Thunder / Robert Johnson's Tombstone
Robert Johnson's Tombstone Spielzeit: 52:46
Medium: CD
Label: Frontiers Records, 2006
Stil: Hard Rock

Review vom 06.11.2006


Olaf 'Olli' Oetken
Yeah, das passt zur nunmehr stürmischen Jahreszeit - die britische Classic-(Hard)Rock-Institution mit bluesigem Grundfundament namens Thunder beehrt uns lediglich 1 ¾ Jahr nach dem letzten Streich (The Magnificient Seventh) mit ihrem nunmehr achten Studiolongplayer.
Beim Titel des Vorgängeralbums hatten sich die Jungs von der Insel ja ganz gewaltig aus dem Fenster gelegt und konnten dabei den hehren Anspruch immerhin größtenteils erfüllen.
Und nun? Wohin soll die Reise gehen?
"The Magnificient Seventh" brachte die Band endgültig wieder 'back to the roots', Funk und Soul wichen dem erdigen Rock ('n' Roll) gemäßigter bis härterer Gangart, selbstredend durchsetzt mit feinen Balladen, um den überragenden Rockshouter unserer Zeit, Mr. Danny Bowes, auch genügend zur Geltung kommen zu lassen.
Auf dem brandneuen Album "Robert Johnson's Tombstone" erspähe ich nun Teufelchen Harry James, seines Zeichens trommelfellzerfetzender Powerschlagzeuger der Donnercombo, wie er am imaginären Grabstein der Blueslegende Robert Johnson lehnt, vor ihm alle Schlechtigkeiten/Laster des Lebens desselben ausgebreitet, während direkt gegenüber eine Akustikgitarre angelehnt ist.
Was will uns nun dieses Motiv sagen?
Widerfährt dem Erbe des Bluesurvaters eine Frischzellenkur, die sich gewaschen hat, oder zollt die Band ihrem musikalischen Fundament gebührend Respekt und präsentiert uns ein Bluesalbum?
Tja, ich würde sagen, im Prinzip weder noch!
Mit Blues im eigentlichen Sinne hat das hier wenig bis nix zu tun, und auch die Frischzellenkur im Rockgewand hält sich in Grenzen, denn das Teil ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, als ein absolut typisches Thunder-Album, geradezu klassisch und daher konsequent den Schritt 'back to the (band)roots' weitergehend, der mit dem letzten Werk begonnen wurde. Insofern halte ich die Coverabbildung für absolut irritierend und somit völlig fehl am Platze.
Aber halt, immerhin das Intro und Outro zum Titelsong führt uns auf die (falsche) Robert Johnson - Fährte, bis dann ein geniales Riffgewitter auf uns niederprasselt. Furioser Rocksong, sicherlich in der Tradition von Led Zeppelin stehend, von daher keine Frischzellenkur, aber Thunder streuen geschickt ein Stones'sches Honky-Tonk-Piano ein und glänzen ansonsten mit großzügigen Melodiebögen in bester Melodic Rock-Tradition.
Auch das darauf folgende "Dirty Dream" rifft gepflegt vor sich hin, schlackefrei, erdig, rau, ohne auf die Trademark-Melodic-Refrains zu verzichten. Aber Luke Morleys Axt sägt im Mittelteil munter durch die Szenerie, so dass wir letztlich doch wieder im absolut klassischen Rock landen.
Dann folgt schon die Überballade des Albums ("A Million Faces"), bester traditioneller Thunder-Stoff, unterstützt von warmen Orgelklängen Ben Matthews. Danny Bowes kann aber auch herrlich intonieren, ein Genuss!
Zack, und jetzt rifft es wieder, "Don't Wanna Talk About Love" wird beherzt eingeleitet, um schließlich in einem sehr melodischen Midtemporocker mit gar poppiger Attitüde zu münden.
Bei "The Devil Made Me Do It" ertappe ich mich dabei, dass ich unwillkürlich Brian Johnsons 'Heiser-Mecker-Kreisch-Organ' im Geiste höre, denn das Ganze würde AC/DC anno 2006 (gibt's die überhaupt noch?) gut zu Gesicht stehen. Thunder klingen natürlich irgendwie sauberer.
Die Überraschung des Albums ist für mich das etwas sperrige "Last Man Standig", gleichzeitig mit knapp sieben Minuten auch längster Song des Albums. Einmal mehr wird deutlich, dass Led Zeppelin den Oberpaten-Status inne haben, denn gerade hier erinnert einiges an Jimmy Page und seine Mannen. Aber Thunder bringen trotzdem ihr eigenes Profil ein und schwelgen einmal mehr in hochmelodischen Refrains. Aber hier gibt's zusätzlich überraschende Breaks, nichts ist vorhersehbar oder gar schablonenhaft. Ich muss ja zugeben, dass Thunder immer auf dem schmalen Grad wandeln, die beiden letztgenannten Attribute gerade noch umschiffen zu können, aber hier übertreffen sie sich selbst. Und Luke Morley gibt den respektvollen Page-Jünger, während Harry James endlich mal unverblümt die Bonham-Sau rauslassen darf.
Nun folgt selbstredend in Form einer Akustikballade ("My Darkest Hour") Erholung für die Ohren, getaucht in eine nachdenklich stimmende, etwas dunkle Atmosphäre. Diese wird dann jäh durch das fulminant rockende "Andy Warhol Said" beendet. Ein prädestinierter Live-Kracher, der auch den letzten müden Knochen wieder munter machen sollte. Dieses Riffing ist einfach (strukturiert), aber herrlich furztrocken und groovt wie Hölle! Zudem haut uns Luke Morley zur willkommenen Abwechslung auch mal heftiges Wah-Wah um die Ohren. Ein Bringer!
Anschließend erklingt ein Intro (und Outro), das ich irgendwie/irgendwo schon mal gehört habe, aber wo? Selbstzitat?
Sei's drum, Danny Bowes besingt einen wundervollen Tag ("What A Beautiful Day") und wir versinken in der Welt des wundervollen Seventies-Rocks. In den Welten des World-Wide-Web habe ich gelesen, dass Thunder ganz klar nach 80er (Hairmetal) Hardrock klingen sollen. Wirklich groteske Wahrnehmung, kann ich da nur sagen.
Mit "It's All About You" folgt eine eher mittelmäßige Donner-Ballade, aber mit feiner Saitenartistik Luke Morleys, der das Album auch produzierte und für den Großteil der Kompositionen verantwortlich zeichnete.
Abschließend gibt es noch mal ein grandioses 'Riff-Rhythmik-Melodic-Rock-Groove'-Monster mit einem wunderbar inbrünstigen Danny Bowes und einem Rezensenten, der endgültig die Luftgitarre auspackt, und das nachmittags um 14.45 Uhr!
Fazit:
Wer Thunder schon immer mochte, wird begeistert sein, alle Funk- oder Soulexperimente scheinen der Vergangenheit anzugehören. Wer diese Combo nicht kennen sollte, aber tendenziell dem klassischen (Hard)Rock mit hohem Melodiefaktor zugeneigt ist, sollte unbedingt mal ein Ohr riskieren und sich auch mit anderen Werken der Band beschäftigen, speziell mit "Back Street Symphony" (Debütalbum 1990) und dem Nachfolger "Laughing On Judgement Day" (1992).
Line-up:
Luke Morley (guitar)
Ben Matthews (rhythm guitar/keyboards)
Danny Bowes (vocals)
Harry James (drums)
Chris Childs (bass)
Tracklist
01:Robert Johnson's Tombstone
02:Dirty Dream
03:A Million Faces
04:Don't Wanna Talk About Love
05:The Devil Made Me Do It
06:Last Man Standing
07:My Darkest Hour
08:Andy Warhol Said
09:What A Beautiful Day
10:It's All About You
11:Stubborn Kinda Love
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