Traffic / The Low Spark Of High Heeled Boys
The Low Spark Of High Heeled Boys Spielzeit: 40:40
Medium: CD
Label: Island Records, 1971 (1995)
Stil: Rock, Fusion


Review vom 06.12.2009


Joachim 'Joe' Brookes
Verschiedene Straßen führten 1967 zu der Band Traffic.
Steve Winwood, zu dem Zeitpunkt gerade neunzehn Lenze zählend, kam von der "Gimme Some Lovin'"-Spencer Davis Group.
Gitarrist Dave Mason war vorher hinter den Kulissen der Spencer Davis Group beschäftigt. Bereits 1969 verließ er Traffic schon wieder in Richtung Delaney & Bonnie, tauchte zwischendurch aber wieder auf.
Jim Capaldi (1944 - 2005) engagierte sich in den von ihm gegründeten Bands The Sapphires und The Hellions.
Chris Wood (1944 - 1983) kam von der Band Sounds Of Blue zur Gruppe. Über seine Schwester gab es Kontakte zur Spencer Davis Group und somit auch zu Steve Winwood.
Der Island-Labelchef Chris Blackwell sorgte für Probemöglichkeiten und bereits im Dezember des Gründungsjahres lag "Mr. Fantasy", das erste Album der Band, vor. Bei den Credits zu den fünfzehn Tracks wird schon deutlich, dass es sozusagen zwei Lager gab. Vier Nummer wurden von Mason alleine komponiert, die anderen vom Trio Winwood, Wood und Capaldi.
Auf der europäischen Ausgabe waren alle vier Musiker abgebildet. Die US-Veröffentlichung zeigte nur drei Leute und bei den herausragenden Songs war mit "Paper Sun" der erste Hit dabei. Es folgte "Hole In My Shoe", von Mason gesungen.
Schon hier war die Instrumentierung mit Flöte, Saxofon (Chris Wood) und Sitar, Tambura oder Shakkai (Dave Mason) bemerkenswert.
Die Ideen sprudelten nur so und Anfang 1968 folgte "Traffic", das einerseits aus Masons Ader Folk-rockige und andererseits vom Rock geprägte Nummern enthielt.
Die Reibereien mit dem exzentrischen Mason führten im Januar 1969 zur Auflösung von Traffic… bezeichnend hieß das dritte, zusammengewürfelte Album, "Last Exit".
Capaldi und Mason zog es in die Staaten und mit Mick Weaver kam die Gruppe Wooden Frog auf den Plan. Wood stieß ebenfalls dazu.
Winwood fand zusammen mit den Ex-Cream-Männern Eric Clapton sowie Ginger Baker und Ex-Family-Bassist Rick Grech eine sehr kurze Heimat in der Supergroup Blind Faith. Top-Ränge für deren einziges Album "Blind Faith"… nach einer sehr erfolgreichen Tour folgte das schnelle Ende.
Dann gab es Traffic als Trio (Winwood, Wood, Capaldi) und dabei sprang "John Barleycorn Must Die" (1970) heraus. Live ließ sich die Komplexität der Musik allerdings nicht umsetzen und so wurde der Dreier mit Rick Grech sowie Reebop Kwaku Baah aufgestockt.
Die wirklich hörenswerte Platte "Welcome To The Canteen" (1971) war ein weiteres Traffic-Album. Anstelle des Bandnamens waren aber alle sechs Musiker, auch Mason, aufgeführt.
"The Low Spark Of High Heeled Boys" (1971) markierte eine weitere künstlerische Kegelspitze in der Karriere der Band.
Das fing schon bei der eigenwillig vollendeten Gestaltung und dem damaligen LP-Hüllen-Format an. Der englische Künstler Tony Wright hatte es entworfen. Außergewöhnlich war, dass der Verpackung zwei Ecken fehlten. Mit seinem ersten Design (für vorliegendes Album) landete der seit fast vierzig Jahren in dieser Sparte aktive Wright im Rolling Stone-Verzeichnis der einhundert besten Cover.
Unter anderem war er erfolgreich für Bob Marley, Bob Dylan, John Martyn, Marianne Faithfull oder Melissa Etheridge tätig.
Von Seltenheitswert ist, dass Jim Capaldi für zwei Tracks die Lead Vocals übernahm. Nicht gerade ein so begnadeter Sänger vor dem Herrn wie Winwood, aber dennoch mit viel Emotionalität singt er seine Komposition "Light Up Or Leave Me Alone" als auch das von Gordon/Grech geschriebene Stück "Rock & Roll Stew".
Letzteres ist definitiv eines der rockigsten auf dem gesamten Album und trotz der gewissen Heftigkeit verpasst Winwood dem Track einen jazzigen Anstrich. Die Rhythmus-Abteilung groovt gut, besonders der Bass. Die Handtrommeln sind eh über die gesamte Spielzeit des Albums prächtig.
CD-Ausgaben 'jüngeren' Datums verfügen über eine Bonus-Ausgabe dieses Stückes, welches sich in der Verlängerung durch einen Jam-Charakter auszeichnet.
Auch "Light Up… " zeigt den Rock-Charakter der Band und umwerfend ist Winwoods Gitarrenarbeit, die mit einem Wah Wah-Pedal-Einsatz und einer abermaligen Tendenz zum Jazz vor dem Fade-Out endet. Vortrefflich, was hochkarätige Musiker aus einer solchen Nummer machen können.
Ruhig und mit einem mystischen Folker startet die Platte zunächst als eine Ode an die Natur ("Hidden Treasure").
Im Vordergrund stehen Woods Flöte und die Akustische von Winwood. Der Song brilliert durch einen rhythmisch anders aufgestellten Refrain. Die Flöte, Gitarre und Percussion solieren parallel zueinander und auch das macht den Reiz des Openers aus.
Sind die bereits beschriebenen Songs, mit Ausnahme des Bonus-Tracks, von kürzerer Spielzeit, geht es mit "Many A Mile To Freedom" zu den längeren Nummern über.
Mit feinen Keyboards, Rhythmuswechseln und einer immer wiederkehrenden Wood-Querflöte ist dieses Stück eines der primären Highlights unter den hochklassigen Kompositionen. Winwood tobt sich an der E-Gitarre prächtig aus und in den fließenden Tönen seines Arbeitsgerätes finden sich sowohl rockige wie einige bluesige Noten.
Den Abschluss des Original-Albums bildet "Rainmaker". Abermals ist es im ersten Teil Woods Querflöte, die in das Lied einleitet und darüber hinaus diese beschwörerischen Männerstimmen… gigantisch. Dann wenige lautere Gitarrenriffs, gefolgt von einem herrlich verfremdeten Violinen-Part. Wieder ein Takt-Wechsel… das Saxofon übernimmt die Führungshand und Winwood soliert auf der E-Gitarre geradezu psychedelisch, wobei andere Hände kräftig über die Felle der Handtrommeln fliegen.
Das Überding und Meisterstück auf dem Album ist aber der Titeltrack, den ich mir für meine Rezension sozusagen als Nachtisch aufgespart habe.
"The Low Spark Of High Heeled Boys" ist Traffic-Jam-Jazz par excellence, von vorne bis hinten, von der ersten bis zur letzten Sekunde eine der längsten Nummern, die die Engländer im Studio zusammen gebracht haben. Damals, bei dem ersten Date mit diesem Stück, steckte es voller Sensationen und heute, nach fast vierzig Jahren, ist immer noch eine große Faszination und dicke Gänsehaut geblieben. Woods Saxofon pur und verfremdet, Winwoods Piano und ein jazziges Drumming von Gordon…. Dieses Stück muss einfach als musikalische Kunst stehen bleiben. Es verbietet sich geradezu, auf Details einzugehen.
Um die Biografie der Band rund zu machen, nur soviel: Zum Jahreswechsel 1971-72 erkrankte Winwood, Grech sowie Gordon verließen die Band. Für den Nachfolger "Shoot Out At The Fantasy Factory" bildeten die Muscle Shoals-Musiker David Hood und Roger Hawkins die Hintermannschaft, aber kurz gesagt, man konnte den künstlerischen Erfolg nicht wiederholen. Kwaku Baah ging ebenfalls, Rosco Gee stiegt ein. Es folgte "When The Eagle Flies" und eine Tour. 1994 kamen Winwood und Capaldi für "Far From Home" und eine Tour nochmals zusammen.
Danach gingen die Traffic-Laternen endgültig aus.
Die Band hat mit "The Low Spark Of High Heeled Boys" einen Meilenstein aufgestellt. Zumindest, was ihre Studio-Alben angeht.
Line-up:
Steve Winwood (piano, organ, guitar, vocals)
Chris Wood (flute, saxophone)
Rick Grech (bass, violin)
Jim Capaldi (drums, vocals)
Jim Gordon (drums)
Reebop Kwaku Baah (percussion, vocals)
Tracklist
01:Hidden Treasure (4:13)
02:The Low Spark Of High Heeled Boys (11:38)
03:Rock & Roll Stew (4:20)
04:Many A Mile To Freedom (7:12)
05:Light Up Or Leave Me Alone (4:44)
06:Rainmaker (7:39)
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