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Thomas Schaller / Pilgrim
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Draußen ist es ungemütlich, Schnee liegt schon auf den Bergen, die Menschen husten und schnauben und stecken sich gegenseitig mit den übelsten Infektionen an. Da überlegt man sich schon, ob man zum Konzert geht. Das wollten aber eine ganze Reihe von Musikfans, die die ehemalige Synagoge in Lichtenfels zur offiziellen CD-Vorstellung von Thomas Schallers "Pilgrim" füllten. Der RockTimes-Rezensent wäre auch gern gekommen, konnte aber nicht. Er hatte den oberfränkischen Gitarristen bei einer Vernissage gehört und war nun auf seine erste Veröffentlichung gespannt. Schaller, der von der klassischen Gitarre kommt und mit verschiedenen Formationen Musik macht, entdeckte vor Jahren die Stahlsaiten-Gitarre für sich. Seither spielt er eine Lakewood aus der Gießener Werkstatt von Martin Seeliger. Neben seinen Vorbildern aus der Klassik-Szene zählen Peter Finger (der Inhaber des Acoustic Music Labels) und andere Größen der deutschen Fingerstyle-Szene zu seinen Einflüssen und das hört man im Spiel. Das mit schöner und aus meiner Sicht auch sehr zur Musik passender Grafik komplett selbst gestaltete Premieren-Album produzierte Schaller zusammen mit seinem Duo-Partner Thomas 'Benson' Kalb. In dessen Woodland-Studio in Johannisthal entstanden die reinen Instrumental-Takes aus eigener Feder an sieben Abenden aus einem Guss, nichts wurde geschnitten oder nachträglich ergänzt. Mit ausgesprochen warmem Sound klingen die 13 Titel auch sehr harmonisch. Also genau die richtige Musik für den späten Sonntagnachmittag zum Tee bei diesem Sauwetter.
"Pilgrim" - Thomas Schaller kennt die Pilgerwege seiner Heimat am Obermain und bringt die Thematik hier mit ein. Allerdings ist der Familienvater kein religiöser Asket, sondern offensichtlich ein auch den weltlichen Genüssen zugetaner Mensch. So tönen seine Stücke sinnlich und eher verspielt, als meditativ oder formal. Technische Probleme auf dem Instrument scheint es für den Fingerpicker nicht zu geben, selten sind Quietsch- oder Schnarrtöne der Stahlsaiten zu vernehmen. Im Gegenteil, er liebt Tempo und Dynamik, die Finger wirbeln regelmäßig in Hochgeschwindigkeit über die Saiten und Bünde. Dass da auch kleine Unsauberkeiten zu hören sind, die bei anderen Produzenten wohl nachträglich ausgebessert worden wären, trübt das erfreuliche Gesamtbild nicht, eben 'live im Studio' - mit aller Konsequenz. Das perlt perfekt abgemischt aus den Lautsprechern und lässt der Fantasie freien Raum. Im Booklet sind die Inhalte und Entstehungsgeschichten der Titeln zweisprachig notiert, aber eine 'Anleitung' braucht der Hörer sicher nicht, um Schallers Gitarrenmusik goutieren zu können.
Bei einigen Stücken sind auch die Themen erkennbar oder nachvollziehbar (z.B. "Fuerteventura", "Russian Waltz"), aber ich lasse mich lieber mit den Melodien treiben und die Stimmungen auf mich wirken. Der CD lag ein Schlüsselerlebnis zugrunde, erzählt der Künstler. Das Motiv zum Titelsong "Pilgrim" kam ihm beim Spazierengehen und weckte den Wunsch, die eigene Gitarrenarbeit festzuhalten. Zu alten kamen schnell neue Ideen für weitere Stücke. Die Umsetzung in das Album ging dann relativ zügig über die Bühne. In der Stilistik gehört Schaller eher zu denen, die es 'üppig' mögen, der gern Verzierungen oder Licks einbaut und der - wer mag es ihm verdenken - bei seinem Debüt mit vielen meisterlich gezupften Noten glänzt. Das ist mir allerdings erst aufgefallen, als ich die CD mehrfach hintereinander durchgehört hatte, aufdringlich ist das keinesfalls.
"Pilgrim" - ein in jeder Hinsicht gelungenes Debüt, das dem Achtundvierzigjährigen einen guten Namen unter den deutschen Fingerstyle-Gitarristen verschaffen sollte. Und mir sicher noch einige entspannte, ansteckungsungefährdete Stunden im heimischen Wohnzimmer, bis ich ihn im nächsten Jahr dann hoffentlich mal wieder live erleben darf. Die CD gibt's direkt beim Künstler, zu bestellen über die Homepage.
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