Viktoria Tolstoy / Letters To Herbie
Letters To Herbie Spielzeit: 57:23
Medium: CD
Label: ACT, 2011
Stil: Vocal Jazz

Review vom 24.10.2011


Joachim 'Joe' Brookes
Wie schön, wenn man sich Jugendträume erfüllen kann. Die schwedische Jazz-Sängerin Viktoria Tolstoy war bereits in frühen Jahren vom Jazz-Pianisten Herbie Hancock begeistert und ein Treffen mit dem Meister der schwarzen und weißen Tasten beim Jazz Baltica Festival 2004 wird wohl ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein. So etwas vergisst man nicht. Viktoria Tolstoy wurde von Hancock zum Dinner mit seiner kompletten Band eingeladen und dieses Ereignis war der Anlass für "Letters To Herbie".
Tolstoy hat schon eine beeindruckende Karriere hinter sich und mit neunzehn Jahren brachte sie 1994 ihr Debüt "Smile Love And Spice" auf den Markt. Ihr Vater, ebenfalls im Jazz verwurzelt, schrieb einige Songs für die Tochter und in schöner Regemäßigkeit wurden weitere Platten veröffentlicht. In der Chronologie steht "Letters To Herbie" an Nummer neun und die Tolstoy trat mittlerweile auf vielen renommierten Festivals auf. Mit nationalen und internationalen Stars der Jazz-Szene stand sie schon auf der Bühne. Sie arbeitete unter anderem mit Pat Metheny zusammen und persönlich ist sie rund um den Globus getourt. Unter anderem machte sie Station in Südafrika, Mexiko oder Japan.
Bei der Auswahl der Tracks zur vorliegenden Platte geht es zwar querbeet durch die Karriere von Hancock-Songs, aber einen gewissen Schwerpunkt bilden die Funk Jazz-Kompositionen aus den Achtzigerjahren. Tolstoy schrieb den Titeltrack unter Mitwirkung von Nils Landgren sowie Magnus Lindgren. Der Tonträger enthält darüber hinaus nicht zwei weitere Lieder, die nicht aus Hancocks Feder stammen. "Naima" ist von John Coltrane und der Bonus Track "Come On, Come On" geht auf Jaco Pastorius zurück.
Amerikanisches Songmaterial trifft auf schwedischen Charme. Viktoria Tolstoy (ja, sie ist wirklich die Urenkelin von Lew Tolstoi) singt mit klarer, leicht angerauter Stimme und hat brillante Musiker ins Studio geholt. Sie ist bekannt dafür, dass sie Noten ungemein lange halten kann. Der Posaunist Nils Landgren hat einen perfekten Sound produziert und ist selbst mit von der Partie.
Das überaus funkige "Give It All Your Heart" singt Tolstoy im Duett mit Landgren, der mit seinem Soul auf den Stimmbändern einen deutlichen Kontrast zum Gesang der Protagonistin bildet. Der viel beschäftigte Posaunist Landgren gibt da mit seinem Arbeitsgerät eine ganz andere Figur ab. Sein Beitrag orientiert sich an der Melodie und darüber findet Landgren zu seinen ureigenen Ideen.
Locker und leicht kommen die Interpretationen daher. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Schwedin nicht so ganz in an die Wurzeln der Originale heranreichte und so eher mit sanfter Hand zu Werke ging. Allerdings sollte man auf gar keinen Fall glauben, bei "Letters To Herbie" handelt es sich um etwas, was aus der Easy Listening-Ecke an die Ohren kommt. Dafür verfügt das Album über zu viel Substanz.
Hammer! Dieser Pastorius-Track ganz am Ende bohrt sich in einen tonnenschweren Groove und darüber gleitet Tolstoys Stimme dahin. Bei diesem Tonträger stellt sich neben der Frage nach dem Tastenmann auch die nach dem Gitarristen. Krister Jonsson spielt zugleich furios wie auch intim auf und sein Wah Wah-Einsatz in "Come On, Come On" ist gigantisch gut. Der Mann mag dieses Effektgerät sehr. Klar, Jacob Karlzon an Piano und Keyboards ist auf Augenhöhe mit Jonsson, aber gerade die Leistung des Gitarristen ist auffällig.
Die Trümpfe der Platte sind Ausgewogenheit, Ausgeglichenheit, zeitloses Ambiente, Leichtigkeit, musikalisch hohes Niveau und natürlich Viktoria Tolstoys Stimme.
Line-up:
Viktoria Tolstoy (vocals)
Jacob Karlzon (piano, keyboards)
Krister Jonsson (guitars)
Mattias Svensson (bass)
Rasmus Kihlberg (drums)

Special Guests:
Nils Landgren (trombone, vocals)
Magnus Lindgren (woodwinds)
Filip Runeson (violin, viola, cello)
Matthias Svensson (violin)
Tracklist
01:Trust Me [Hancock/Rubinson/Willis] (4:02)
02:Textures [Hancock/Alerstedt] (5:22)
03:I Thought It Was You [Cohen/Hancock/Ragin] (5:27)
04:Chan's Song [Hancock/Wonder] (3:37)
05:Butterfly [Hancock/Maupin] (4:15)
06:Come Running [Hancock/Willis] (5:57)
07:Give It All Your Heart feat. Niils Landrgen [Hancock/Temperton] (3:45)
08:Letter To Herbie [Langren/Lindgren/Tolstoy] (4:08)
09:Paradise [Champlin/Foster/Graydon/Hancock] (3:42)
10:Chemical Residue [Hancock/Alerstedt] (4:49)
11:Tell Me A Bedtime Story [Hancock/Alerstedt] (3:52)
12:Naima feat. Magnus Lindgren [Coltrane/Hendricks] (3:47)

Bonus Track:
13:Come On, Come On [Pastorius/Herzog] (4:05)
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