Robin Trower / Living Out Of Time Live
Living Out Of Time Live
Nun der Film zur Musik. Letztere hab ich kürzlich als CD ausführlich besprochen, Die Songs sind deckungsgleich, es erübrigt sich also ein weiterer Kommentar dazu, außer: dass ich recht hatte. Nicht alle Titel werden von Davey Pattison gesungen, bei "Breathless" ist Robin Trower selbst am Leadmic.
Der Gig wurde am 9.3.2005 in der Bonner 'Harmonie' im Rahmen des 'Rockpalast-Crossroads Festivals' mitgeschnitten. Den Bildern nach zu urteilen eher ein kleinerer Club, aber gut gefüllt. Die Fans begrüßen den Bandleader mit Wunderkerzen und singen ihm zum 60. Geburtstag 'Happy Birthday". Sichtlich verlegen bittet Trower erstmal "um ein paar Minuten zum richtig Stimmen", legt dann aber doch schnell los. Soweit der Einstieg in das Konzert.
Vorausschicken will ich, dass ich nicht unbedingt ein Fan von Konzert-DVDs bin, auch nicht von Videoclips - entweder Live erleben oder Konserve hören (aber es gibt Ausnahmen). Wenn ich mir nostalgiehalber die alten 'Beatclub'-Sendungen im Fernsehen anschaue, dann nervt mich, was damals von Mike Leckebusch und seinen Kameraleuten wohl als 'progressive' und 'innovative ' Bildführung samt Schnitttechnik angesehen und fortgesetzt produziert wurde. Schnelle, dem Wesen oder dem Rhythmus der Songs in keiner Weise angepasste Breaks, Schwenks, Zooms auf irgendwelche Körper- oder Instrumententeile, kurze Umschnitte, gekantete Kameras, dunkle Bilder und die gefürchtete 'Bluebox'. Letztere ist glücklicherweise als Gestaltungsmittel bei Musikaufnahmen schnell wieder aus der Mode gekommen. Aber was sehe ich nun beim ersten Track auf der DVD? Fast alles andere wird fröhlich weiterpraktiziert! Mike Leckebusch ruht verdient in Frieden, aber seine Drehfritzen müssten doch auch, wenigsten, längst in Rente sein...
Die Hauptkamera ist auf Trower, der Anfangsakkord jault noch - Umschnitt Saalkamera - Wunderkerze, Zoom auf Totale, Trower, Break auf den Grundrhythmus klopfenden Pete Thomson (4 Sek.). Zurück auf Trower (2 Sek.), wieder der Drummer (2 Sek.), dann Bassist Dave Bronze und der noch nicht singende Pattison (je 1 Sek.).
Nun Trower (halb verdeckt durch den Mikrophonständer) lange 14 Sek., Basser, Drummer, Trower, Gitarre Großaufnahme, Drummer, Trower, Totale von hinten - Bühne halb verdeckt, singender Pattison (Portrait) - nunmehr Breaks bei jedem Wechsel Gesangspart/Instrumental. 24 Wechsel allein innerhalb der ersten Minute!
Das Auge kommt da einfach nicht mit. Und so geht das weiter, Song für Song, später allerdings mit längeren Sequenzen. Schon beim zweiten tun mir so die Augen weh, dass ich nicht mehr hinschauen mag. Haben die wirklich in den letzten 30 Jahren nichts dazu gelernt? Halten die das wohl immer noch für 'groovy'? Wenn die öffentlich-rechtlichen Ausbildungsstätten für Fernsehtechniker (sofern noch nicht wegrationalisiert) selber das Fach 'Seh-Ergonomie' nicht kennen, sollten sie halt mal bei anderen Bereichen nachfragen, bei denen visuelle Schlüsselreize ein Rolle spielen. Selbst der 'DFB ' weiß inzwischen, welche Informationen die Augen seiner Schiedsrichter in welcher Zeit erfassen können. Kein sonstiger Filmemacher, außer er gehört zu den mittellosen Experimentellen, käme auf die Idee, seinen potentiellen Kunden eine derartige verhunzte Schnittführung zuzumuten. Und das über fast 50 Minuten. Viel weniger wäre hier entscheidend mehr.
Warum ist es nicht möglich, wenn schon Bildwechsel nach dem Rhythmus als Stilmittel, wenigstens das Hauptriff komplett zu zeigen oder überhaupt mal länger auf einem Musiker zu bleiben? Oder eine stehende Totale für den Gesameindruck? Wenn man den Musikern förmlich schon in die Instrumente kriechen muss, dann sollte das auch nicht zum Selbstzweck geschehen, sondern die spezielle Technik des Ausführenden und die Dynamik seines Spiels dokumentieren. Bei diesem Video leider zu selten. Warum immer der Zwischenschnitt auf den wenig spektakulären Drummer von der Seite und warum muss die Regie im Schlussakkord noch x-mal umschneiden?
Gut, die vier älteren Herren, mit Glatze, Falten, dicker Brille und Bierbauch sind wirklich keine Chippendales - but wen juckt das? Keine alte Sau, sagt der mitgealterte Franke!
Robin Trower war noch nie eine Schönheit und hat heute einen Schädel wie ein Stoppelacker nach sechs Wochen Dürre. Ist das ein Grund, ihm immer nur mal sekundenweise schamhaft die Linse auf die dicke Nase zu halten? Der Mann hat eine dermaßen ausdrucksstarke Mimik, die jeden angerissenen, gezogenen oder vibrierenden Ton auf der Gitarre umsetzt - das ist die pure Emotion. Wäre es aber ein schwarzer zahnlückiger Blueser, ein ewig feist grinsender B.B. King, ein stoisch mit dem Gebiss kämpfender John Lee Hooker oder ein aufgetakelter Guitar Watson mit quadratmetergroßer Spiegelbrille, die letzte Zuckung wäre garantiert dokumentiert!
Um was geht´s bei diesem Konzertmitschnitt? Um einen ausdrucksstarken Gitarristen, der mit seinen 60 zwar im Bühnenlicht wie 70 ausschaut, aber einen mitreißenden, energiegeladenen Club-Gig wie ein 30-jähriger hinlegt. Der seinen Stil auf der ihm gewidmeten Fender Signature-Strat. zelebriert, verschiedenste Techniken einsetzt und der klar das Zentrum des Konzertes ist. Leider nicht im Film, der wahl-und schwerpunktlos von einem der Musiker zum anderen zappt und der sogar den Moment, als Trower seine Gitarre mit den Zähnen spielt, nur am Rande mitbekommt. Der es aber immerhin so halbwegs schafft, die Magie des Songs von "Daydream" in Bildern umzusetzen und auch bei dem gewaltigen "Bridge of Sighs" die Stimmung nicht zerstört.. Es gab genügend schönes Licht und eine sehr passende Backgroundillustration mit sich verflüssigenden Motiven auf der Bühne der Harmonie, da wäre viel mehr drin gewesen. Immerhin sind die Bilder farbkräftig und scharf. Vielleicht kann die HipHop-Generation mit ihren Zappelvideos mehr damit anfangen, mich macht der Film nervös bis aggressiv.
Glücklicherweise tut das der Musik keinen Abbruch, gute Soundqualität, wie auch auf der CD. Letztere bleibt für mich das erste Medium, um zuhause Rockmusik zu genießen. Die zusätzlichen Features auf der DVD können mich nicht halbwegs versöhnen. Die Bildergalerie zeigt einige gute Shots im vorhandenen Bühnenlicht, aber in der Mehrzahl 'totgeblitzte' Aufnahmen, die die vorhandene Stimmung nicht wiedergeben. Von der Trackliste kann man die einzelnen Songs aufrufen, es gibt noch die Umschaltmöglichkeit von Stereo auf Dolby Digital 5:1. Das Interview folgt Schema F, 'wie alles begann und wie´s dann weiterging'. Ein sehr entspannter, symphatisch wirkender und nun tatsächlich wie 60 aussehender Robin Trower wird von einer Standkamera im Sitzen beobachtet und gibt bereitwillig Auskunft über seine Karriere. Da gibt es schon interessante Aussagen, auch wie der Gitarrist zu seinem Hendrix-ähnlichen Stil kam. Doch das soll Denjenigen vorbehalten bleiben, die sich die Filmscheibe anschaffen wollen.
Die DVD ist sicher interessant für die Sammler von Live-Filmdokumenten, die einen starken Auftritt von Trower archivieren wollen oder Fans, die die gute Konzertreihe von 'Crossroads' sammeln. Der Mitschnitt ist, vom inhaltlichen abgesehen, technisch in Ordnung, möglicherweise sogar der einzige von Trower live. Wer weiß, ob der Mann seine Vitalität noch lange so auf die Bühne bringen kann (s. Zeitgenosse Johnny Winter)
Visuelle Ästheten sollten jedoch von vorn herein Abstriche machen !
Technik:
Dolby Digital, 5.1/2.0 PCM Stereo
Bildformat 16:9
Sprache englisch
kein Ländercode, freigegeben ohne Altersbeschränkung


Spielzeit: 105:00, Medium: DVD, Ruf Records, 2005
1:Too Rolling Stoned 2:Sweet Angel 3:What´s Your Name 4:Rise Up Like The Sun 5:Daydream 6:Living Out Of Time 7:Breathless 8:Day Of The Eagle 9:Bridge Of Sighs 10:Close Every Door 11:I want You To Love Me 12:Please Tell Me 13:Little Bit Of Sympathy
Bonus: Interview, Photo Gallery
Norbert Neugebauer, 17.12.2005