Theocracy / Mirror Of Souls
Mirror Of Souls Spielzeit: 68:02
Medium: CD
Label: Ulterium Records, 2008
Stil: Melodic Metal

Review vom 28.11.2008


Boris Theobald
Theocracy - das klingt wie ein typischer Bandname frei nach dem Motto 'Schau mer mal ins Fremdwörterbuch, dann finden wir schon 'nen coolen Bandnamen!' Oder hat es doch was mit Geschichte zu tun? Immerhin kommt die Band aus Athens, und da hat der große Alex früher ja auch mal nach eigenem Bemessen theokratisch, sprich göttlich legitimiert geschaltet und gewaltet. Aber nein - wir haben es gar nicht mit Griechen zu tun! Dieses Athens ist jenes in Georgia, USA. Und dort hatte Sänger und Gitarrist Matt Smith Theocracy als Ein-Mann-Kapelle gegründet. 2003 erschien das Debütalbum, auf dem alles Instrumentale und Vokale von ihm stammte. Kurz danach verstärkte er sich mit Gitarrist Jon Hinds und Drummer Shawn Benson. Wer denn nun auf dem Zweitling namens "Mirror Of Souls" die Bässe zupft, das bleibt ein wohl gehütetes Geheimnis - sie kommen aber vor, so viel sei sicherheitshalber gesagt!
Was die amerikanischen 'Theokraten' uns vorsetzen, ist ein betont melodischer Mix aus Speed und Power Metal - die von offizieller Seite angeworbenen Prog Metal-Elemente finden auch statt, jedoch nicht in dem Maße, dass ich von einer Prog Metal-Band sprechen würde. Auffällig ist zunächst dank der beiden ersten Stücke "A Tower Of Ashes" und "On Eagles' Wings" sowie Track Nummer fünf, "Absolution Day", eine straighte Gangart mit episch angehauchtem Speed-Metal, irgendwo auf der Schnittstelle zwischen Helloween, Angra und Stratovarius. Technisch über alle Zweifel erhaben entwickelt sich hier die ein oder andere Hymne zum gefälligen Ohrwurm. Was meine Erwartungshaltung aber schmälert: Ausgerechnet die Begrüßung durch die allerersten Stücke fällt doch recht austauschbar aus - dabei sollte eine junge Band, die noch was zu beweisen hat, den Hörer besser gleich vom Hocker reißen...
Nun gut, übel ist das alles auch wieder nicht, und außerdem ziemlich gut produziert - und so bleibt man dem Werk gewogen, bis an dritter Stelle mit dem Zehnminüter "Laying The Demon To Rest" endlich die Post abgeht! Ein gesunder Hauch von kompositorischer Anarchie und ein sehr düsteres Riffing - das hat was von Beyond Twilight! Ein dynamischer Longtrack zwischen knisternd spannenden und wild einherdreschenden Passagen, minutenlangen Instrumentalstrecken und einem getragenen, hymnenhaften Refrain, in dem sich eine große Stärke der Band offenbart: ein markanter, hoher, von richtig guten Stimmen vorgetragener Chorgesang mit einem Hauch von Circus Maximus. Ein großer Pluspunkt ist auch, dass der Song (endlich) reichlich in Sachen Tempo variiert.
Und wenn wir schon mal beim Geschwindigkeitswechsel sind... auch im Mid-Tempo klingen Theocracy ganz stark: "The Writing In The Sand" ist eine von opulenten Chören veredelte Mid-Tempo-Nummer - eine Art Power Metal-Halbballade im Stile von Masterplan, Primal Fear. Und die Spielzeit von knapp sieben Minuten lässt sogar Raum für den ein oder anderen abwechslungsreichen B-Part, wie auch die 7:39 Minuten von "Martyr", dem true-metallischsten Stück der Platte. Ja, da funkelt es recht stählern - mal geradeaus (und dennoch ansprechend variationsreich), mal in epischen Kanon-Chören.
Wo bei manch anderer Platte Feierabend ist, da kommt bei "Mirror Of Souls" erst der gleichnamige, 23 Minuten lange Höhepunkt. Mit dem Titeltrack offenbart die Band ihr ganzes Potenzial. Ruhige Akustikgitarren zu Beginn künden davon, dass da etwas Großes kommt - und so ist es. Ziemlich bald schrauben sich Tempo, Spannung und Härtegrad steil nach oben - es entwickelt sich ein spannendes Puzzle aus zahlreichen schwermetallischen Versatzstücken und einigen unerwarteten Kehrtwenden in der Spannungskurve und auf dem Tachometer. Im Ohr bleiben vor allem die mittlerweile erwartungsgemäß anmutvollen, majestätischen Chormelodien. "Mirror Of Souls" ist ein epischer Metal-Longtrack, ohne sonderlich 'proggig' zu sein - er geht eher in die Richtung breit angelegter Maiden-Epen wie "Dance Of Death" oder der Hälfte aller Songs auf "A Matter Of Life And Death".
Also: Die Jungs von Theocracy 'entschädigen' mit ihrem Mix aus Power-, Melodic- und Speed Metal zunehmend für den Anfang des Albums, der nun auch wirklich nicht schlecht ist, aber kaum erahnen lässt, was da noch alles folgt. Der Bandname ist übrigens doch eher kein Zufall - das spürt man, wenn man bei der Ballade "Bethlehem" angekommen ist. Hier wird die Geburt Jesu Christi besungen - der direkteste von zahlreichen christlichen Bezügen in den Lyrics des Albums. Ganz schön stark, dieses "Bethlehem", das ganz zauberhaft mit zwei Akustikgitarren beginnt und in einem wunderschönen, am Ende hochmodulierten Power-Chorus aufgeht - mein ganz persönliches Hard&Heavy-Weihnachtslied des Jahres 2008!
Line-up:
Matt Smith (vocals, guitar)
Jon Hinds (guitar, vocals)
Shawn Benson (drums)
Tracklist
01:A Tower Of Ashes (4:44)
02:On Eagles' Wings (4:11)
03:Laying The Demon To Rest (9:37)
04:Bethlehem (5:51)
05:Absolution Day (6:46)
06:The Writing In The Sand (6:43)
07:Martyr (7:39)
08:Mirror Of Souls (22:26)
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