Manchmal bekommen wir CDs zum Besprechen, die selbst für den Minderheitenbeauftragten der Redaktion jenseits der Toleranzgrenze oder einfach genremäßig außerhalb des RockTimes-Universums angesiedelt sind. Da müssen wir leider passen. Aber wenn dann so eine Scheibe auftaucht, die noch irgendwo im persönlichen Musikspektrum eines Kollegen Platz hat und auch was taugt, findet sie ausnahmsweise wohlwollend Eingang in unseren Reviews. Und deshalb stelle ich heute eine reinrassige Tango-Platte vor, bei der selbst die E-Gitarre im Instrumentarium keinerlei Verbindung zur Rockmusik konstruieren lässt.
Es geht um die Musik von
Astor Piazzolla, dem großen Tango-Erneuerer aus Argentinien. Dem auch
Al Di Meola auf mehreren CDs huldigt. Der crossovernde Star-Cellist
Yo Yo Ma hat ein
Piazzolla-Album herausgebracht und zu der großen Riege seiner Jünger zählt nun auch das deutsche Quintett
Tangologia. Fünf klassisch ausgebildete Musiker, darunter der bereits mit 26 Jahren mit einer Professur am Landes-Konservatorium in Feldkirch/A betraute
Fabian Müller, haben 2004 dieses Ensemble gegründet, das bereits durch zahlreiche Live- und Medienauftritte bekannt geworden ist. Sie spielen in der Besetzung wie
Piazzollas Combo mit dem allerdings markanten Unterschied, dass
Müller den Part des Bandeonisten auf dem Altsaxophon spielt. Die E-Gitarre anstelle der akustischen sorgt dagegen für wesentlich geringere Soundunterschiede. Die Vorlagen klingen insgesamt frischer. Die kleine Quetsche ist ja nicht jedermanns Geschmack und das Saxophon schmeichelt dem Ohr doch mehr. Allerdings hat die Musik auch ihre sperrigen und kantigen Momente, vor allem wenn der Bass perkussiv knarzt.
Tangologia führen den Tango heraus aus der gepflegten Tristesse, nicht jedoch aus der Melancholie, die durchaus auch ihre heiteren und gelösten Formen hat.
Das Album besteht aus zwei Grundthemen. "Las Estaciónes Portenas" ist ein Jahreszeitenzyklus der Metropole Buenos Aires', dessen Stimmungen Piazzolla mit vier Miniaturen sensibel vertont hat. Wohltönende, wohltuende Impressionen mit poetischen Einführungen auf dem künstlerisch gestalteten Booklet.
Um das Thema 'Engel' dreht sich der zweite Teil "La Suite del Angel". Die religiösen Fabelwesen sind ebenfalls tangobesessen und teilen nicht konkurrenzfrei die Salons der Irdischen. Keineswegs ätherisch oder metaphysisch kommen die fünf Stücke daher, der Komponist hat den unsterblichen Reigen der Geflügelten augenzwinkernd in Szene gesetzt. Auch hier sind die Liner Notes eine schöne Ergänzung.
Für Entdeckernaturen jenseits der Rockmusik und für Freunde der getanzten Erotik.