Tishamingo - Wear N' Tear
Wear N' Tear
"The Young Sounds of the New South", "The Next Big Thing in Southern Rock" - so und so ähnlich wurden Tishamingo anno 2004 nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums in der amerikanischen Musikpresse gepriesen. Die hier vorliegende zweite CD der vierköpfigen Band aus Athens, Georgia, wurde zwar bereits vor einem Jahr veröffentlicht, aber nach dem Motto 'besser nie als spät' (oder war es anders?) ist diese Rezension mehr als vonnöten. Denn 2005 wurden in Deutschland zu Unrecht unterdurchschnittliche Hardrock-Alben zu den Southern-Rock-Sensationen des Jahres hochgejubelt und zu Hoffnungsträgern des Genres auserkoren, während musikalisch bessere und produktionstechnisch überlegene Scheiben von Catawompus (It's Spelled C.A.T.A.W.O.M.P.U.S.) und eben von Tishamingo mehr oder weniger untergingen.
Sie sind eine Band, die ihre Mixtur aus (Southern) Rock, Blues und Country mit gelegentlich langen Jams würzen, Abwechslungsreichtum ist hier wie schon auf dem Debüt das Erfolgsrezept. Wer grundsätzlich die Allman Brothers, Widespread Panic, Gov't Mule, Jupiter Coyote (oder neuere Vertreter wie Sol Dog, Phantom Wingo), usw. mag, wird gefallen an dieser Scheibe finden. Dies bedeutet aber nicht, dass Tishamingo keinen eigenständigen Sound hätten! Sie zelebrieren ihr Können auf diesem Album auf meisterhafte Weise. Besonderer Erwähnung bedarf die sehr transparente Produktion von David Barbe (u.a. Drive-by Truckers) und der sehr gute Mix von John Keane (da sind wir schon wieder bei Widespread Panic gelandet).
Die CD startet furios mit dem harten Rocker "Wastin' Time", so macht es einfach Freude, die Zeit zu vergeuden. Die beiden Gitarristen (und zugleich Sänger) Cameron Williams und Jess Franklin geben von Anfang an Vollgas, mit gelegentlich betont agressiven Twin-Gitarren, um dann nach der ersten Hälfte des Songs mit einem Tempowechsel ein paar leicht psychedelisch anmutende Salven abzufeuern, um schlussendlich dann wieder zum schnellen Part zurückzukehren. Was für ein Parforceritt gleich zu Beginn!. Da kommt der lange, relaxte "Hillbilly Wine" gerade recht, ziemlich jammig und bedingt durch den Einsatz der Slide mit einer swampigen Atmosphäre. Ja, auch dieser Wein schmeckt ganz hervorragend.
Zwei Gänge legen die Jungs auf dem Lynyrd Skynyrd-Cover "Poison Whiskey" zu, den sie herrlich grooven lassen und mit der nötigen Attitüde in einen zeitgemäßen Hardrock-Song verwandeln. Ja, auch so kann man alten Helden Tribut zollen! Ob unsere Hall-Of-Famer Ed King und Gary Rossington diese Version bereits gehört haben? Wie auch immer, mit "Magic" zaubern Tishamingo eine bluesige Ballade aus dem Ärmel, die mit Details vom fantastischen Akustik-Intro bis hin zu den Orgel-Tupfern wieder vollends überzeugt. "Rome" hingegen ist ein jazzig angehauchtes, fusionmäßiges Instrumentalstück, das noch einmal die musikalische Klasse und Vielfältigkeit dieser Band unterstreicht.
"Billy" (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Song der famosen Texas City Revelators) ist ein melodischer Southern-Rock-Hammer der Extraklasse, bei dem man mit der Zunge schnalzen kann. Auf solch ein geniales Doppelgitarren-Thema hat jeder Fan gepflegten Südstaaten-Rocks seit "Too Long Without Her Again" und "A Real Good Feelin'" der Outlaws sehnsüchtig gewartet. Herr Thomasson, benötigen sie noch etwas Inspiration? "Smoked Mullet" glänzt schon wieder mit Slide-Soli als wäre der Gitarrengott Duane Allman auferstanden. Im nächsten Song wird - nach dem kurzen Intro "Willin' To Die" - die Geschichte des legendären Gangsters Babyface Nelson der dreißiger Jahre - verpackt in einen Southern-Country-Rocker - erzählt. Hier wippen die Füße automatisch mit.
Auf "Worn Out Soles" werden Tishamingo dem bandeigenen Motto "Soulful Rock & Roll" mehr als gerecht, sie spielen den Blues tief aus der Seele kommend. Der vorletzte Song "Ain't Got Time" mutet zunächst wie ein weiterer entspannter Country-Swamp-Rocker an, um sich dann in den letzten zwei Minuten zu einem Feuerwerk aus lodernder Slide, brennender Solo-Gitarre und glühender Orgel am Southern-Jam-Himmel zu steigern. Was die Jungs im Studio als Brennholz benutzt haben, mag sich jeder selbst vorstellen...
Mit einem kurzen Piano-Stück endet diese CD. Eine kleine Zugabe gibt es noch, wenn man die CD in den Computer schiebt, und zwar Filmaufnahmen mit der Band im Studio, sowie eine Demoversion von "Billy".
Wer das erste Album von Tishamingo sein eigen nennt, kann hier bedenkenlos zugreifen. Diejenigen Damen und Herren, die Tishamingo noch nicht kennen, sollten das ändern, und zwar bitte schleunigst!


Spielzeit: 53:24, Medium: CD, Magnatude Records 2005
1:Wastin' Time 2:Hillbilly Wine 3:Poison Whiskey 4:Magic 5:Rome 6:Billy 7:Smoked Mullet 8:Willin' To Die 9:Legend Of George Nelson 10:Worn Out Soles 11:Ain't Got No Time 12:Reprise
Extras: Filmaufnahmen aus dem Studio und Demoversion von "Billy"
Janos Wolfart, 07.02.2006