Supertramp / 70-10 Comeback Tour 2010
24.09.2010, Messehalle, Erfurt
Supertramp Supertramp
Live In Concert 2010
Messehalle, Erfurt
24. September 2010
Stil: Pop, Rock


Artikel vom 07.10.2010


Ingolf Schmock
Auch nach fast vier Jahrzehnten mit ihrer albumträchtigen Fragestellung nach einer Krise vertrauen die einstigen Platzhalter musikalischer Großverdiener auf deren eigenwillige Bewältigung durch nostalgischen Soft Rock im glatt gebügelten, aber durchaus glanzvollen Ornat.
Die einst von ihren orchestrierten und verträumten Falsett-Gesängen gezierten Schmuse-Epen haben unzweifelhaft bis heute nichts von ihrer magischen Kraft bzw. von ihrem polierten Schliff eingebüßt und verleiten Musikliebhaber, wie honigsüße Memorabilien die Bienen, in die Konzerthallen. Die Anfang der Siebziger begründeten britischen Helden generieren heute Sehnsüchte nach einer zufriedeneren Umwelt, laden in einer von Technik getriebenen Gesellschaft dazu ein, sich in Raum und Zeit zu verlieren.
Was beflügelt zwei ehemals befreundete Renten-Anwärter, das 1983 ad acta gelegte Bombast-Pop Flaggschiff Supertramp, wenn auch von Tisch und Gema-Konto getrennt, vehement zu reanimieren, und selbst im vierzigsten Jubiläumsjahr auf die Konzertbretter zu wuchten?
Mit ca. 60 Millionen verkauften Tonträgern und einer erfolgreichen Historie im Rücken hat sich der mittlerweile ergraute Pianist und 66 Lenze zählende Mitbegründer Rick Davies letztendlich doch dazu entschlossen, den verkaufsträchtigen, runden Bandgeburtstag ohne den eigenbrötlerischen Ex-Kumpanen Hodgson durchzuziehen, um ein wenig dem einst schlagertechnisch besungenen Beginn eines wilden Lebensabschnittes oder gar ihre musikalischen Buttercremetorten für die Altersvorsorge feilzubieten.
Entgegen aller angeblichen Wiedereinstiegsersuchen des seit Jahren auf Solopfaden bzw. auf einem ausgelatschten Kreativpfad trampelnden Hodgson, und seiner angedrohten Rechtsstreitigkeiten um Kompositionseigentümer, wurden kurzerhand zwei neue Falsett-trainierte Milchbubis ins Orchester-Korsett eingepasst, mühen sich Bob Siebenbergs Sohnemann Jesse und ein Chorknabe recht redlich, aber dennoch gequält, dem markanten Timbre der einstigen Hitmaschine nachzueifern.
An diesem Abend wollten sich doch einige gereifte Fans, wenn auch angesichts der gewichtigen Eintrittspreise weniger als geplant, selbst ein Bild davon machen, inwiefern sich die um sechs Mitstreiter verstärkten Ur-Supertramp ohne ihre zweite, allerheilsbringende Kopfstimme behaupten mochten.
Umhüllt von einem überaus transparenten und sehr druckvollen Soundbild nebst einer dezent platzierten Licht- und Videoshow, vermochte ein neunköpfiges Ensemble das anfangs noch sehr reserviert wirkende und von Davies' anspruchsvoll inszenierten Wuchtbrummen parallelisierte Publikum in einen durchaus dramaturgisch und handwerklich berührenden Zwei-Stunden-Marathon zu entführen.
Passend zum Motto "Greatest Hits Tour" erweckten so manche der überstrapazierten Hodgson-Kamellen frühpubertäres Gebaren beim erwachsenen Konzertbesucher in seiner Pensionärsbestuhlung, ließen gar einen Musikantenstadl-Besucher erblassen, aber dem verschwindend geringen Anteil andächtiger Lauscher die Verlegenheitsröte ins Gesicht gleiten.
Sowohl die Bläser, allen voran die Helliwell'schen Saxophon- und Klarinetten-Markenzeichen, als auch Davies' verzerrt beißendes Wurlitzer und klassisch beschlagenes Flügel-Spiel wussten innerhalb des voluminösen Orchesters so manchen Skeptiker zu entwaffnen, und ließen in Anbetracht authentisch vorgetragener und in Klassik Rock gewälzter Trüffel, wie "Bloody Well Right" oder "Crime Of The Century", die etwas unbeholfen imitierenden Ersatz-Nachtigallen als Tropfen auf dem heißen Stein verdampfen.
Einige der Anwesenden, welche durchaus schon beim Genuss von Ballermann-Heulern vor Verzückung quieken, werden wohl den schneidenden Gesang von Davies' einstigem Busenfreund bei dessen mittlerweile zu prolligen Hymnen verkommenen Erfolgsschlagern schmerzlich vermisst haben, die anderen dagegen verharrten in Erfurcht vor Rhythm & Blues-getränkten Zierstücken und krallten bei Carl Verheyens rauen Griffbretteinlagen ihre Fingernägel ins Sitzfutter.
Vielleicht fühlte sich der Konzertmeister nebst den Überresten einstiger Pop-Titanen einfach nur dem musikalischen Andenken und nicht gemunkelter Tonträger-Verkaufskrisen verpflichtet, mit Grandezza und augenzwinkernden Bühneneinlagen die Werkschau elf hochwertiger Studioalben, ohne seinen unversöhnlichen Genius zu zelebrieren.
Summa summarum bewiesen die Urgesteine Rick Davies, John Anthony Helliwell und Bob Siebenberg nebst ihrem wuchtigen Gefolge, dass die verwinkelnden Arrangements mit Ohrwurmcharakter noch lange nicht entzaubert sind und entgegen allen Mutmaßungen auch ohne Heulboje Hodgson funktionieren mögen. Letzterer scheute sich dagegen auch nicht davor, auf Hochglanz gedruckte Eigenwerbung an die Konzertbesucher verteilen zu lassen, Energie welche selbiger doch lieber in kreatives Potential investieren sollte. Fakt ist, ein plärrender Eunuch an den Tasten macht eben noch keine Supertramp!
RockTimes bedankt sich bei Jane Sakel, Mawi Concert Konzertagentur GmbH für die freundliche Unterstützung.
Anmerkung: Liebe Freunde, da bedauerlicherweise das gestrenge Supertramp-Management RockTimes keine Fotoerlaubnis erteilte, können wir, wie an dieser Stelle gewohnt, leider keine Bilder von diesem Ereignis präsentieren.
Setlist
01:You Started Laughing
02:Gone Hollywood
03:Put On Your Old Brown Shoes
04:Ain't Nobody But Me
05:Breakfast In America
06:Cannonball
07:Poor Boy
08:From Now On
09:Give A Little Bit
10:Downstream
11:Rudy
12:It's Raining Again
13:Another Man's Woman
14:Take The Long Way Home
15:Bloody Well Right
16:The Logical Song
17:Goodbye Stranger
18:School
19:Dreamer
20:Crime Of The Century
Externer Link: