Die Nordiren Therapy? waren nie eine schlichte Punk-Band, auch wenn ich sie doch irgendwie immer unter diesem Etikett einsortieren wollte. Meine Beziehung zu den Mannen um Chefdenker Andy Cairns begann nämlich mit dem von Kritikern eher zwiespältig aufgenommenen Album "Semi-Detached" (1998) - und endete danach auch ziemlich bald wieder. Ich mag die Scheibe sehr, keine Frage, aber auf Dauer war mein musikalischer Fokus doch eher ein anderer.
Dennoch werde nicht nur ich, sondern auch eingefleischte Fans mit dem aktuellen Opus, das auf den Namen "Crooked Timber" hört, möglicherweise anfänglich ihre Probleme haben. Gerade im Vergleich zum eingängigen "Semi-Detached" hat man es anno 2009 doch mit einem viel, viel sperrigeren, verquerteren und ausladenderen Werk zu tun, was die Songstrukturen angeht. Dabei sind Therapy? mittlerweile (eigentlich schon seit fünf Jahren) zum Power-Trio geschrumpft und es verwundert mich somit doch etwas, weshalb die Band anlässlich dieses Schrittes nicht zu geradlinigeren, schnörkelloseren Arrangements zurückgefunden hat. Offenbar scheinen die Herren dieser Tage kreativer und ambitionierter denn je zur Sache gehen zu wollen.
Bandaussagen zufolge liegt der Fokus auf "Crooked Timber" denn auch mehr auf Rhythmus als auf Melodie. Dies kann jeder sofort bestätigen, der die Scheibe auch nur einmal gehört hat. Eingängige Ohrwurmmelodien sucht man hier zumindest stellenweise vergeblich. Stattdessen gehen Therapy? beim Opener "The Head That Tried To Strangle Itself" zäh, rhythmisch und unglaublich hart rockend zu Werke. Wuchtige, massige Gitarren-Riffs empfangen den erstaunten Hörer und laden ihn in den folgenden 50 Minuten auf eine Reise ein, die neben breitwandigen Nackenbrechern (z.B. "Clowns Galore", "Bad Excuse For Daylight") aber auch sphärischen Pop (z.B. "Exiles") enthält und ihren kompositorischen Höhepunkt sicherlich beim zehnminütigen (!) "Magic Mountain" findet. Einfach unglaublich, so ein progressives, vielschichtiges Monster aus dem Hause Therapy? auf die Ohren zu bekommen! Damit hätte doch nun wirklich keiner gerechnet, oder?!
Insofern passt der Albumtitel, der übersetzt übrigens soviel heißt wie 'krummes Holz' bestens zum musikalischen Konzept. Entnommen wurde er übrigens einem Zitat des deutschen Philosophen Immanuel Kant, der sich einst zu folgendem Satz hinreißen ließ: »Aus so krummem Holz als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz gerade gezimmert werden!« Wie schön, dass Rockmusik manchmal gar mit einem tieferen wissenschaftlichen Hintergrund aufwartet. Da soll noch mal einer behaupten, Rocker seien prinzipiell unterprivilegiert und dumm...
Doch es ist nun bei weitem nicht so, dass "Crooket Timber" und Therapy? dieser Tage sämtliche Melodiebögen abhanden gekommen sind. Sie treten nur weniger offensichtlich auf den Plan und sind somit als wesentlich subtiler einzustufen. Oder sagen wir es anders: Wenn es Harmonien gibt, dann eher in den sphärischen, poppigen Momenten dieses Albums. Hier wurde also hochintelligent arrangiert und komponiert, was Frontmann Cairns nur zu gern bestätigt: »[Die Tracks] brauchten eine gewisse Zeit um geschrieben zu werden und wir haben uns diese Zeit genommen.« Klare Ansage also - vom Resultat kann sich ein jeder selbst überzeugen.
Fest steht zweifellos, dass sich Therapy? einmal mehr neu definiert und viel Herzblut in diesen Silberling gesteckt haben. »Ich glaube, wir hinterfragen immer, was uns zu Therapy? macht. Wenn wir immer nach dem selben Muster vorgegangen wären, hätten wir schon vor langer Zeit die Lust an der Sache verloren«, liefert Cairns denn auch gleich die naheliegende Begründung. Herausgekommen ist letzten Endes also ein Album, das durch seinen Stilmix aus rhythmischen Stoner Rock-Versatzstücken, minimalistischen Indie Rock-Ideen und plötzlich auftauchenden, cleveren Pop-Harmonien zu überzeugen weiß - das aber durch seine Vielfalt und seinen Starrsinn gleichzeitig etwas Zeit brauchen wird, um seine Stärken beim Hörer ausspielen zu können.
Zum Abschluss bringt der Sänger die Grundstimmung noch mal schön auf den Punkt: »Das Album handelt davon, die Eigenheiten der Menschheit zu feiern und das was uns einzigartig macht. Dieser Tage versucht jeder ins Schema zu passen, anstatt einfach er selbst zu sein.« Man selbst zu sein, sein Ding zu machen - diese Grundidee der Punk-Bewegung verfolgen Therapy? also noch immer und konnten sie mit "Crooked Timber" ein weiteres Mal eindrucksvoll in die Tat umsetzen.
Line-up:
Andy Cairns (vocals, guitar)
Michael McKeegan (bass)
Neil Cooper (drums)
Tracklist |
01:The Head That Tried To Strangle Itself (3:25)
02:Enjoy The Struggle (4:10)
03:Clowns Galore (3:43)
04:Exiles (5:36)
05:Crooked Timber (5:52)
06:I Told You I Was Ill (3:51)
07:Somnambulist (4:06)
08:Blacken The Page (2:48)
09:Magic Mountain (10:05)
10:Bad Excuse For Daylight (5:50)
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