Man stelle sich das einmal vor: Die Lieblingsplatte, oder welche auch immer, ohne Gesang! Irgendwie geht das doch gar nicht, oder? Nun, mir fällt da ein Beispiel ein - die Beach Boys: Da gab es 1968 eine Veröffentlichung, die nannte sich "Stack-O-Tracks". Fünfzehn bekannte Songs der Band gab es hier zu hören, aber instrumental - nicht etwa neu eingespielt, sondern einfach nur der Gesangsspuren beraubt. Insoweit ein frühes Beispiel von Karaoke. Nur war der Höreindruck für mich stets ein unvollendeter. Unweigerlich summte man die bekannten Melodien mit. Fazit also: "Stack-O-Tracks" konnte so nicht existieren.
Wie ist das nun mit Let Go, jener Platte der norwegischen Sängerin Randi Tytingvåg, die dieser CD zugrunde liegen? Anders - auf jeden Fall. Selbst wenn man die Titel der gesungenen Ausgabe kennt, kann die Instrumentalversion auch allein für sich stehen. Woran kann das nur liegen? Ich habe die Originalversionen von "Let Go" in dem Umfang, in dem ich sie hören konnte, den Instrumentaltiteln entgegen gestellt. Mit Verblüffung stelle ich fest, dass es sich um wirklich zwei verschiedene Platten handelt. Die ausgestrahlte Atmosphäre ist jeweils eine völlig andere, je nachdem, welche Version man wählt. Ist man bei den Vokalversionen in erster Linie auf den Gesang fixiert - ist ja selbstverständlich - so spielen sich instrumental nun ganz andere Bilder ab. Die Konzentration richtet sich auf das jeweilige Soloinstrument, sei es bei "Rat Race" auf Violine und Akkordeon oder bei "Ghost" auf Akkordeon und Piano, und so weiter...
Bei den Gesangstiteln wirken diese ganz natürlich eingeflochten - sie fallen nicht weiter auf und dienen eher der Ausschmückung, der Unterstützung für die Protagonistin. Ich vermisse den Gesang bei der Instrumentalversion nicht. Wüsste ich nicht, dass es eine gesungene Version gibt, so fiele das gar nicht auf. Auf diese Weise entstehen Bilder im Kopf. Mitunter denke ich an die Verwendung als Soundtrack, für Filme wie auch für Fernsehserien, und dann solche mit etwas skurrilem Inhalt.
Die Gruppe verbleibt nicht als reine Backingband. Sie entwickelt, ohne etwas dazu zu tun, ein Eigenleben. Die Individualität der einzelnen Musiker kommt so stärker zum Ausdruck, der einstige Nebenschauplatz wird nun zur Hauptbühne umgestaltet. Faszinierend, wie so etwas funktionieren kann.
Nicht einheitlich ist dabei der Gesamteindruck. Vielmehr offenbaren sich viele Einzelstücke, die für sich stehen, sich aus verschiedenen Quellen bedienen und diese auch geschickt umsetzen, sei es aus Folk ("Rat Race" ), Klezmeranklängen ("Everyday Monsters") oder auch kammermusikalisch darf es mal zugehen ("Beautiful"). Mit "Between Us" wird uns gar ein Tango mit 'Kaffehausgeige' serviert.
Unabhängig davon, dass die Sängerin hier außen vor bleibt, ist sie dauerpräsent, nämlich allein dadurch, dass alle Kompositionen von ihr stammen. So bleibt es irgendwie auch ihre Platte. Und mit "Beautiful" verabschieden uns träumerische Pianoklänge, untermalt von einem Akkordeon. Ein wunderschöner Abschluss!
Line-up:
Anders Aarum (piano, glockenspiel)
Espen Leite (accordion)
Jens Fossum (double bass)
Ola Kvernberg (violin)
Morten Michelsen (clarinet)
Julie Dahle Aagård (backing vocals)
Tracklist |
01:Rat Race (4:36)
02:Let There Be You And Me (2:59)
03:Ghost (3:48)
04:War (4:05)
05:Playful (3:55)
06:Between Us (3:28)
07:Interlude (0:34)
08:So Long (4:53)
09:Let Go (5:12)
10:Every Day Monsters (4:17)
11:Beautiful (5:08)
(all music by Randi Tytingvåg)
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Externe Links:
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