Schon des Öfteren unterlagen einige Schreiberlinge der Verführung, über die Produktionen
recht eigenständiger Musikercharaktere im Vorfeld in Schwärmereien oder gar in Superlative zu verfallen.
Solche so genannten 'Supergroups', wie diese einst Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger, besonders hip in populären Musikbranchen galten, erleben hin und wieder eine Renaissance und demonstrieren uns mit ihren überambitionierten Oeuvres, dass gemeinschaftliches Ego-Aufpolieren nicht in jedem Fall gehaltvoll verlaufen muss.
So mussten die Genreliebhaber sieben quälende Jahre warten, endlich ihre leicht angestaubten Gebetsteppiche vor der heimischen Stereoanlage ausrollen zu dürfen, um dem neuen Opus eines Prog-ureigensten Musikerkollektives die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Transatlantic-Projekt und seine fantastischen Vier sorgte schon immer, seit dessen Begründung im Jahr 2000, für reghafte Kontroversen innerhalb der Fanlager: Was für die eine Seite als höchst niveauvolle Musizierkunst innerhalb der Szene galt, entsprach für die anderen meist nur einer aufgekochten, artifiziellen Großkotzigkeit.
Die Musterschüler des RetroProg-Revivals wuchten uns nun mit "The Whirlwind" einen dicken konzeptionellen Brocken vor die Füße, welcher mit fast 78 Minuten geballter Ladung musikalischer Geschwülste, die über kreativ verstärkten Rückgrätern so mancher Referenzgrößen wuchern, und durch übermäßige Orchestralität und Imposanz, als inoperabel erscheinen mag.
Schon beim ersten Abhören manifestieren sich die kompositorischen Einflüsse des einstigen Spock's Beard-Mentors und mittlerweile gottgeläuterten Neal Morse, und des nordischen Studio-Tausendsassas Roine Stolt, überlagern diese mit ihren übermächtigen Schatten Mike Portnoys furztrockenes Trommeln und Pete Trewavas hingestampfte Basszutaten.
Die in zwölf Arrangements gekleideten Metaphern um Chaos und Schicksal folgen dabei gestrengen klassischen Vorgaben, tragen angeführt von Ouvertüren Schicht um Schicht auf das emotional angereicherte Klanggemälde, um mit musikalischen Zaubertricks aus maßlosen Gitarrenausflügen, lustvollen Sologesängen und pittoresken Tastenverzierungen
final noch einmal kräftig überzupinseln.
Den handwerklich sowieso über allem erhabenen Gesellen könnte man faktisch nun einen geschickt produzierten Aufguss allerlei progtechnischer Klischees, sowie eine stark narzisstische Neigung unterstellen, aber mit einem Augenzwinkern auch ihr kaltschnäuziges Spiel mit den Erwartungen zahlreicher Genreinfizierten aufstempeln.
Deren "Wirbelwind" explodiert geradezu im kreativen Überdruck, ohne sich jedoch gänzlich zu verflüchtigen, hält Einkehr in längst bestellte Äcker der Protagonisten, wobei Neal Morse diesmal mit weniger kontemplativ-religiösen Parolen, dafür aber mit Versatzstücken aus der Beard'schen Bastelkiste aufwartet, und neben Stolts zugegebenermaßen elementaren, aber dennoch angeberischen Gitarrensoli und nasalem Weheklagen, die Insignien des Gesamtwerkes mit beiden Händen fest umkrallt. Von rasanten Tempi bis melancholischen Talfahrten, lotet das routinierte Quartett auf seiner technisch aufgebrezelten Studiogeburt alle dramaturgischen Höhen und Tiefen längst gekrönter Progstandards aus und pickt die Rosinen aus einem das Verfallsdatum überschreitenden Soufflé, um selbiges erneut als künstlich recycelte Frischware anzupreisen.
»Dies ist das 'Krieg und Frieden' des Progs«, plappert Morse vollmundig über diese angebliche Großtat. »Die Quintessenz ist, dass ich ausstieg, weil ich das Gefühl hatte, Gott erwartet es von mir. Eine Zeitlang später schrieb ich ein Stück namens "The Whirlwind", für das Transatlantic prädestiniert zu sein schienen. Ich fragte die Jungs, ob sie zusammenkommen und mit daran arbeiten wollen. Es fühlte sich an wie die richtige Sache zum richtigen Zeitpunkt.«
Allen Lobhudeleien zum Trotz, ist es nun schlichtweg doch nur ein weiteres, dem Mainstream verpflichtetes Morse-Soloprodukt mit prominenter Beteiligung geworden, welchem aus Ermangelung an Dynamik und Überraschungsmomenten auf halber Strecke schnell die Puste ausgeht, und als pfiffig montierte Zwangsneurose ins schwulstige Nirwana entfleucht.
"The Whirlwind" ist weder ein rein traditioneller noch ein wärmender Tonträger, verströmt dagegen eher den eklatanten Charme eines offenen Gefrierschrankes, speist sich allenthalben aus klug gesetztem Sechziger-Gesangs-Pathos und öligen Gitarreneinsprengseln, um mit der großspurig aufgegossenen Synthesizersoße im Abgang wenigstens ein halbwegs zufrieden zu stellendes Geschmacksbedürfnis zu stillen.
So muss ich die Kritikerrufe nach einem Meisterwerk leider energisch revidieren, vermittelt
das vorliegende Studiovermächtnis nicht einmal annähernd das Esprit des 2000er Debüts - und uns die Erkenntnis, dass ab und zu selbst Sterneköche ihre Haute Cuisine zu versalzen vermögen.
Leider lag mir für die Plattenbesprechung nur ein von überflüssigem Promogeplänkel zerhäckseltes Exemplar vor. Eine Praxis mancher Label, die ich für völlig indiskutabel halte.
Line-up:
Neal Morse (lead vocals, guitar, keyboard)
Roine Stolt(lead vocals, guitar)
Pete Trewavas (bass, vocals)
Mike Portnoy (drums, vocals)
Tracklist |
01:Overture/Whirlwind
02:The Wind Blew Them All Away
03:On The Prowl
04:A Man Can Feel
05:Out Of The Night
06:Rose Colored Glasses
07:Evermore
08:Set Us Free
09:Lay Down Your Life
10:Pieces Of Heaven
11:Is It Really Happening?
12:Dancing With Eternal Glory/Whirlwind (Reprise)
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