Was ist mit Tempesta passiert? Jesses, was war The Other Side noch ein Brett - da dachtest du wirklich, Blackberry Smoke, Kid Rock und Metallica wären zusammen nach Nashville gezogen und hätten ne Platte aufgenommen. Der Nachfolger dieses richtig tollen Albums heißt "Unbounded" - und ich frage mich, wo die Coolness abgeblieben ist. Ob sie wohl bei einem Südstaaten-Trip vor der Rückreise in die heimische Schweiz am Flughafen konfisziert wurde?
Es beginnt erstmal bullig. Mit "Crazy" ist ein Opener am Start, der durchaus 'versüdstaatlichte' schwermetallische Härte ausstrahlt, nach dampfendem Teer riecht und nach Whisky schmeckt. Die Band macht Druck, und Sänger Reto Thalmann klingt punktuell immer mal wieder nach James Hetfield, was cool ist. Und dennoch zeichnet sich schon hier das Dilemma ab ...
Die Wucht ist genehm, aber die Hookline ist viel zu simpel, um wirklich Eindruck zu schinden. Simpel kann zwar auch genial sein - hier ist es aber eher nichtssagend. Trotzdem würde ich die Energie des Openers als 'Startsignal' des Albums ohne zu meckern mitnehmen, wenn im Anschluss die richtigen Kracher kommen würden. Oh ja, auf dem letzten Album folgte der Übersong "Talk Of The Town" auch an zweiter Stelle.
Doch dieses Mal kommt fast gar nichts mehr. "The Going Rate" startet wehmütig, um dann einen Power-Chorus rauszuhauen. Es ist aber ein glatter, perfekt geschliffener Chorus. Tempesta klingen plötzlich so austauschbar wie andere Bands, die ihre Ecken und Kanten abgeschliffen haben und mit 08/15-Hard Rock im Pop-Radio laufen. "Stray Heart" von Green Day fällt mir spontan ein. Oder "Wheels" von den Foo Fighters.
Tempesta klingen auf einmal nicht viel anders. Und sehr viele Songs auf dem Album sind ganz ähnlich gestrickt: "Children Of Innocents", "Living Room", "The Way You Love Me" ... allesamt Kommerz-lastige Powerballaden, zum Teil überproduziert. Oder "I'll Be Your Only One": Das fühlt sich zumindest ein bisschen nach Nashville an, erregt mich aber nicht stärker als die Neue von Bon Jovi. Tatsächlich klingt's sogar sehr ähnlich.
Es fehlen Hooks, Grooves und Melodien, die hängen bleiben. Nur noch ein einziges Mal versucht man im Allerlei der atmosphärischen Power-Balladen was Heftiges rauszuhauen - aber "All I Ever Wanted" klingt wie von einer Schülerband. Auf der anderen Seite der Härte-Skala erarbeitet sich die gut gemeinte Herzschmerz-Nummer "Without You" ebenfalls allerhöchstens Bonus-Track-Qualitäten.
Ein kleiner positiver Ausreißer ist "Wait", wo Tamburin und Lap Steel ausgepackt werden. Das Country-Feeling stimmt hier. Auch die sanfte Streicher-Zutat wirkt ausnahmsweise nicht wie Pop-Kleister. Alles in allem ist das aber viel, viel zu wenig. Ich mache abschließend nochmal den Plattenvergleich und höre mir "The Other Side" an. Tatsächlich: Die Scheibe haut mich nach wie vor komplett um.
Es liegt also offensichtlich nicht daran, dass sich mein Geschmack, meine Hörgewohnheiten oder Erwartungen verändert hätten. Und so kritisiere ich auch gar nicht die Band, die schon Tolles vollbracht hat und auf der Bühne bestimmt eine Wucht ist - die beiden Live-Zugaben liefern des Beweis: "I'm Back" (boah, das röhrt!) und "The Way It Is" (mehr Country-Feeling und Ohrwurm-Material in einem einzigen Song vom letzten Album als auf dem kompletten neuen!). Die Kritik bekommt nur das Album "Unbounded" ab.
Warum ist das Songmaterial nun so anders geworden? Daheim in der Schweiz sind Tempesta durchaus auch in den Charts zu finden. Aber legen sie es jetzt planmäßig darauf an? Ich mag es, wenn gute Musik im Radio läuft. Aber nicht Musik von guten Bands, die speziell fürs Radio geschrieben wurde. Vielleicht ist das ja nur eine Unterstellung meinerseits; aber es klingt nun mal so. Hoffentlich kriegen Tempesta wieder die Kurve - es wäre zu schade, wenn nicht.
Line-up:
Reto Thalmann (vocals, rhythm guitar)
Pascal Fuchs (lead guitar)
Ruedi Kälin (bass guitar)
Armin Brühwiler (drums)
Tracklist |
01:Intro (0:32)
02:Crazy (2:43)
03:The Going Rate (3:44)
04:Children Of Innocents (4:33)
05:I'll Be Your Only One (4:08)
06:All I Ever Wanted (3:33)
07:Living Room (3:01)
08:Wait (3:36)
09:The Way You Love Me (3:36)
10:Without You (4:29)
11:I'm Back [Live] (4:49)
12:The Way It Is [Live] (3:47)
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