Das war noch Rock'n'Roll, damals anno Tubak - 1982: Terry und seine Piratenbande nahmen eine wahre Odyssee auf sich, um eine sagenhafte 72 Stunden (!!) dauernde Mini-Tour durch Europa, mit drei Gigs in Amsterdam, Bonn und Hamburg, zu spielen. Verschärfend kam - so wollen es Legenden wissen - hinzu, dass die Ehefrauen und Freundinnen den Bandmitgliedern in der Nacht vor der Abreise aus San Francisco gewaltig zusetzten, damit diese nicht zu 'ausgehungert' in die 'alte Welt' kamen. Es sollten ohnehin schlaflose Tage und Nächte - ach was, es waren ja nur Stunden - werden. Zum Abschluss standen sie am 6. Dezember in der Hamburger Markthalle für ein ausverkauftes Haus auf der Bühne und wirkten zunächst reichlich angezählt. Aber die Kameras des WDR surrten, um dieses einzigartige Ereignis für die Nachwelt auf Zelluloid zu bannen, und so holten die Jungs noch einmal das Letzte aus sich heraus. Liebe Leute, diese DVD hier ist die pure Energie, reiner Sex, wahrer Rock'n'Roll...
Gleich mit dem Opener "Rising Of The Moon" drückten Terry & The Pirates auf das Gaspedal und machten sofort klar, dass an diesem Abend keine Gefangenen gemacht werden. Die Songs stammten überwiegend aus den beiden damals aktuellen Alben The Doubtful Handshake und "The Rising Of The Moon". Leider konnte der zweite Lead-Gitarrist Greg Douglass diesen Kurztrip aufgrund seiner Verpflichtungen für die Greg Kihn Band nicht mitmachen. Seine Gitarrenduelle mit John Cipollina fehlen schmerzlich. Da Terry Dolan auf seinem Arbeitsgerät nur den Rhythmus drosch, blieben die solistischen Ausflüge einzig dem schlaksigen Hippie überlassen. Cipollinas Art, die Saiten anzureißen, war und bleibt nahezu einzigartig. Der 1989 an einem Lungenemphysem Verstorbene spielte stets ohne Plektrum eine Art Fingerpicking mit Daumen und Zeigefinger. Die Spinnenbeinen gleichenden, langen Finger flitzten dazu in unglaublicher Geschwindigkeit über das Griffbrett. Seine Soli und Chords waren auf außergewöhnliche Harmonien aufgebaut, sodass man Cipollinas Gitarre 'blind' von anderen Axtschwingern unterscheiden konnte und kann.
Ein weiterer Verblichener zeichnete in der Markthalle für die anderen Soloparts verantwortlich: Nicky Hopkins, der bis 1981 für die Rolling Stones seinen Steinway Flügel klimpern ließ. Er stieß zu den Pirates, weil er gemeinsam mit deren Drummer Greg Elmore und Cipollina beim Quicksilver Messenger Service spielte. Zurückhaltend-schüchtern und wohl auch eher ungern im Rampenlicht stehend bediente er sein Grand Piano in Hamburg mal mannschaftsdienlich - mal ekstatisch-virtuos, aber immer mit seinen Tasten verschmolzen scheinend.
"Montana Eyes" (mit einem Basssolo David Haynes'), "The Train Kept A' Rolling" und "Silverado Trail" - Terry & The Pirates ließen zur Freude der Hamburger eine Perle nach der anderen vom Stapel. Der 'rollende Zug' wurde in einer Intensität dargeboten, dass die ollen Yardbirds als Urheber in den Schatten stellte und "Silverado Trail" war und ist ohnehin einer der schönsten Songs der Piraten überhaupt...
Nun hatten sich Terry und seine Mannen offensichtlich alle Müdigkeit aus den Knochen gespielt, denn was Cipollina & Co. - Terry Dolan durfte im Backstage-Bereich eine 'dampfen' - bei dem Instrumental "Cobra" raushauten, war inspirierter Westcoast Rock in Reinkultur. Keine Zeit zum Verschnaufen blieb, denn mit "Inlaws And Outlaws" von der 1981er "The Doubtful Handshake" folgte das Highlight dieser DVD schlechthin. Ein Klassiker mit allen Attributen des Westcoast Rocks: lässig-entspannt, groovig und trotzdem knallhart packend. Herausragend sind hier die erneuten solistischen Duelle zwischen Hopkins und Cipollina - Hamburg quittierte es ekstatisch...
Mit dem bluesigen "I Put A Spell On You", gesungen von David Hayes (Kettenraucher Terry kam erneut einem dringenden Bedürfnis nach), und dem ausufernd jammigen "Edward The Mad Shirt Grinder", einem weiteren Instrumental, spielten sich die Seeräuber in einen wahren Rauschzustand. "Rainbow" und "River", dem damals brandneuen "The Rising Of The Moon"-Album entliehen, luden locker rockend zum fröhlichen 'Doobie-kreisen' ein bevor das abschließende "I Ain't Livin' Long Like This" (was für ein trefflicher Titel für diesen Kurztrip!) mit einem feisten Rock'n'Roll den Rausschmeißer mimte.
Minutenlanger, frenetischer Beifall trieben Terry &The Pirates zurück auf die Bühne der Markthalle. "Into The Wind" ließ als erste Zugabe Cipollinas Gitarre wieder unnachahmlich wimmern, während "Don't Do It" vom 1979er Debütalbum mittels enormer Rhythmik und nahezu hypnotischer Kraft den Hörer in den Bann zu ziehen verstand.
Nach erneuter Zugabeaufforderung des Publikums rockte der "Gun Metal Blues" die letzten verbliebenen Kräfte aus dem Quintett - verständlich, dass nun alle Beteiligten eine 'Mütze Schlaf' brauchten.
Ein weiteres Konzert-Highlight wurde mit "West Coast Legends Vol. 5" von MiG Music ausgegraben, das der Nachwelt ungedingt erhalten werden musste. Die Aufnahmen wirken sehr authentisch, da Bild und Ton nur marginal bearbeitet wurden. Das analoge Filmmaterial spiegelt halt den damaligen Stand der Technik wieder. Wer sich daran ebenso wenig stört wie an den teilweise bescheidenen Tonspuren, wird an dieser DVD seine helle Freude haben. Adrenalinstöße sind bei (Ex-)Hippies meiner Altergruppe vorprogrammiert...
Wer von John Cipollina nicht genug bekommen kann, der kann sich noch dessen gemeinsamen Rockpalast-Gig mit Nick Gravenites vom 2. November 1980 in Dortmunds Westfalenhalle - als West Coast Legends Vol. 1 erschienen - geben.
Line-up:
Terry Dolan (vocals, rhythm guitar)
John Cipollina (lead guitar)
Nicky Hopkins (grand piano)
David Hayes (bass, background vocals, lead vocals - #6, 17)
Greg Elmore (drums)
Tracklist |
01:Rising Of The Moon (3:50)
02:Inside And Out (4:00)
03:Something To Lose (4:30)
04:Genoa (3:25)
05:Montana Eyes (5:05)
06:The Train Kept A' Rolling (3:50)
07:Silverado Trail (4:35)
08:Cobra (4:20)
09:Inlaws And Outlaws (5:50)
10:Writing You A Letter (3:45)
11:I Put A Spell On You (5:50)
12:Edward The Mad Shirt Grinder (7:15)
13:Rainbow (4:35)
14:River (4:50)
15:I Ain't Livin' Long Like This (5:35)
16:Into The Wind (3:20)
17:Don't Do It (8:10)
18:Gun Metal Blues (4:42)
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