STAY FUCKIN' METAL!!!
Rocktimes Interview Die sieben bekannten Jahreszeiten (Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Schützenfest, Libori, Karneval) meiner wunderschönen Heimat werden leider viel zu selten durch eine achte ergänzt. So alle drei, vier Jahre können sich viele, aber leider immer noch zu wenig Langhaardackel über die neueste CD von Torian freuen. Warum und wieso das so ist und Dawn so geworden ist, wie ich es nicht erwartet hätte, darüber gibt Carl Delius freiwillig und gerne Auskunft

Interview vom 13.06.2012


Peter Bigalke
RockTimes: Zehn Jahre Torian, welche Wünsche, Hoffnungen, Befürchtungen, Erwartungen hattest du/ihr zu Anfang und wie würde die Beantwortung jetzt ausfallen?
Carl: Wenn man in jungen Jahren eine Band gründet, hält man sich für endlos geil und unbesiegbar. Man hofft natürlich auf den schnellen Durchbruch mit dem ersten Album und eine kometenhafte Verbreitung des Namens. Dieses ist dann im Endeffekt kontinuierlich geschehen, mit Luft nach oben.
Wir haben dabei tolle Sachen mit der Band erlebt, grandiose Auftritte und Parties, abgefahrene Orte und außergewöhnliche Menschen. Die ganz großen Dinger wie z. B. Wacken oder eine fette Tournee sind ausgeblieben, wobei es bei Letzterem durchaus Angebote gab, die uns aber bei genauerem Hinsehen nicht viel genützt hätten und sich, sagen wir mal, nicht als lukrativ erwiesen, um es mal freundlich zu formulieren.
Auch wenn dieser von Anfang an vorhanden war, setzte sich der künstlerische Anspruch, einfach Musik zu machen, die man selbst am liebsten hört, jedoch immer stärker durch. Natürlich gibt es kaum Schöneres, als vor einer riesigen Menge zu spielen, die einen textsicher abfeiert. Diese Momente gab es, wie gesagt, oft in der Torian-History. Trotzdem ist der Erfolg zur Nebensache geworden: Die Momente, wenn man einen tollen Song fertig hat oder im Studio an den Stücken feilt, dass sie in vollem Glanz erstrahlen, wiegen einfach mehr. Deshalb gibt es Torian nunmehr schon zehn Jahre. Wir sind immer noch hungrig und fest davon überzeugt, dass unsere Songs ein sehr breites Publikum ansprechen.
Ich denke, besonders ist auch, dass wir seit fast sieben Jahren mit einem konstanten Line-up spielen, nachdem zwei vorige Konstellationen in die Brüche gingen. Konflikte gab es natürlich auch immer wieder, aber wie Gonzo (drums) so schön sagt: »Pack schlägt sich, Pack verträgt sich...« Ein konstantes Line-up ist in jedem Fall ungewöhnlich für eine Band, die das eher neben dem Beruf macht. Es erleichtert aber auch vieles. Wir wissen inzwischen genau, wie der andere musikalisch und persönlich tickt. Außerdem hat jeder in beiderlei Hinsicht viel gelernt. Natürlich geht nichts ohne schwarzen Humor. Für viele Außenstehende ist dieser manchmal nur schwer zu verstehen.
RockTimes: Nicht ganz so lange, aber doch schon eine Weile liegt die Veröffentlichung der Mini-CD zurück Was fällt dir an positiven wie auch negativen Dingen ein, die in dieser langen Zeit hinsichtlich der musikalischen Entwicklung passiert sind?
Carl: Nun, in der Folge des 3-Trackers wurden reine Thrash-Songs geschrieben und auf der Debüt-LP veröffentlicht, die einfach nicht zur melodisch ausgerichteten Musik passten. Für sich gesehen waren es gute Songs, nur nicht 100%ig Torian. Das Positive daran ist, dass wir es danach geschafft haben, diese Elemente besser in den Sound zu integrieren. Somit klang die "Thunder Times" schon wesentlich homogener, während wir auf "Dawn" wieder in die Extreme gegangen sind, ohne dass bei den härteren Songs die Melodien vernachlässigt wurden bzw. die melodischeren Stücke immer noch genug Arschtreten.
RockTimes: Mit dem Abstand von gut sieben Jahren betrachtet: War "Dreams Under Ice" etwas zu schnell und vielleicht unüberlegt auf die Welt gebracht worden?
Carl: Wenn wir von den gerade angesprochenen Punkten sprechen, dann eher nicht. Ich habe auch diese Songs geliebt und ich bin ein sturer Bock. Ich hätte nie Ruhe gegeben, bevor diese Stücke veröffentlicht gewesen wären.
Ich bin mir sicher, dass bei einer Produktion wie der von "Dawn" niemand gemeckert hätte. Es ist ein skuriler Gedanke, aber da die Rechte seit einiger Zeit wieder bei uns sind, wäre es eigentlich nur logisch, das Album nochmal komplett aufzunehmen und rauszubringen. Die Songs waren zum großen Teil sehr ausgereift... Wir schauen, was die Zeit bringt.
RockTimes: Standet ihr für die Aufnahmen zu "Thunder Times" nach eurem nicht überall mit Wohlwollen aufgenommenen ersten Album unter einem besonderen Druck? Wenn ja, wie hat er sich bemerkbar gemacht?
Carl: Nein, in keinster Weise. Sicher, Hits wie "Torian" oder "Into The Winter" schreibt man zwar nicht jeden Tag, produktionstechnisch konnte man sich aber nur verbessern. Die Produktion ist nicht nur die halbe, sondern mancherorts vielleicht sogar die 90%ige Miete. Da kannst du noch so tolle Nummern schreiben. Wir waren aber sicher, dass Nikko zu dem Zeitpunkt der richtige Mann dafür war. Der Druck war einfach nicht so groß. Diesmal, also bei "Dawn", war er schon größer.
RockTimes: Geschlagene drei Jahre hat es nun bis zur neuen CD gedauert. Eine Zeit, die es wert war, zu warten. Wann entstanden die ersten Ideen? Welche konzeptionelle Überlegung steckt dahinter?
Carl: Diese Idee spukte schon zu "Deadly Sin"-Zeiten in meinem Kopf herum. Der Song "Dawn" existierte in einer rudimentären Fassung von ca. sechs Minuten Länge, wurde aber nie veröffentlicht. Er entstand aus einer Lebenskrise heraus, ebenso wie die Geschichte, die hinter dem Konzept steckt. Ja, im Jahre 2000 wurde die Idee geboren, irgendwann einmal ein Konzeptalbum namens "Dawn" zu schreiben. Man kann also sagen, dass ich an dem Song ca. zwölf Jahre gearbeitet habe - mit Unterbrechungen. Dieses gilt auch für "Grateful" und "Oceans".
Die Idee handelt von einem Mann, der sich dazu entschließt, seine ehemalige Geliebte und dann sich selbst umzubringen. Auf dem Weg zu ihr durchquert er eine Großstadt, die wie die gesamte Welt dem Untergang geweiht ist. Ein apokalyptischer Krieg zieht herauf, doch die Menschen üben sich in hysterischer Ignoranz. Er reflektiert die Gründe, warum die Menschheit untergeht. Seine Gedanken kreisen jedoch immer wieder um sich selbst und warum er scheitert, während er immer mehr zum Nihilismus hinübergleitet. Am Schluss lässt er seine ehemalige Geliebte gehen, richtet sich selbst und die Welt geht unter.
RockTimes: Was ich nach mehrmaligem Hören von "Dawn" feststellen konnte, dass die Titel entspannter klingen, als noch bei der vorherigen CD. Sollte meine Vermutung richtig sein (und ich habe immer Recht), muss die Selbstsicherheit des Wissens um das hohe Potenzial des erarbeiteten Materials sehr hoch gewesen sein.
Carl: Ganz richtig. Irgendwann entwickelt man eine gewisse Selbstsicherheit, was nicht heißt, dass ich den Jungs auch noch kurz vor knapp immer wieder auf den Sack gehe, um diverse Dinge wieder zu verändern, damit die Songs NOCH besser werden. Aber grundsätzlich hatten die Stücke auch eine gewisse Zeit zum Reifen.
RockTimes: Im Gegensatz zu "Thunder Times" ist "Dawn" als Gruppenarbeit zu bezeichnen. Während die komplette musikalische Gestaltung bei "TT" von Dir stammte und die Texte zusammen mit Marc Hohlweck (Gesang) entstanden, haben sich bei "Dawn" alle anderen mehr eingebracht, als nur brav die Vorgaben zu spielen.
Carl: Ja, das liegt schlichtweg daran, dass man sich eben inzwischen sehr gut kennt und die Fähigkeiten der anderen zu schätzen weiß und darauf vertraut. Es gibt natürlich hin und wieder Meinungsverschiedenheiten, aber ich vertraue auf das Geschick und das muskalische Verständnis der Jungs. Wenn einer der anderen auf seiner Idee beharrt, sei es eine bestimmte Drum- oder Vocal-Line, ein Basslauf oder eine Gitarrenharmonie, die ich so nicht vorgesehen hatte und somit erstmal gewöhnungsbedürftig finde, gebe ich in den meisten Fällen nach. Ich denke dann, dass sich derjenige etwas dabei gedacht hat. Wenn das Gegenüber schnell nachgibt, weiß ich, dass er nicht unbedingt die bessere Idee hat bzw. davon nicht so überzeugt ist, damit er sie auf Biegen und Brechen durchsetzen will. In Bezug auf die Musik versuchen alle, objektiv zu sein und ihr Ego zurückzustellen. Auf "Dawn" passt nun einfach alles, und ohne das Zutun der anderen hätte das Album nicht die Qualität.
RockTimes: Dieses gemeinsame Erarbeiten mag aber auch Zündstoff enthalten haben. Blastbeats, wie ich sie von irgendeiner Death Metal-Combo im Kontext mit Power Metal erwarte, sind erstmal dikussionswürdig.
Carl: Also, auf der "TT" gab es auch schon Blastbeats. Gonzo hatte das angeregt und der Rest fand das von Anfang an gut. Auf der "Dawn" habe ich viele Parts aus eigenem Antrieb schon geschrieben. Ich verweise aber auf unseren großen Einfluss Dragonforce, die das vor uns salonfähig machten, wenngleich Black Destiny noch weiter vorher damit arbeiteten.
Ich denke, es ist nicht mehr so ungewöhnlich, wenngleich es nach wie vor nicht viele machen. Viele Extreme-Metaller, die im Power Metal nicht so bewandert sind, nehmen das im Übrigen sehr wohlwollend zur Kenntnis.
RockTimes: Warum wurde mit dem Material, das sich auf sehr hohem Niveau befindet, nicht versucht, ein besseres Label zu finden?
Carl: Nun, das Label hatte die Option auf das Album. Sie hätten uns aber ziehen lassen. Wir hatten den zusätzlichen Deal für das Album jedoch schon vor längerer Zeit unterzeichnet. Wir waren einfach müde, uns noch einmal eine lange Zeit auf die Suche zu begeben. Sound Guerilla hat sich aber gut gemacht und arbeitet noch enger mit den Medien zusammen, sodass wir uns auch zusätzlich neben den netten persönlichen Kontakten sehr wohlfühlen.
Es ist uns natürlich klar, dass große Teile der Presse einem Album von AFM oder Nuclear Blast anders gegenüberstehen und diese auch viel mehr Möglichkeiten haben. Unser Indie hat aber auch Vorteile, weil die persönliche Betreuung - wie gesagt - einfach sehr gut ist. Man bestätigt uns immer, dass sie sehr stolz auf uns sind und die Verkäufe sie mehr als zufriedenstellen.
RockTimes: Mit weit über 60 Minuten ist "Dawn" sehr üppig in der Spielzeit ausgefallen. Wieviele Titel standen in der Planung und wieviele wurden letztendlich verworfen?
Carl: Es ist so, dass wir dieses Mal keinen Song zuviel komponiert haben. Eine Auswahl musste in dem Sinne nicht getroffen werden.
RockTimes: Während "Thunder Times" trotz des Masterings von Martin Buchwalter etwas mehr Druck hätte vertragen können, ist "Dawn" eine in der Gesamtsumme klanglich überzeugende CD. Du darfst jetzt ein wenig Werbung für das Studio im ostwestfälischen Niemandsland machen.
Carl: Gern. Also, Jan Herbst besitzt dort die Sunlit Studios. Die Metalsektion heißt auf unser Drängen jetzt Mordian Halls. Das Studio ist einer seiner musikalischen Standbeine. Da er alles Mögliche aufnimmt, hat er auch durch seine Kontakte zur Uni Paderborn (er doziert dort) immer eine rege Kundschaft, weshalb er auch keine Website besitzt. Das Arbeiten findet in sehr entspannter Umgebung statt. Ich denke, dass wir das nächste Mal wieder dorthin gehen, um es noch besser zu machen!
Übrigens spielen Alex und ich mit ihm, einem Kumpel und Drumtech Jonas seit neuestem in einer Hard Rock-Band, wo ich nach vielen Jahren wieder den Leadgesang übernommen habe.
RockTimes: Welche Gedanken, Überlegungen oder Beobachtungen des alltäglichen Wahnsinns haben zu den Texten von "Dawn" geführt?
Carl: Es wurden dort viele persönliche Erfahrungen und Lebensabschnitte verarbeitet, aber auch meine persönliche, negative Sicht auf viele Dinge, die in der Welt geschehen - allerdings ohne erhobenen Zeigefinger, sondern als realistische Beschreibung der Wege, welche die Menschheit beschreitet.
Somit basiert eigentlich alles auf der Wurzel allen Übels, namens Machtgier. Alles ordnet sich dem unter. Direkt thematisiert wird dieses in "Lords Of Babylon". Die Menschen werden damit niemals mit diesem Gefühl umgehen können. Es steckt in allen, nur reflektieren tun es die Wenigsten.
Der Börsenanalyst, der Politiker und der religiöse Führer wirtschaften sich in die eigene Tasche, was am besten geht, wenn man alles dransetzt, seine Stellung zu behalten. Um das Allgemeinwohl geht es einfach niemanden. So war es bei den Königen im Mittelalter und so ist es heute. In allen drei Bereichen muss man schlichtweg ein endlos abgefuckter Typ sein, wenn man richtig weit kommen will.
RockTimes: Welche Vorteile aber auch Nachteile siehst du für Torian gegenüber anderen Mitbewerbern und was sind eure persönlichen Stärken und herausragenden Merkmale?
Carl: Ich denke, dass wir Komplexivität, Härte und Eingängigkeit gut miteinander vermischen. Wir setzen auf Langzeitwirkung in den Songs. Dennoch muss man sich auf die Musik erstmal einlassen. Ich glaube, dass das sehr eigenständig ist, nicht zuletzt auch durch Paras Gesang, und dass er wie kein Zweiter das Publikum anpeitscht.
Trotz der Komplexivität gibt es keine abgefahrenen Wechsel, die dich im 'Bang-Fluss' stören. Ich glaube, wenngleich es stumpfe True Metal-Bands live zunächst einmal leichter haben, man trotzdem schnell Zugang zu Torian findet und auch zu Hause aus der Konserve noch etwas davon hat. Im Zweifel ist die Musik auch hart genug, um ein paar Moshpits entstehen zu lassen. Das sind meine persönlichen Gedanken zu der Musik, die ich selbst schlichtweg am liebsten höre.
RockTimes: Da sich der Proberaum auch in absehbarer Zeit nicht mit Platinauszeichungen füllen wird, was ist die größte Motivation Jahr um Jahr weiter zu machen?
Carl: Einfach geile Songs zu schreiben und aufzunehmen, sie in vollem Glanze erstrahlen zu lassen und mit sehr engen Freunden gemeinsam Großes zu erschaffen, dabei anderen eine gute Zeit zu bescheren. Die Basis ist einfach die, dass wir uns regelmäßig im Proberaum treffen, Musik machen und neben dem Alltag in eine andere Welt abzutauchen. Das tut gut, wenn man mal einen Scheißtag hatte.
Es klingt ein wenig nach Feierabend-Band, aber das ist es absolut nicht. Das Feuer und der unbedingte Wille nach oben zu kommen sowie der Glaube, dass wir mit unserer Musik wirklich viele Menschen erreichen könnten, ist immer noch vorhanden - und das kontinuierlich von Album zu Album.
RockTimes: Als Band seit ihr bundesweit und auch in Europa ziemlich weit herumgekommen. Da gibt es sicherlich die eine oder andere Anekdote zu berichten?
Carl: Allerdings! Wir haben als bandinternes Projekt vor, so eine Art Musikerbiografie zu schreiben, jedoch KEINE Selbstbeweihräucherung, sondern eher im Stil von "Fleisch ist mein Gemüse" vom grandiosen Heinz Strunk bzw. der Till Burgwächter-Bücher.
Wir haben zwar noch keine Tournee im eigentlichen Sinne gespielt, dennoch denke ich, dass wir eine Menge skuriler Dinge gesehen haben, welche die Menscheit einfach erfahren muss, haha. Nun, hier die Anekdote, deren Begebenheit noch noch nicht allzu lange her ist: Auf einem Auftritt hat einer aus den ersten Reihen ganz grob einen fahren lassen. Para bemerkte diesen Zustand durch das Mikro und wir unterbrachen den Auftritt für ein paar Minuten... weil das echt gar nicht ging.
RockTimes: Auch wenn die Westfalen normalerweise nur vom Frühstück bis zum ersten Korn planen, was sind eure Planungen in der nächsten Zeit?
Carl: Wir versuchen nun, möglichst gute Auftritte an Land zu ziehen und den Namen weiterzuverbreiten. Des Weiteren versuchen wir, bei einer lukrativen Tour mitzumachen. In der nächsten Zeit beginne ich mit dem Songwriting für das vierte Album. Einige Ideen stehen schon.
RockTimes: Jetzt wird es gemein. Nehmen wir mal an, dass im Jahr 2030 Torian eine Erinnerung ist, die du gerne deinen Enkeln oder Urenkeln erzählst, was würdest Du denen erzählen?
Carl: Dass ich Erfahrungen, die ich um nichts in der Welt missen möchte, gemacht habe. Ich denke, die ein oder andere Anekdote werde ich erzählen, aber erst wenn sie volljährig sind, hargh, hargh...
RockTimes: Die berühmten letzten Worte:
Carl: Kauft das Album und kommt zu den Konzertern. Veranstalter: Bucht uns!
Und das wichtigste: STAY FUCKIN' METAL!!!
Externe Links: