Fünfzehn (!!) Jahre nach dem Erscheinen der letzten regulären Studio Scheibe "About Time", die damals noch im Original Line Up mit Alvin Lee am Sechsaiter und Mikrofon eingespielt wurde, gingen Ric Lee (Schlagzeug), Chick Churchill (Tasten) und Leo Lyons (Bass) zusammen mit ihrem neuen Frontmann Joe Gooch im Januar 2004 in die 'Chapel Studios' von Lincolnshire. Die Zeit war reif für eine CD mit neuen Studiotracks.
Zuvor überprüften Ten Years After ihre Form auf diversen Festival-Auftritten in Deutschland und der ersten UK Tour nach fünfundzwanzig Jahren. Mit dem Ergebnis offensichtlich zufrieden (und nachzuhören auf dem Live-Album "One Night Jammed") begann für die Band nun eine kreative Hochphase. Joe Gooch zeigte jetzt auch seine Fähigkeiten beim Songwriting (immerhin war er an sieben der neun neuen Stücke beteiligt).
Durch den ständigen Wechsel zwischen Bühne und Übungsraum zog sich die Entwicklung der neuen Titel zwar etwas länger hin als geplant, doch als der Studiotermin näher rückte, waren alle Songs in trockenen Tüchern und warteten darauf, auf Band aufgenommen zu werden.
Leo Lyons übernahm die Rolle des Produzenten, und so war es nicht verwunderlich, dass das ganze Album 'live im Studio' eingespielt wurde. Nur so war gewährleistet, dass die Spontanität und Energie, die Ten Years After auszeichnet, auch bei dieser CD richtig eingefangen wurde. Das hatte sich schließlich schon bei den frühen Aufnahmen der Gruppe in den 60iger Jahren bezahlt gemacht.
Und diese Rechnung ging auch voll auf! Das Album strotzt nur so vor Dynamik und Kraft, und man kann sich schon hier gut vorstellen, wie diese Songs auf der Bühne losgehen würden (was ja inzwischen auf der neuen Live-Scheibe Roadworks nachhaltig bewiesen wurde).
Das Material bewegt sich im Wesentlichen im Midtempobereich und lässt Joe Gooch sehr viel Freiheit, seine sechs Saiten effektiv einzusetzen. Dabei wird er optimal von Chick Churchill unterstützt, der sowohl an der Orgel als auch am Piano kräftig in die Tasten haut. Leo Lyons kann des Öfteren im gewohnten Rhythmus mitbängen, wie man es von ihm ja schon seit Jahrzehnten gewohnt ist.
Mein persönlicher Anspieltipp gehört aber zu der etwas ruhigeren Abteilung der Songs. "A Hundred Miles High" verändert in den sieben Minuten Laufzeit öfter mal das Tempo und ist in den langsameren Teilen mit einer schönen Akustikgitarre unterlegt. Zwischendurch gibt es sehr melodiöse elektrische Soli, die fast schon ein wenig an UFO mit den Axeman Vinnie Moore oder Michael Schenker erinnern. Im gleichen Fahrwasser bewegt sich "I'll Make It Easy For You", auch hier zunächst getragenes Tempo mit Piano-Begleitung und Akustik-Klampfe, dann Verschärfung und elektrisches Gitarrenspiel mit Wah Wah Effekten. Ansonsten gefällt mir hier die Stimme von Joe Gooch besonders gut.
Bluesig geht es bei "The Voice Inside Your Hand" zu. Ganz im Stil von "Good Morning Little Schoolgirl" und "Love Like A Man" pumpt der Bass stetig voran. Das Ganze wird durch schöne Soloeinlagen an Gitarre und Orgel ergänzt.
Als Letztes sei dann noch "King Of The Blues" erwähnt. Dieser donnernde Boogie hat sich inzwischen als Opener eines jeden Live-Sets etabliert und bringt vom ersten Ton an alle verfügbaren Extremitäten in Wallung. Vergleichshalber fallen mir dazu nur noch der "Refraid Hockey Boogie" von Canned Heat oder der "L.B. Boogie" der Holländischen Bluesband Livin' Blues ein, die auf der gleichen Schiene für Stimmung sorgen. Großartig hier die Pianoarbeit von Chick Churchill.
Insgesamt gibt es auf dieser CD keinerlei Schwachpunkte. Auch wenn kein absoluter Hammerhit im Stil von "I'm Going Home" enthalten ist, sind eigentlich alle Songs zeitlos und bühnentauglich und können ausnahmslos in das Live Programm mit eingebaut werden, ohne dass das Niveau sinken würde. Ten Years After haben nach all den Jahren nichts von ihrer musikalischen Qualität eingebüßt und werden sicherlich noch für viele Höhepunkte in der Rockmusik sorgen.
Spielzeit: 45,09 Minuten, Medium: CD, Fast Western, 2004
1:When It All Falls Down (3,27) 2:A Hundred Miles High (7,05) 3:Time To Kill (4,31) 4:I'll Make It Easy For You (5,32) 5:The Voice Inside Your Hand (4,32) 6:King Of The Blues (3,34) 7:Long Time Running (6,13) 8:Reasons Why (4,40) 9: Changes (5,14)
Jürgen Bauerochse, 30.11.2005
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