Vorhang auf für ein wahres Meisterwerk!
1997 war das Jahr, in dem Symphony X ihren Durchbruch schafften, der natürlich, wie bei so vielen Bands, noch viel zu klein ausfiel. Sie traten endgültig aus dem Schatten von Dream Theater heraus und wurden zur zweiten, Genre-definierenden Kraft.
Ein Fazit zu formulieren, wenn man mit dem Album fertig ist, fällt mir schwer, darum kommt es heute am Anfang: "The Divine Wings Of Tragedy" ist über jeden Zweifel erhaben. Spätestens mit diesem Album wurden Symphony X zusammen mit Dream Theater zur Speerspitze des Prog Metal. Ihr Niveau war und ist stets und auf allen Albem unglaublich hoch, aber zu diesem Klassiker fehlt immer noch ein ganz kleines bisschen. Kein Vorwurf! …Mit diesem Album hat es die Band geschafft, das richtige Maß zu finden. Gefrickel, Gebolze, weiche Klänge, Neo Klassik - alles ist in richtigem Maße vorhanden und vereinigt sich zu einem zeitlosen Ganzen. Wer dieses Album nicht mag, hat nicht genau genug hingehört!
…Den Anfang macht "Of Sins And Shadows" - eine Kombination aus eingängigem Metal und progressiven Strukturen, wie sie ausgefeilter nicht sein könnte. Verdammt heavy, umspielt von tänzelnden Keyboardläufen, und immer wieder mit choralen Einwürfen, die Queen als einen der großen Einflüsse von Symphony X entlarven. Dazu natürlich Russel Allen, dessen Stimme einfach hervorragend dazu passt: Kraftvoll, aggressiv, und doch mit dem gewissen Extra an Technik.
So richtig in Erscheinung tritt der Bass von Thomas Miller erstmals bei dem folgenden "Sea Of Lies", bei welchem gerade er uns von Beginn an ein technisches Geplänkel vom Allerfeinsten liefert. Dieses komplizierte Riff, in das die anderen nach einigen Sekunden begeistert einsteigen, liefert den Beweis, dass vertrackter Metal einem nicht über den Kopf wachsen muss - wenn man sich darauf einlässt; das gilt für das gesamte Album, das naturgemäß mehrere Anläufe braucht.
Hammerhart geht's auch mit "Out Of The Ashes" weiter - die hundertprozentig akkuraten, superschnellen Chords immer wieder aufgelockert durch verspielte Soli von sowohl Symphony X-Gründer Michael Romeo als auch Keyboarder Michael Pinnella, die sich gerne mal ein bisschen mit ihren Instrumenten unterhalten - auch gerne hitzig. Auflockerung bringen immer wieder die herrlich inszenierten Chöre, die im genau richtigen Maß angewendet werden.
Nach drei Brechern kommt man zum ersten von zwei Herzstücken des Albums: "The Accolade". Hier findet man erstmals Prog Rock-artige Passagen, wird es doch nochmal ein gutes Stück komplexer. Von hintergründigen, trotzdem bestimmenden Keyboards getragen, geht es hier bei den Refrains auch mal etwas emotionaler zu. Russell Allen gerät auch in eine wunderbare Soloeinlage, bevor man wieder zum Wesentlichen kommt - einfach ein zehnminütiges Meisterwerk.
"Pharaoh", "The Eyes Of Medusa" und "The Witching Hour" kehren dann zurück zur härteren Gangart, wenngleich sie unterschiedlich gewichtet und eingesetzt wird. Es wird weiterhin nie langweilig, da alle Songs aus dem vollen Reservoir von Tricks und Kniffen der Amis schöpfen.
Dann wird es Zeit fürs zweite Epos: den Titelsong - "The Divine Wings Of Tragedy". Und es beginnt auch wahrlich episch: Mit einem überragenden, fast an Klöster erinnernden Chor, der gar nicht mehr aufhören will, letztendlich aber doch viel zu kurz ist. Umgehend kommt man zum zweiten Teil des Intros: Ein stampfender, unheilvoll anmutender Marschrhythmus, der einen mit seiner scheinbaren Einfachheit sofort in seinen Bann zieht. Dann der dritte, schnelle Teil, gespickt mit querköpfigen Soli. Als Russel Allen erstmals zaghaft zu Wort kommt, hat man sich bereits auf luftig-leichte Klänge geeinigt, die selbstverständlich bald wieder verworfen werden. Immer wieder wird neu gestartet, noch mehr zu diesem sogar knapp 21-minütigen Monster hinzugefügt. Trotzdem kommt man immer wieder zum Essenziellen zurück; so beispielsweise zur charakteristischen Keyboardmelodie.
Als es vorbei ist, meint man, man hätte jetzt alles gehört. Aber noch entlassen einen die fünf Künstler nicht ganz - "Candlelight Fantasia" steht noch an. Noch mehr spielt in diesem beunruhigenden, leiseren Stück das Keyboard eine Rolle, das eine Reihe von wichtigen Akzenten setzt und zur jetzt wieder sehr emotionalen Stimmung beiträgt.
Irgendwann ist es aber doch soweit: Fade out. Und man verbleibt mit dem Gefühl, plötzlich allein zu sein; als ob man gerade ein tolles Buch beendet hätte, dessen Schatten und Gewisper einem noch lange im Kopf herumspuken.
Line-up:
Michael Romeo (guitars)
Russell Allen (vocals)
Thomas Miller (bass)
Jason Rullo (drums)
Michael Pinnella (keyboards)
Tracklist |
01:Of Sins And Shadows
02:Sea Of Lies
03:Out Of The Ashes
04:The Accolade
05:Pharaoh
06:The Eyes Of Medusa
07:The Witching Hour
08:The Divine Wings Of Tragedy
09:Candlelight Fantasia
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