Vom Kirchenchorsänger zum Weltstar
Beim Interview
Heute wird es ein ganz besonderer Abend, denn ich treffe mich mit Chris Thompson, einem der besten Sänger der Rockgeschichte. Seine außergewöhnliche Stimme ist einmalig auf der Welt, und jeder der ihn hört, erinnert sich an die Glanzzeit der Manfred Mann's Earth Band, deren größte Hits er mit seiner Stimme geprägt hat. "Blinded By The Light" und "Davy's On The Road Again" hat jeder Musikliebhaber im Ohr und lässt mich stets in Erinnerungen schwelgen.


Interview vom 04.02.2012


Holger Ott
RockTimes: Ich bin heute im Auftrag von RockTimes zu Gast in der Max-Schmeling-Halle im Rahmen des Rock Meets Classic-Events, und an meiner Seite sitzt Chris Thompson, ehemals Frontmann der Manfred Mann's Earth Band, der mit seiner markanten Stimme nach wie vor in aller Ohren ist. Chris, es ist schön dich wieder in der Stadt zu haben. Ich hoffe, dass es dir gut geht und du dich hier wohl fühlst.
Chris Thompson: Danke der Nachfrage, mir geht es sehr gut und ich freue mich ebenfalls, wieder hier zu sein.
RockTimes: Bist du gerüstet für die heutige Show?
Chris Thompson: Absolut, ich freue mich sehr darauf. Der Soundcheck ist soeben beendet und alles funktioniert hervorragend.
RockTimes: Jeder kennt dich als den Sänger der Earth Band und verbindet dich stets mit den größten Erfolgen aus der damaligen Zeit. In den letzten Jahren bist du als Solokünstler unterwegs und du hast soeben auch wieder ein neues Album veröffentlicht.
Chris Thompson: Ja, es ist ein Live-Album, das im letzten Jahr in Berlin aufgenommen wurde, sowie sieben Live DVD-Tracks vom Konzert in Aschaffenburg. Heute Abend werde ich vier Songs singen, davon drei aus der Zeit mit Manfred Mann's Earth Band und ein Stück, das ich selbst komponiert habe. Für eine Veranstaltung wie diese ist es sehr wichtig, dass ich Sachen singe, die sehr bekannt sind. Das Publikum kommt in die Halle, um einige der bedeutendsten Künstler zu sehen und hat die Erwartung, dass deren größte Hits gespielt werden. Leider hat nicht jeder so viel Zeit, um sein ganzes Repertoire abzufeuern. Aber mit dem Orchester im Hintergrund wird es für jeden eine neue Erfahrung sein, die Titel in einer speziellen Verpackung zu hören. Es wird sich viel monumentaler anhören.
RockTimes: Singst du lieber mit einem Orchester im Rücken, und was macht für dich den Unterschied?
Chris Thompson: Viele denken immer, dass es sich mit einem Orchester zu weich anhört und alles zu sehr in den klassischen Bereich abdriftet. Ich aber denke, dass damit die Songs viel druckvoller rüberkommen und die Musiker im Hintergrund geben mir damit noch mehr Ansporn, besser und präziser zu singen. Ich mag es sehr, mit Orchester zu singen und werde das in Zukunft auch öfter machen. Dazu kommt, dass ein Synthesizer niemals den Klang eines richtigen Orchesters nachahmen kann, obwohl die Technik inzwischen enorm fortgeschritten ist. Da meine Songs sehr keyboardlastig sind und die Streicher viele Parts aus dem Keyboard übernehmen, hört sich das viel natürlicher und reiner an. In einigen Teilen wurden die Nummern auch neu arrangiert, und dadurch klingen sie sehr speziell.
RockTimes: Chris & HolgerGehen wir einmal einige Jahre zurück an den Anfang deiner Karriere. Was gab dir die Inspiration, mit dem Singen anzufangen?
Chris Thompson: Mein Vater hat damals in einem Kirchenchor gesungen und mich als Kind immer mitgenommen, wenn geprobt wurde. Irgendwann hat er mich dann einige Harmonien mitsingen lassen; vermutlich um zu hören, was ich für eine Stimme habe. Mit hat das sehr gefallen und ich hatte auch keine Angst, vor anderen Menschen zu singen.
Als ich dann älter wurde und begann, mich für andere Musik zu interessieren, da waren die Beatles schon sehr bekannt. Irgendwie wollte ich auch so sein, so berühmt und vor allem so gut. Aber davor habe ich erst eine Zeit lang Skiffle gesungen, Jonny Duncan & The Blue Gras Boys oder Lonnie Donnegan. Die hatten damals sehr viel Dynamik in ihren Songs und haben mich immer wieder angetrieben. Zu dieser Zeit habe ich auch gelernt, Gitarre zu spielen und mir dabei vieles von Pete Seeger abgeguckt. Der war damals in der Folk-Szene sehr populär, was mir ebenfalls gefallen hatte.
RockTimes: Du bist in England geboren, in Neuseeland aufgewachsen, und als junger Mensch wieder zurück nach England gegangen. Wie hast du den Weg zu Manfred Mann's Earth Band gefunden?
Chris Thompson: So jung war ich auch nicht mehr ... ich war damals 27 Jahre alt, also eigentlich schon viel zu alt. Manfred hat damals einen Lead-Sänger und Gitarristen gesucht, und ich habe mich ganz einfach auf ein Inserat beworben, der Rest ist Geschichte.
RockTimes: Du hattest mal eine Band mit dem Namen Night, die bei uns fast niemand kennt. Kannst Du ein wenig darüber erzählen?
Chris Thompson: Zu der Zeit habe ich in London gelebt und als Session-Musiker gearbeitet. Ich lernte dadurch einen anderen Gitarristen und einen Drummer kennen, und wir beschlossen, uns öfter zu treffen und ein paar Stücke zu spielen. Dann ist es immer weiter fortgeschritten und wir haben uns mittwochs und donnerstags getroffen.
Nachdem wir festgestellt haben, dass wir gut harmonieren, sind weitere Musiker hinzu gekommen, und plötzlich hatten wir eine Band zusammen. Zuerst haben wir Cover-Songs gespielt, aber wir wollten nie eine Cover-Band sein. Nach und nach haben wir eigene Arrangements eingespielt und Stücke komponiert. Ich habe festgestellt, dass mir das Spaß macht und ich Talent zum Komponieren habe. Ich habe mich dann mit Richard Perry in Amerika zusammengesetzt und er hat ebenfalls für uns komponiert. Wir haben uns überall umgesehen, um Material für Songs zusammenzubekommen. Leider war es damals eine sehr ungünstige Zeit. Die Punk-Bewegung kam ins Rollen und keiner hatte damals Geld, um Platten zu kaufen. Somit war unser Projekt zum Scheitern bestimmt, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Wir haben sehr viel Geld investiert und alles dabei verloren. Ich habe dann wieder angefangen, mich für andere Sachen zu interessieren.
RockTimes: Eines deiner Projekte war für "War Of The Worlds" zu singen. Ende dieses Jahres wird die Show hier in Berlin aufgeführt - können wir damit rechnen, dich dabei zu sehen und zu hören?
Chris Thompson: Ich habe keine Ahnung, ob ich dabei sein werde. Für dieses Jahr sind so viele Dinge geplant, dass ich noch nicht weiß, wie es gegen Ende des Jahres aussieht.
RockTimes: Du hast auch vor einigen Jahren bei "Excalibur" gesungen. Wie kam die Verbindung zu diesem Mittelalterspektakel zustande?
Chris Thompson: Ich habe damals bei der ersten Fassung mitgewirkt, wobei das ein riesen Unterschied ist zu dem, was jetzt auf der Bühne läuft. Damals war es fast noch richtiges Theater, heute ist es einen monumentale Show mit Pyrotechnik und einem Stelldichein der bekanntesten Größen der Rock-Geschichte. Ich denke nicht, dass ich da mit reinpassen würde, dafür wären meine Gesangspassagen zu bedeutungslos.
RockTimes: Erzähle uns doch noch ein wenig mehr über deine Zukunftspläne.
Chris Thompson: In diesem Sommer bin ich wieder viel auf Tour. Dann freue ich mich darauf, ein spezielles, neues Projekt zu machen, worüber ich allerdings noch nicht reden kann; das wird eine riesen Überraschung. Während ich mit meiner jetzigen Original-Band auf Tour bin, wird eine DVD mitgeschnitten und im Herbst veröffentlicht. In den nächsten Wochen werde ich anfangen, neue Songs zu schreiben und in diesem Jahr noch eine CD bringen. Es ist schon sehr lange her, dass eine Studio-CD auf den Markt kam und jetzt wird es langsam wieder Zeit. Während meiner Tourneen bekomme ich so viele Ideen zu neuen Songs, ich habe bloß nie Zeit, sie zu komponieren. Diese Zeit nehme ich mir in den nächsten Wochen und werde mit voller Leidenschaft daran arbeiten.
RockTimes: Du bist in letzter Zeit häufiger in Berlin gewesen und hast auch während der Silvesterfeier am Brandenburger Tor gesungen. Was ist es für ein Gefühl, vor einer Million Menschen an so einem historischen Ort zu singen?
Chris Thompson:Chris & Holger Das Gefühl ist unbeschreiblich. Leider ist in der Menge ständig Bewegung, es ist ein permanentes Kommen und Gehen, und da die Straße vor dem Brandenburger Tor so ewig lang ist, kann man die Massen von Menschen nicht auf einmal sehen. Ich bin auch nach dem Auftritt auf der Festmeile gewesen und habe dann erst einmal deren Größe kennengelernt. Wenn nicht diese riesigen Video-Wände wären, könnte niemand sehen und hören, was auf der Bühne passiert. Der Sound und das Bild sind aber hervorragend. Es war für mich ein Experiment, um zu erleben, wie ein Auftritt in dieser Größenordnung funktioniert.
RockTimes: Würdest du es noch einmal machen?
Chris Thompson: Wenn die Bühne geheizt wäre, dann ja. Es ist extrem zugig, da der Wind die lange Straße entlang kommt und die Bühne nach hinten offen ist. Es ist nicht gut für die Stimmen, sich dem auszusetzen. Ich habe für achtzehn Minuten dort gesungen und es war bitterkalt. Man atmet ständig die eiskalte Luft ein und ich bin froh, dass ich keine Erkältung bekommen habe. Dennoch war es für mich sehr ergreifend und wunderschön, den Jahreswechsel in Berlin zu erleben.
RockTimes: Du hast im letzten Jahr in Hamburg auf den Harley Days gespielt. Ich bin jedes Jahr dort und habe mich gefreut, dass du dort aufgetreten bist und alle meine Lieblingssongs aus deiner Zeit bei Manfred Mann gesungen hast. Wie ist es für dich, vor einer wilden Meute von Harley-Fahrern zu singen?
Chris Thompson: Es war toll, vor dieser gewaltigen Menge zu spielen und das ganzen Flair der Veranstaltung zu erleben. Vor dir stehen etwa fünftausend Biker und im Hintergrund hast du den Blick auf den Hafen, weil die Bühne so ausgerichtet war. Worauf sollte ich mich als erstes beim Singen konzentrieren? Leider ist der Platz vor der Bühne sehr klein, da es sich ja in erster Linie um das Thema Motorrad dreht. Ich habe schon sehr oft auf Harley-Veranstaltungen gesungen und es macht mir immer wieder Freude. Ich weiß, dass ich viele Fans unter ihnen habe und werde hoffentlich in einigen Jahren wieder dort auftreten.
RockTimes: Leider müssen wir zum Ende kommen. Vielen Dank für des angenehme Gespräch, viel Erfolg heute Abend und für die Zukunft, und ich hoffe, dass wir uns mal wieder sehen.
Chris Thompson: Vielen Dank an dich und viele Grüße an alle RockTimes-Leser.
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