Tina Turner / Tina Live
Tina Live Spielzeit: 74:57 (CD), 130:00 (DVD)
Medium: CD & DVD
Label: EMI, Parlophone, 2009
Technik DVD:
Ländertyp: 0
FSK: 0
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Menü: Englisch
Bildformat: 16:9
Stil: R&B, Soul

Review vom 21.11.2009


Jürgen Hauß
Im Jahr 2006 ist der bislang einzige Beitrag zu Tina Turner auf RockTimes erschienen;
Collector's Edition, ein Review über ein 3-DVD-Box-Set mit den Aufnahmen dreier Konzerte aus den Jahren 1988, 1996 und 2000. Das Kapitel über das dritte Konzert, das bezeichnenderweise unter der Überschrift "One Last Time Live In Concert" stattfand, beginnt mit der bangen Frage der Autorin - übrigens niemand anderes als Ilka - ob das denn wirklich die Abschiedstour von Tina Turner gewesen sein soll? Doch sie äußerte bereits damals diesbezügliche Zweifel und hatte wie immer den richtigen Riecher mit ihrem Hinweis, dass man von einer Welttournee noch vor Tinas 70. Geburtstag munkele, denn in der Tat: Im vergangenen Jahr, im stolzen Alter von 69 Jahren, hat Tina Turner eine grandiose Welttournee hingelegt, die jetzt, kurz vor ihrem 70. Geburtstag am 26. November 2009, in Gestalt von zwei Silberlingen dokumentiert ist.
Doch was liegt da jetzt eigentlich vor mir? Eine CD mit einer quasi als Bonus beigefügten DVD, oder aber eine DVD mit beigefügter CD? Für die erste Variante spricht das typische Jewelcase einer CD-Verpackung und der hierfür übliche Preis, für letztere die Tatsache, dass auf der DVD wohl das gesamte Konzert (einschließlich einiger - aus meiner Sicht allerdings überflüssiger - Showelemente) festgehalten ist, während die CD mit einigen Songs weniger daher kommt, sowie die Reihenfolge, in der beide Scheiben eingelegt und dargestellt sind.
Und deshalb - und weil ich mir zugegebenermaßen das Set zu allererst wegen der DVD zugelegt habe - erfolgt nachfolgend in erster Linie ein DVD-Review. Ich wollte einfach sehen, ob es die 'Alte Dame' des R&B/Soul noch so richtig drauf hat. Und - dies kann ich gefahrlos vorwegnehmen - sie hat es drauf!
Weil es auch für den vorliegenden Auftritt gilt und ich es nicht besser formulieren kann, erlaube ich mir ein weiteres, minimal ergänztes Zitat aus dem bereits angesprochenen Review von Ilka: »Tina lässt (auch) auf d(ies)er Tour wieder die Bühne erbeben, denn wo sie auftritt, pulsiert ein Vulkan. Ihre Gigs sind immer ein Erlebnis - knisternde Erotik, dabei aber niemals billig wirkend. Sie selbst ist wie guter Wein: je reifer, desto besser. Man hat das Gefühl, sie wird auch optisch einfach nicht älter, ihre Energie scheint unerschöpflich zu sein. Wie macht sie das nur?«
Damit ist das Wesentliche gesagt. Inhaltlich bietet das Konzert hinsichtlich des dargebotenen Songmaterials keine Überraschung; Tina lässt - wie sie selbst bemerkt - die Vergangenheit Revue passieren. Und das hat allerdings die Konsequenz, dass zwei Songs von ihr, die auf der letzten mit der Ankündigung der vorliegenden Tour im vergangenen Jahr auf den Markt geschmissenen "Best-Of"-Scheibe ("Tina!") erstmals veröffentlicht wurden, gar nicht im Repertoire auftauchen. Hingegen werden alle ihre bekannten Songs, die man an einem derartigen Abend erwarten würde, präsentiert; insbesondere auch die Klassiker aus der I&T-Zeit wie "River Deep Mountain High", "Proud Mary" und natürlich "Nutbush City Limits". Das geschieht in einem spektakulären Rahmen. Mehr als 30.000 Zuschauer im Gelredome zu Arnheim (soweit in anderen Veröffentlichungen von 70.000 Zuschauern die Rede ist, kann sich diese Zahl angesichts der Kapazität der Location nur um die Addition der zwei dort stattgefundenen Konzerte handeln), die - soweit die zahlreichen Kameraschwenks sie einfassen - vom Alter her überwiegend ihre Kinder, wenn nicht gar ihre Enkelkinder sein könnten, begleiten enthusiastisch mit, was die 'Queen of R&B' zum Besten gibt.
Die DVD ist freigegeben ab 0 Jahren; das finde ich bemerkenswert angesichts der Erotik, die in diesem Konzert rüberkommt. Damit meine ich weniger die Aufnahmen von den vier, Tina tänzerisch begleitenden, halbnackten Go-Go-Girls, als vielmehr die Ausstrahlung, die Tina Turner selbst rüberbringt. Natürlich sind - insofern familienfreundlich - keine 'nackten Tatsachen' zu sehen, aber bei den Bewegungen aller Damen auf der Bühne knistert es schon gewaltig. Auch wenn die Bewegungen von Tina nicht mehr so ekstatisch sind wie früher bei ihr selbst und aktuell bei ihren Tänzerinnen, dafür kommen sie natürlicher rüber als ein Beweis dafür, dass sie die Musik einfach im Blut hat. Demgegenüber wirkt die Choreographie der vier Hupfdohlen als das, was sie halt ist: einstudiert und damit steril.
Begleitet wird Tina von einer eingespielten Band; fast alle Musiker einschließlich der Background-Sängerinnen waren bereits bei der "One Last Time Live In Concert"-Tour dabei. Der damals nicht anwesende Laurie Wisefield hat dafür bereits bei "Rio 88" mitgespielt. Und die Band - (für mich) in erster Linie 'Mr. Music' John Miles - steht Tina in nichts nach. Jeder zeigt, dass er sein Instrument beherrscht. Dies gilt insbesondere auch für die Background-Sängerinnen, die - sofern man sie nicht bereits als Solistinnen kennt - als Background-Sängerinnen schon viele Superstars begleitet haben. Und Tina besitzt die Größe, beiden die Chance zu geben, solistisch in den Vordergrund zu treten, was angesichts deren Qualität nicht ganz ohne Risiko ist.
Damit könnte ich es eigentlich bewenden lassen, doch auf einige Kleinigkeiten möchte ich noch eingehen:
Eine kleine Überraschung passiert am Ende von - je nach Zählweise, dazu später noch mehr - Track 6, "Better Bo Good To Me": Einem jungen Fan - verfolgt von zwei Securityleuten - scheint es gelungen zu sein, diese zu narren und auf die Bühne zu stürmen, um seinem - zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht auf der Bühne weilenden - Idol näher zu sein. Dass man solch eine Störung in der Dokumentation belässt - 'Chapeau'! Doch angesichts der akrobatischen Einlagen dieses 'Fans' und - mehr noch - der choreographierten Verfolgungsjagd wird schnell deutlich, dass es sich um eine reine Showeinlage handelt, möglicherweise, um dem Publikum die Zeit für eine Umkleidepause zu verkürzen. Ob so etwas nötig ist (weitere ähnliche 'Einlagen' folgen später noch mehrfach) muss jeder für sich selbst entscheiden.
Nach der Pause lässt Tina es etwas ruhiger angehen; sie sitzt im Kreise ihrer Musiker auf einem Hocker und präsentiert in dieser Phase auch die eigentlich lebhafteren Songs vermeintlich ruhiger, was man ja von früheren Auftritten bereits kennt. Aber sogar in dieser Phase ist der Sängerin anzumerken, dass ihr der Soul im Blut liegt; sie kann kaum still sitzen, der ganze Körper vibriert und ist ständig in Bewegung. Wer aber denkt, dass diese 'Ruhephase' Zeichen altersbedingt fehlender Kraft der Protagonistin ist, täuscht sich gewaltig. Allerhöchstens dient sie als 'Ruhe vor dem Sturm', bevor Tina mit "The Best", "Proud Mary" und natürlich "Nutbush City Limits" zu einem fulminanten Endspurt ansetzt.
Ein Sturm brandet insbesondere beim letztgenannten Titel auf, während dessen sie die meiste Zeit in einem 'Korb' am Ende eines drehbaren Bühnenauslegers über dem Publikum schwebt und dabei oftmals beängstigend weit über das Geländer hinaus 'hängt'. Deutlicher kann man nicht dokumentieren, dass das Publikum Tina zu Füßen liegt. In dieser Situation ist sie ganz in ihrer Rolle und dreht nochmals kräftig auf, indem sie das Publikum zum Wechselgesang auffordert, was dieses sich nicht zweimal sagen lässt. Zudem tanzt sie auf ihren High Heels den ohne ein Geländer gesicherten schmalen Steg entlang, dass es einem Angst und Bange um die alte Dame werden könnte. Aber das erwartungsfrohe Publikum fordert sie - wenn auch vergeblich - durch Plakate zum Stage diving auf, so dass sie bei einem Schwächeanfall sicherlich weich gelandet wäre.
Ansonsten kann man über die DVD fast nur Positives bemerken. Bild und Sound sind von einwandfreier Qualität und Brillanz; manchmal finde ich persönlich die Bildschnitte etwas zu schnell und damit zu hektisch, und viel zu oft konzentriert sich die Regie auf die Tänzerinnen.
Differenzen bestehen zwischen der Tracklist auf dem Inlet der Hülle und der Titelangabe im DVD-Menü; während erstere 26 Titel benennt, werden im Menü nur 20 Titel angezeigt. Dies hat seine Ursache darin, dass im Menü die Shownummern, Instrumentaltitel und Reprises nicht dargestellt sind und damit nicht direkt angewählt werden können.
Und die CD? Sie ist - schon aufgrund ihrer geringeren Kapazität - deutlich kompakter und damit inhaltlich straffer. Überflüssiges Material ist dort nicht vorhanden, wie diese mehrfachen Showeinlagen. Aber auch weniger erfolgreiche Songs wie "Acid Queen" oder (leider) auch die Interpretation des Beatles-Klassikers "Help" mussten weichen. Dass "Nutbush City Limits" um etwa 3:30 Min. kürzer wiedergegeben wird als auf der DVD und auch "What's Love Got To Do With It" um den immerhin 6:30 Min. langen Reprise-Teil gekürzt wurde, macht hingegen Sinn. Interaktionen mit dem Publikum, die auf der DVD unheimlich stark wirken, kommen beim reinen Zuhören natürlich nicht so gut rüber. Aber immerhin sind die Solo-Gesangseinlagen von Stacy Campbell bei "Better Be Good To Me" bzw. von Lisa Fisher bei "It's Only Rock'n'Roll" enthalten, wobei man aufgrund der rein akustischen Wiedergabe es kaum bemerkt, dass nicht Tina selbst singt, so ähnlich sind die Stimmen.
Die vorgenannten Kürzungen hätten ausgereicht, dass auch auf der CD das die DVD abschließende "Be Tender With Me Baby" enthalten gewesen wäre; Platz genug wäre vorhanden gewesen. So erfolgt nach dem absoluten Höhepunkt ein ziemlich abrupter Sturz in die Stille.

Dafür bietet die CD die Chance, "Tina Live" auch dort zu erleben (wie etwa beim Autofahren oder beim Joggen), wo der Einsatz einer DVD ausgeschlossen ist, sowie die einzige Möglichkeit, dem ständigen Anblick der unsäglichen Hupfdohlen zu entkommen. Dafür entgeht einem natürlich die Möglichkeit, die unglaubliche Kraft, die eine nahezu 70-jährige Tina Turner noch auf die Bühne bringt, optisch wahrzunehmen; jedoch auch rein akustisch kann man sie nicht 'übersehen'!
Aber auch die CD 'leidet' an einem kleinen technischen Mangel: Wenn man sie in einem Media-Player abspielt, erfolgt eine völlig falsche Titelangabe; beim Abspielen in iTunes wurde mir gar das Cover der CD "Live - The Ike & Tina Turner Show" eingeblendet. Aber das sind wirklich nur marginale - zumal leicht behebbare - Technikalien.
Insgesamt ist dieses DVD/CD-Album daher - und nicht nur wegen des allgemein günstigen Preises - einen klaren Tipp wert. Und, wer weiß: Vielleicht war es ja dieses Mal wirklich "One Last Time Live In Concert"?
Line-up:
Tina Turner (voc)
Ollie Marland (key, voc)
John Miles (guitar, voc)
Laurie Wisefield (guitar, voc)
Joel Campbell (key, voc)
Euge Groove (sax, key)
Jack Bruno (dr)
Warren McRae (bass)
Lisa Fischer, Stacy Campbell (background vocals)
Tracklist
CD:
01:Steamy Window (4:26)
02:River Deep Mountain High (3:53)
03:What You Get Is What You See (4:03)
04:Better Be Good To Me (6:25)
05:What's Love Got To Do With It (3:39)
06:Private Dancer (6:29)
07:We Don't Need Another Hero (5:10)
08:Let's Stay Together (4:07)
09:Jumpin' Jack Flash (1:47)
10:It's Only Rock'n'Roll (3:23)
11:Goldeneye (4:08)
12:Addicted To Love (4:54)
13:The Best (5:07)
14:Proud Mary (9:52)
15:Nutbush City Limits (7:34)
DVD:
01:Introduction Music
02:Steamy Window
03:Typical Male
04:River Deep Mountain High
05:What You Get Is What You See
06:Better Be Good To Me
07:Ninja Chase (Instrumental)
08:The Acid Queen
09:What's Love Got To Do With It
10:What's Love Got To Do With It (Reprise)
11:Private Dancer
12:Weapons Sequenze (Instrumental)
13:We Don't Need Another Hero
14:Help!
15:Let's Stay Together
16:Undercover Agent For The Blues
17:I Can't Stand The Rain
18:Jumpin' Jack Flash
19:It's Only Rock'n'Roll (But I Like It)
20:Flamenco/009 Encouter (Instrumental)
21:Goldeneye
22:Addicted T Love
23:The Best
24:Proud Mary
25:Nutbush City Limits
26:Be Tender With Me Baby
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