Blas- und Streichzutaten verliehen den Nummern auf der Popseite eine gewisse Art Seriosität; auf der Rockseite eine enorme Tiefe und, ja fast Monstrosität. Weiterhin war die Habenseite gut gefüllt mit dem spannenden Gegensatz von Hodgsons Falsettstimme und Davies' kraftvollem Pendant, dem spannungsvollen, synkopische Spiel auf dem elektrischen Piano und dem Einsatz von gut platzierten backing vocals.
Wohl kaum jemand, der "Dreamer" nicht kennt. Von Anfang an als Hitsingle gedacht, zeigt selbst dieses Stück, wie man einen Touch Prog geschickt auch in einem Chartsanwärter unterbringen kann. Meine erste Begegnung mit der Band fand zwei Jahre nach der Geburt von "Crime Of The Century" statt. Als "School" das erste Mal in meine Ohren brandete, war das wie eine Offenbarung. Die im Morricone-Stil leise klagende Mundharmonika hatte sofort meine Aufmerksamkeit erlangt, weil ich ahnte, dass da was kommen wird, was kommen muss. Und in der Tat, im irrwitzigen Rhythmus shuffelte sich die Nummer mit einem bis dato nicht gehörten Bass- und Drumspiel für immer in meinen Kopf. Das war Rock, war Prog und trotzdem von einer Art, die das Stück immer im radiotauglichen Bereich hielt. Ab da an war mir Supertramp ein Begriff. Auch das sich anschließende "Bloody Well Right" mit seinem bluesigen Charakter begeisterte.
Aber eigentlich war das erst das Vorspiel. Die Schätze auf dem Album tragen die Namen "Asylum", "Crime Of The Century" und natürlich "Rudy". Nie wieder sollten Supertramp solche Kaliber veröffentlichen. Die Folgealben setzten mehr auf kommerziellen Erfolg, was spätestens mit "Breakfast In America" gelang. Die meisten werden die Band daher auch mit Stücken aus den Folgejahren verbinden. 'Mein' Supertramp-Menü besteht eindeutig aus den Zutaten der ersten drei Alben und die Filetstücke sind für alle Zeiten in "Crime Of The Century" gepresst: "Rudy", der Titeltrack sowie "Asylum" mit ihren verspielten oder hämmernden Pianostellen, denen wie aus dem Nichts kommenden Wah Wah-Attacken, der ungeheuer spannenden Dynamik zwischen den ruhigen Passagen und den brachialen Ausbrüchen, den Streichern, dem einsam quäkenden Saxofon, der nicht greifbaren, aber stets präsenten überirdischen Atmosphäre, wie man es ansonsten von
Pink Floyd kennt ...
Die ausgewogene und zu keiner Zeit störende Balance zwischen großen Prog-Arrangements und einer Prise ohrgefälligem Pop machten die Platte zu etwas Besonderem. Eindeutig ein Klassiker des Art Rock, für mich gar der Klassiker des Genres und Highlight des Schaffens der Mannen um Davies und Hodgson.
"Crime Of The Century" jährt sich nun zum vierzigsten Mal und aus diesem Grund hat Universal Music eine spezielle Jubiläumsversion, natürlich remastert (von Ray Staff) herausgebracht. Dem Originalalbum ist ein Konzert aus dem Londoner Hammersmith Odeon vom März 1975 beigelegt. Dort wurde das komplette Album, ergänzt von fünf Stücken des Folgealbums "Crisis? What Crisis?" gespielt. Auch live bleibt der Charakter des Studio-Pendants erhalten. Die Spiellänge der Liveversionen weicht kaum vom Original ab. Einzig, dass man die Reihenfolge der Songs durch die fünf 'Fremdnummern' unterbrochen hat, mag leicht stören. Das wird aber locker wettgemacht durch die Tatsache, dass diese Show bisher nicht veröffentlicht war.
Erhältlich sein wird die Jubiläumsversion auf CD und Vinyl. Neben den Normalversionen auch in vorliegender Doppel-CD-Ausgabe mit einem 24-seitigen Booklet mit vielen Fotos und einem Essay von Phil Alexander (Mojo-Magazin), Interviews mit Dougie Thomson, John Helliwell, Ken Scott, Bob Siebenberg, Roger Hodgson sowie Dave Margereson (damaliger Bandmanager). Highlight der Versionen wird unbestritten die 180g 3LP-Box mit Downloadgutschein und zwei großformatigen Drucken sein.

Für welches Medium man sich auch entscheidet, "Crime Of The Century" ist ein Muss jeder Plattensammlung.
Line-up:
Rick Davies (keyboards, piano, organ, harmonica, vocals)
John Helliwell (saxophone, clarinet, flute, backing Vocals)
Roger Hodgson (guitars, piano, vocals)
Bob Siebenberg (drums and percussion)
Dougie Thompson (bass)

Richard Hewson (strings conductor)
Scott Gorham [Thin Lizzy] (additional vocals - #3)
Christine Helliwell (additional vocals - #3)
Vicky Siebenberg (additional vocals - #3)
Unknown Street Musician (singing saw - #3)
Ken Scott (water gong - #8)
Tracklist
CD 1 - Crime of The Century (Original Album):
01:School (5:35)
02:Bloody Well Right (4:32)
03:Hide In Your Shell (6:49)
04:Asylum (6:49)
05:Dreamer (3:33)
06:Rudy (7:20)
07:If Everyone Was Listening (4:05)
08:Crime Of The Century (5:32)
CD 2 - Live At Hammersmith 75:
01:School (5:54)
02:Bloody Well Right (6:46)
03:Hide In Your Shell (6:47)
04:Asylum (7:01)
05:Sister Moonshine (5:30)
06:Just A Nomal Day (3:58)
07:Another Man's Woman (7:42)
08:Lady (5:55)
09:'A' You're Adorable (2:57)
10:Dreamer (3:28)
11:Rudy (7:23)
12:If Everyone Was Listening (4:32)
13:Crime Of The Century (6:00)
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